In den Firmen in der Schweiz scheinen im Kontext der Digitalisierung Vorurteile gegenüber älteren Beschäftigten weit verbreitet zu sein.
Das Schweizer HR-Barometer 2020 der Universität Zürich, der ETH Zürich und der Universität Luzern bescheinigt diesbezüglich „erhebliches Handlungspotenzial für die Arbeitgeber“. Doch die damit verbundene Altersdiskriminierung betrifft nicht nur ältere Mitarbeiter, sondern auch Kollegen, die am Anfang ihres Berufslebens stehen.
„Viele junge Menschen kennen das Dilemma vom Age Bias“, berichtet Tim Krasenbrink, Gründer des Online-Marketing-Start-ups elevaty, auf LinkedIn. Vielen werde aufgrund ihres jungen Alters und geringer Arbeitserfahrung der nächste Schritt verwehrt. Er selbst habe einst von einem Unternehmen eine Absage auf eine Bewerbung als Social Media Manager mit Verantwortungsbereich TikTok erhalten. Die Begründung: Er verfüge nicht über die in der Stellenausschreibung angegebenen sieben Jahre Arbeitserfahrung. Dabei gab es TikTok vor sieben Jahren nicht einmal. Dass der Jobeinstieg für junge Menschen sehr schwierig sein kann, zeigte sich auch während der Pandemie. Die Handelszeitung spricht von einer „Generation Lockdown“. Da weniger Unternehmen einstellen, „haben sich die Arbeitsmarktchancen für eine ganze Generation von Berufseinsteigern verschlechtert“. Experten befürchten langfristige Nachteile für die jungen Menschen. Denn der erste Job sei entscheidend für den Verlauf des weiteren Berufslebens.
Die Chance, aktuelle Herausforderungen gezielt anzugehen
Für die Wirtschaft hat das ebenfalls schwerwiegende Nachteile. Der Grund: Junge Menschen bringen bedeutende Vorteile für jedes Unternehmen mit. Wie Tim Krasenbrink anführt, hat keine andere Generation eine solche Technik- und Digitalaffinität. Sie sei mit digitalen Medien aufgewachsen und könne sie nativ nutzen. Darüber hinaus lebe sie so nachhaltig sowie zukunftsbewusst wie es noch nie zuvor der Fall war und stehe auch beim Vertreten liberaler, weltoffener Kulturen und Mindsets vorn. Nicht zuletzt erreiche sie den bisherigen Spitzenwert an Studienabsolventen. Doch es gibt noch weitere hervorhebenswerte Aspekte. So ist das Wissen von Berufseinsteigern aktuell. Dazu sind sie hoch motiviert, willens zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Sie können sogar ältere Kollegen anspornen. Dabei haben junge Mitarbeiter nicht dieselben Anforderungen an die Höhe des Gehaltes wie ältere Beschäftigte.
Für Unternehmen ergibt sich die Chance, die aktuellen Herausforderungen gezielt anzugehen und ihren Fortbestand in der Zukunft zu sichern. Dazu gehören zum Beispiel die wichtigen Themen unserer Zeit wie Klimawandel, Digitalisierung und Chancengleichheit, so Tim Krasenbrink. Aber auch die Unternehmensnachfolge ist eine Aufgabenstellung, der Führungskräfte mit einer zunehmend alternden Belegschaft kaum erfolgreich begegnen können.
Junge Talente nachhaltig gewinnen
Unternehmen benötigen also junge Fachkräfte. Doch wie können sie diese im sich verschärfenden „War for Talents“, in dem insbesondere grosse Unternehmen ihren Nachwuchs bereits direkt von der Hochschulbank aus rekrutieren, gewinnen? Ein Ansatz liegt im Ausbilden. „Fachkräfte wachsen nicht auf Bäumen. Man muss sie kultivieren, sagt Serge Frech, Geschäftsführer des Fachverbands ICT-Berufsbildung Schweiz“, so die Computerwoche. Weitere Möglichkeiten, um junge Talente anzusprechen, sind Aktivitäten auf Snapchat, Instagram, TikTok und LinkedIn sowie die Zusammenarbeit mit Spezialisten für Executive Search. Denn diese wissen, wie junge Menschen kontaktiert werden wollen und wo sie sich aufhalten. Um sie jedoch zu halten, müssen Unternehmen auf sie und ihre Vorstellungen eingehen. Diese sehen anders aus als die bisheriger Generationen.
Die Generation Y etwa, deren Vertreter in den 1980er-Jahren bis etwa Mitte der 1990er-Jahre geboren worden sind, sind die begehrten Digital Natives. Sie verfügen grösstenteils über einen akademischen Hintergrund und sind krisenerprobt. Diese Altersgruppe ist die internationalste, örtlich flexibelste, vielsprachigste, aber auch am wenigsten kompromissbereite Generation, welche bisher die Arbeitswelt betreten hat, wie im Beitrag „Generation Y – die nächsten Chefs fragen nach dem Warum“ erläutert ist. Die Generation Z, die zwischen 1997 und 2012 Geborenen, werden nicht umsonst als Generation YouTube, iGeneration oder Generation Greta bezeichnet. Dem Artikel „‚Jetzt komm ich‘ – die Generation Z betritt die Arbeitswelt“ zufolge sind ihre Vertreter mit zunehmend reifenden Technologien wie Virtual Reality, Augmented Reality, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen aufgewachsen. Die Generation Z möchte mit modernster Technologie arbeiten und ist kaum noch loyal dem Arbeitgeber gegenüber. Wer sie halten will, muss die digitale Welt in den Arbeitsalltag integrieren, weitere Anreize bieten, zum Beispiel durch Incentives, und sich als Arbeitgeber interessant machen. Die Kommunikation sollte ehrlich sein und es gilt, Mitgestaltung, Nachhaltigkeit sowie Sicherheit zu etablieren.
Kurz: Die gesamte Unternehmenskultur muss sich ändern – weit über die Vorstellungen von einem illusorischen Lebenslauf hinaus. Dies schliesst Wertschätzung ein, ebenso wie Gleichbehandlung und Diversität zu leben. Es bedeutet, eine Belegschaft herauszubilden, die von Vielfalt über alle Altersgruppen, Geschlechter und verschiedene Kulturen hinweg gekennzeichnet ist. In einer solchen Atmosphäre lernt einer vom anderen und bringt seine Stärken ein. Im konkreten Fall würde das Unternehmen von der geistigen Wendigkeit und Kombinationsfähigkeit jüngerer Beschäftigter sowie dem Erfahrungswissen und dem Gespür für heikle Situationen Älterer gleichermassen profitieren und produktiver sein als weniger vielseitig aufgestellte Unternehmen. Die Frage nach (Alters)stereotypen stellt sich nicht und Berufserfahrung wäre in beiden Richtungen kein Hindernis mehr, sondern nur ein Merkmal, das jemand anderes ganz natürlich ausgleicht.
Autor: Lukas Christen, Junior Recruitment Managerbei Nellen & Partner in Zürich
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