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Gastbeitrag

«Stallblind» im Frühsommer

Nach einer langen Zeit des Eingesperrtseins findet das Leben – verbunden mit den warmen Temperaturen – endlich auch wieder draussen statt. Was heisst das für die Finanzmärkte? Ein Gastbeitrag von Lukas Enzler.

Lukas Enzler am 19. Juli 2021

Die Freude der Kühe ist regelrecht greifbar, wenn sie nach einem langen Winter zum ersten Mal den Stall verlassen dürfen und sich wieder austoben können. Nur die Helligkeit überrascht: Sie sind «stallblind» geworden. Diese Blindheit hält bei den Tieren nicht lange an – und die Freude bremst sie ohnehin nicht. Auch wir Menschen sind oder handeln gerne einmal «stallblind». So hatte uns das Corona-Virus regelrecht «eingesperrt»: Restaurants, Kulturbetriebe und Sportstätten blieben für lange Zeit geschlossen. Die Freude war allerseits gross, als anfangs Juni – mit den ersten Öffnungsschritten des Bundes – die alte «Normalität» wieder etwas Einzug gehalten hat. Einzelne hat es denn auch gar zügig aus ihren Behausungen getrieben. Die Gefahr von Covid-19 ist dabei etwas zu schnell aus dem Fokus verloren gegangen. Ganz wie bei den Tieren, die im Frühjahr endlich wieder das Winterquartier hinter sich lassen können…

Konjunkturelle Ausgangslage

Nach den Corona-bedingten Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens sowie der Wirtschaft findet derzeit eine breite Erholung in beinahe allen Bereichen statt. Der Stillstand dauerte bis weit in den Frühsommer hinein – sogar weiter als im Vorjahr. Die Impfstoffe, die das Ende der Pandemie versprechen, kamen erst Anfang 2021 flächendeckend zum Einsatz. Sie blieben lange rar, während das Virus munter mutierte. Eine immer noch ansteckendere Variante folgte der vorhergehenden Mutation.

Wirtschaftlich im Aufschwung befinden sich vor allem die Industrienationen und China. Zahlreiche Schwellenländer hinken nicht nur wirtschaftlich, sondern auch bei der Bekämpfung der Pandemie sowie bei den Impfungen hinterher.

Die Analyse der Wirtschaftsdaten ist nach der einschneidenden, Covid-19-bedingten Rezession viel anspruchsvoller als gewöhnlich: Der Einschnitt war kurz und sehr tief. Die Auswertung der vergangenheitsbezogenen Daten benötigt rund ein halbes Jahr. Sicher ist: Es geht steil aufwärts. Unsicher ist, wie es weitergehen wird.

Die Geldmengen und die Staatsschulden sind nochmals sehr stark gestiegen. Gerade die Verschuldung von Griechenland und Italien ist überproportional gewachsen. So hat Griechenland mittlerweile mehr als doppelt so hohe Schulden als das Land in einem ganzen Jahr erwirtschaften kann. Vor der Pandemie hätten sämtliche Alarmglocken geläutet.

Die Notenbanken sind in der momentanen Ausgangslage nicht zu beneiden. Sie haben der Politik mit den Geldmengenausdehnungen stets Zeit für politische (am besten strukturelle) Massnahmen gekauft. Besonders die Südländer haben es nicht geschafft, die Zeitgewinne für sich zu nutzen. Im Gegenteil: Es sind immer grössere Probleme – wie das Virus – dazugekommen. Daher wird es entscheidend sein, wie sich die Notenbanken aus der selber geschaffenen Sackgasse befreien können, ohne dabei ihre Unabhängigkeit einzubüssen. Bereits ist in der Schweiz eine unheilige Allianz aus ganz rechts und ganz links entstanden, welche die kurzfristigen Buchgewinne der Nationalbank abschöpfen will.

Erkenntnisse aus Finanzmärkten

Den Finanzmärkten gefällt die aktuelle Situation: Die Hoffnung auf bessere Zeiten erfüllt sich, während immer mehr Geld aus der Erhöhung der Geldmengen für Investitionen zur Verfügung steht. In der Folge sind die Sachwerte sehr hoch bewertet. In einzelnen Sektoren sind die Blasen nicht mehr zu übersehen, welche die Märkte mittelfristig beschäftigen werden. Die konjunkturzyklischen Aktien sind teilweise unglaublich teuer geworden. Wenn die künftigen Gewinne die Bewertung rechtfertigen werden, gibt es am Bewertungsvorsprung nichts auszusetzen. Falls die Gewinne jedoch nicht die hohen Erwartungen der Marktteilnehmer erfüllen, werden die Aktien schnell abgestraft. Der Schweizer Marktindex (SMI) ist mit seiner eher antizyklischen Zusammensetzung im Vergleich zu den ausländischen Indexen im Rückstand. Bei den Immobilien werden vermehrt Traumpreise verlangt. Ob diese Preise wirklich bezahlt werden, ist nicht nachzuvollziehen.

Konsequenzen für Anlagetätigkeit

Die Märkte zeigten sich im Frühjahr 2021 derart euphorisch, dass wir uns selber im vermeintlich neuen Licht orientieren mussten. Sachwerte sind und bleiben der beste Schutz gegen eine Inflation. Die Kursschwankungen werden im bisherigen Rahmen in Kauf genommen, da Nominalwerte (wie Bargeld oder Anleihen) aus unserer Sicht die grössere Gefahr darstellen. Wir freuen uns über Chancen und «Rosinen», welche aber sehr rar geworden sind. Im Zweifelsfall wählen wir die Sicherheit vor der Rendite. Die Kryptowährungen überlassen wir den Spekulanten.

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Autor/in
Lukas Enzler

Lukas Enzler (*1977) ist Vermögensverwalter bei der Enzler AG Vermögensberatung. Enzler arbeitet, wohnt und engagiert sich gemeinnützig in Appenzell.

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