Eine Gruppe Menschen, am Rande der Gesellschaft, folgen ihrer Leidenschaft und bringen diese auf die Bühne. Was nach einem «schrägen» Konzept tönt – ist genau so, wie Niggi Schwald, Assistent Planung, Management & Organisaton der Zürcher «Schräge Vögel», im Interview erklärt.
Ihr nennt euch «Schräge Vögel». Also gleich einmal Hand aufs Herz: Wie schräg seid ihr denn wirklich?
Schon sehr, der Name ist bei uns Programm. Jeder von uns hat seine eigene Geschichte, seine Stärken und Schwächen. Wir nehmen Jeden so, wie er eben ist. Ganz am Anfang waren wir sicher noch etwas schräger, als wir das heute sind. Aber den speziellen Touch der «Schräge Vögel» haben wir uns bis heute erhalten und leben ihn bewusst.
Das Leben läuft eben nicht immer nach Plan. Ihr versteckt euch jedoch nicht, sondern steht auf der Bühne, und spielt eure Geschichten, die vom Leben handeln. Wie viel Echtheit steckt wirklich darin?
Zu Beginn haben wir sicher mehr uns selber gespielt, als das heute noch der Fall ist. Mit der Zeit haben wir Stücke in verschiedenen Sparten, also beispielsweise Krimis, Western, Liebeskomödien, gespielt. Aber unsere Stücke haben immer eine Botschaft, die wir dem Publikum zum Nachdenken mit auf den Weg geben wollen.
Eure Theatergruppe besteht seit 2009. Wie ging es weiter?
Bis wir 2012 den Verein gegründet haben, waren wir in die Sozialwerke Pfarrer Sieber integriert. Nach einem ersten Theaterprojekt war die Begeisterung wirklich riesig und alle wollten weiter machen. Die Liebe zum Theater und die Freude am Theater Spielen ist auch heute noch ungebrochen.
Über all die Jahre, was waren die Highlights, an denen ihr gemerkt habt, dass ihr auf dem richtigen Weg seid? Manchmal sind es ja die kleinen Dinge, die uns das vor Augen halten…
Höhepunkte gab es natürlich in den doch einigen Jahren so manche. Das grösste und für alle sicher eindrücklichste Projekt war unser «Intercambio» (Austausch) mit Chile. Zwei Mal reisten die «Schräge Vögel» nach Santiago de Chile ans Theaterfestival Entepola. Zwei Mal empfingen wir eine chilenische Theatergruppe in Zürich. Für unsere damaligen Verhältnisse eigentlich ein «hirnrissiges» Projekt. Aber mit der sprichwörtlichen «Schräge Vögel»-Beharrlichkeit haben wir auch das geschafft. Ein weiteres Highlight war dann sicher auch unsere Tournee, wo wir eine Woche lang mit einem, zur Theaterbühne ausbaubaren Bauwagen durch den Kanton Zürich getingelt sind. Jeden Abend Aufführung an einem anderen Ort – es war eine echte Herausforderung und hat unser Ensemble noch mehr zusammengeschweisst.
Wir haben 2017 insgesamt 24 Kurzgeschichten aus unseren vielen Erlebnissen in all den Jahren zusammengestellt und in einem Büchlein herausgegeben. Man kann das Geschichtenbüechli auf unserer Homepage www.schraege-voegel.ch bestellen.
Fester Bestandteil eine grosse Theaterproduktion zu sein – wie hilft das den Mitgliedern in ihrem Alltag?
Nun, wir verstehen uns ja als Reintegrations-Projekt. Das Mitwirken an einer Theaterproduktion stärkt das Selbstbewusstsein, fördert die soziale Kompetenz wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und lernt uns, sich in einer Gruppe zu bewegen. Viele Menschen werden, wenn sie am Rand der Gesellschaft leben, zu einsamen Eigenbröt-lern und müssen diese Fähigkeiten wieder erfahren und erarbeiten.
Euer Angebot ist niederschwellig – es kommen also auch Menschen zusammen, für die Pünktlichkeit, Zuverläs-sigkeit etc. nicht mehr selbstverständlich ist. Wie läuft da die Zusammenarbeit ab?
Wir wollen ja genau das vermitteln. Wir sind es gewohnt, flexibel zu sein und finden immer eine Lösung, um diese Probleme zu umschiffen. Genau dieses Improvisationstalent in der Planung und Umsetzung eines Projektes sind eine unserer zahlreichen Stärken.
Kulturangebote gab es in den letzten Wochen und Monate wegen der Corona-Krise nicht mehr. Das hat natür-lich alle Künstler getroffen, doch bei euch dürfte das Drama noch grösser sein, da ein wichtiger Halt für die Mit-glieder plötzlich weggefallen ist?
Ja, die Leute vermissen die wöchentlichen Theaterproben und andere Aktivitäten sehr. Letztes Jahr konnten wir mit Glück im Sommer eine Theaterwoche in Winterthur realisieren und einmal ein Grillabend mit Minigolf, das wars dann auch schon. Seit Mitte Februar sind wir neu auch am Radio zu hören. Mit der Sendung «Schräge Vö-gel» On Air – eifach andersch sind wir jeden zweiten und vierten Dienstag im Monat im Radio Stadtfilter Win-terthur von 19 bis 19.30 Uhr auf Sendung.
Zukunftsprognosen sind derzeit zwar schwierig. Dennoch: Was denkt ihr, wie und wann es weitergehen wird?
Da zurzeit jegliche Planungssicherheit inexistent ist, konzentrieren wir unsere Planung und das dafür notwendige Foundraising auf das Jahr 2022. Dann feiern wir zehn Jahre Theaterverein «Schräge Vögel» und wollen eine grössere Produktion auf die Bühne bringen.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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