Er eilt von Erfolg zu Erfolg, wird aber sehr bescheiden, wenn man ihn darauf anspricht: Shenasi Haziri, 37, aus Altstätten. Er ist Verkaufschef bei Coop, hat rund 1200 Mitarbeiter unter sich, ist verantwortlich für 34 Verkaufsstellen und 500 Millionen Franken Umsatz.
Shenasi Haziri, ein Chef, der bei der Arbeit nicht auf die Uhr schaut, auch mal Überstunden in Kauf nimmt und in seiner Vorgesetztenfunktion immer erpicht ist auf das Wohl der Kunden und der Angestellten. Das ist eines seiner Erfolgsrezepte: glückliche Menschen. Nicht umsonst kämen 70 Prozent der Kadermitarbeitende aus dem eigenen Nachwuchs. So wie auch er selbst.
Er hat bei Coop geschnuppert, bei Coop die Lehre absolviert, bei Coop wurde er mit 19 Jahren bereits stellvertretender Geschäftsführer, drei Jahre später selbst Geschäftsführer, mit 27 Verkaufsleiter und mit knapp 30 Verkaufschef in der Region Ostschweiz-Ticino. Obwohl seit über 20 Jahren bei derselben Firma, wurde ihm so nie langweilig, wie er selbst sagt. Auch jetzt, wo er seit sieben Jahren dieselbe Position innerhalb des Unternehmens innehat, will er noch nichts anderes machen. «Im Moment bin ich zufrieden als Verkaufschef und möchte das noch eine Weile bleiben, um meine Mannschaft und mein Wirtschaftsgebiet weiterhin für die kommenden Herausforderungen fit zu machen.» Seit seiner Lehre habe er sich immer das Ziel gesetzt, irgendwann diese Funktion zu übernehmen.
Keine Wirtschaftlichkeit ohne Menschlichkeit
Es scheint, als könne er jetzt auch die Früchte seiner Arbeit ernten. Die Läden, für die er verantwortlich ist, verzeichnen gute Ergebnisse. Das Erfolgsrezept scheint, wie beschrieben, ziemlich simpel: Shenasi Haziri sorgt sich nicht nur um die Kunden und die Qualität der Produkte, sondern ist sich auch seiner Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern sehr bewusst. «Hinter jeder und jedem von 'meinen Leuten' steht auch immer eine Familie. Das ist eine enorme Verantwortung», sagt Haziri.
Immer, wenn er von den Angestellten spricht, wird er im Gespräch diese Formulierung verwenden: meine Leute. Er sucht mit ihnen gemeinsam den besten Weg, zeigt Aufstiegsmöglichkeiten auf, ist aber auch da, wenn ein Mitarbeiter eine schwierige Zeit durchmacht. Ein Beispiel: Wenn eine Mitarbeiterin alleinerziehende Mutter ist und ihr Kind krank wird. Dann wird Shenasi Haziri nicht darauf pochen, dass die Mitarbeiterin bei der Arbeit erscheint, sondern nach Ersatz suchen lassen. «Sonst sind nicht nur die Mitarbeitenden, sondern auch die Kinder unglücklich, das geht einfach nicht.» Da spürt man den Vater zweier Kinder, der sagt: «Es gibt nichts Wichtigeres, als die Familie.» Ausserdem erinnert er sich stets an ein Zitat, welches ein ehemaliger Vorgesetzter einmal verwendet hat. «Ohne Wirtschaftlichkeit schaffen wir es nicht, ohne Menschlichkeit ertragen wir es nicht.» Ein Grundsatz, den er stets zu leben versucht und sich dabei auch ständig selbst reflektiert.
«Ein Chef muss berechenbar sein»
Das alles könnte jetzt so rüberkommen, als sei Haziri ein Softie als Chef. Er kann aber auch anders. «Ich bin immer hart in der Sache aber fair im Umgang. Wenn ein Mitarbeiter nicht anständig ist und sich respektlos verhält oder auch mein Vertrauen missbraucht, werden sich unsere Wege über kurz oder lang wieder trennen.» Seiner Ansicht nach braucht es gegenseitiges Vertrauen genauso, wie Verlässlichkeit, damit die Beziehung zwischen Vorgesetzten und Unterstellten nachhaltig erfolgreich gestaltet werden kann. Und das auf beiden Seiten. «Ein Chef muss auch berechenbar sein», findet der 37-jährige Familienvater. Es gebe nichts Schlimmeres als einen Vorgesetzten, der eben noch gut gelaunt sei und im nächsten Moment ausrufe.
Keine andere Branche ist so lebendig
Angesprochen auf die Herausforderungen im Detailhandel nennt Shenasi Haziri nicht wie erwartet zuerst Einkaufstourismus oder Online-Shopping. «Gute Leute zu finden scheint mir am Schwierigsten.» Denn der Detailhandel lebe nun mal von den Menschen. Das ist im Übrigen auch das, was ihn überhaupt zu diesem Beruf geführt hat. «Es gibt keine Branche, in der man so schnell mit Menschen in Kontakt kommt und die so lebendig ist, wie der Handel. Man lernt so viele unterschiedliche Charaktere kennen und das macht einen schnell erwachsen», so Haziri. Das Online-Shopping sieht Haziri als Herausforderung. Mit Microspot, Coop at Home und weiteren Formaten der Coop-Gruppe nehme man diese auch an.
«Sie haben leer geschluckt»
Von seinen Lehrlingen erwartet Haziri verschiedene Werte: Herzblut, Engagement und Ehrlichkeit. Und das wird auch belohnt. «Es ist noch gar nicht so lange her, als ich alle Lehrabgänger in meiner Region getroffen habe, die wir bei der Personalabteilung für eine weitere Tätigkeit bei Coop empfohlen haben. Ich war so beeindruckt von der Truppe, dass ich spontan gesagt habe, dass ich sie alle weiterbeschäftigen werde.» Rücksprache mit der Personalabteilung habe er in diesem Fall nicht gehalten. «Sie hat neben mir gestanden, mich verblüfft angeschaut und erstmal leer geschluckt. Dann hat sie sofort überlegt, ob überhaupt so viele Stellen frei sind», sagt Haziri und lacht bei der Erinnerung auf. Er sei sich einfach sicher gewesen, dass er keinen dieser engagierten jungen Leute an einen anderen Arbeitgeber verlieren wollte. Und wer weiss, ob darunter bereits ein nächster angehender Verkaufschef oder eine Verkaufschefin ist.
Martina Signer (*1988) aus Mosnang ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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