Er kennt viele Orte in der ganzen Welt, nun wurde er in St.Gallen heimisch – und erlebt gleich sein nächstes Highlight: auf der Bühne des OpenAirs St.Gallen zu stehen. Weshalb Max Berend dies mit einem Irish Pub vergleicht.
Du bist dafür bekannt, Lebensgeschichten und Erlebnisse in deinen Songs zu verarbeiten. Welches war für dich das Unverblümteste, welches du so verarbeitet hast?
Da muss ich kurz überlegen. – Ich denke, das sind die Erinnerungen mit meiner Grossmutter. Weil sie in Holland lebte, hatte ich leider keine Gelegenheit, mich von ihr zu verabschieden. In meinem Song «Dunes - Martha’s Song» erinnere ich mich an die schöne Zeit mit ihr, lasse die Erlebnisse wieder aufkommen. Davon gibt es nicht nur eines, sondern ganz viele schöne Momente – wie wir beispielsweise zusammen im Garten sitzen. Ja, ich denke, das ist das Ehrlichste und Unverblümteste, was ich in meinen Songs verarbeitet habe.
Deine Kindheit ist in deinen Songs ein Thema, deine Musik tönt manchmal melancholisch. Würdest du sagen, dass deine Kindheit schwierig war?
Nein, ich bin sehr behütet aufgewachsen. Natürlich gab es gewisse Herausforderungen, als holländisches Kind, zweisprachig, in Davos aufzuwachsen. Ich hatte in meiner Kindheit oftmals gemerkt, dass Ausgrenzungen sehr schnell passieren – aufgrund eines Hintergrunds, verschiedener Bildungswege oder des Systems wegen. Manchmal fühlte ich mich machtlos, konnte das Gefühl aber nicht so zuweisen. Ich war kein Kind, das laut geworden ist – aber etwas in mir drin wollte etwas erzählen. Dadurch habe ich mich mit mir selber beschäftigt, weiss, welche Haltungen ich eingenommen habe. Aber wie ein Sprichwort so schön sagt: Man lebt das Leben vorwärts, kann es aber nur rückwärts verstehen.
Hast du diese Ausgrenzungen gegenüber anderen Kindern gefühlt oder eher im Schulsystem?
Eher bei Letzterem. Es gab gewisse Menschen in Positionen, die schnell Kulturen gefördert und Gruppierungen aufeinander gehetzt haben. Damals hatte ich das zwar gespürt, aber nie verstanden.
Fühlst du noch heute solche Ausgrenzungen? Oder bist du als Erwachsener nun angekommen?
Meine neue Platte, die im März herausgekommen ist, beschäftigt sich viel mit Zugehörigkeit. Ich habe acht Jahre in Bern gewohnt, bin vor zwei Jahren der Liebe wegen nach St.Gallen gezogen. Wir sind hier sehr glücklich, ich fühle mich wohl. Aber man muss sich immer wieder in das soziale Konstrukt einfügen, wenn man neu ist. Ich denke, es ist ein Prozess, der immer wieder neu anfängt.
Du warst mutig und hast deinen Job gekündigt, um Musik zu machen. Würdest du dich auch als mutig beschreiben?
Die Entscheidung tönt so, als wäre sie Hals über Kopf passiert. Tatsächlich steckt viel mehr dahinter. Man muss lange überlegen, was man nebenbei noch macht. Musik zu machen, da steckt viel mehr dahinter: Marketing, Promotion, Konzerte. Ob das mutig war? Ich weiss es nicht. Ich denke eher, dass ich konsequent war und mein Ziel nicht aus den Augen verloren habe. Für unsere Entscheidungen müssen wir Verantwortung übernehmen. Da geht es wieder um Zugehörigkeit, wenn wir Entscheidungen treffen. Ansonsten würden wir stecken bleiben, in etwas, was uns vielleicht nicht ganz ausfüllt.
Bist du froh, die Entscheidung getroffen zu haben?
Auf jeden Fall. Es ist überwältigend, jetzt Musik machen zu dürfen – es ist das, was ich mir so gewünscht habe. Natürlich gibt es immer wieder Höhen und Tiefen. Gerade in der Musik sind sie vielleicht noch ein bisschen dunkler oder heller, je nachdem. Du gibst in der Musik sehr viel Persönliches von dir preis, und trotzdem bist du auf eine Art und Weise ein Produkt. Was mal weniger, mal mehr gefragt ist. Damit muss man umgehen können.
Nun wartet ein grosser Auftritt am OpenAir. Ist das ein Highlight für dich?
Jeder Auftritt ist eines. Gerade Corona hat gezeigt, wie schnell alles vorbei sein kann. Es gibt so viele gute Künstler – dass ich am OpenAir St.Gallen auftreten darf, freut mich total. Aber auch andere Auftritte empfinde ich als Privileg: Beispielsweise, wenn wir in Teufen mit dem Orchester unterwegs sind. Die unterschiedlichen Formationen sind immer wieder überraschend, anders.
Was dürfen die Fans von dir erwarten?
Wir haben eine coole Setliste parat. Einerseits sicherlich ein bisschen melancholisch, andererseits möchte ich es gerne mit einem Irish Pub vergleichen: es darf mitgetanzt und -gesungen werden, die Stimmung soll friedlich, lustig und heiter sein.
Ein Auftritt am OpenAir St.Gallen - du bist also endgültig in St.Gallen angekommen? Oder könntest du dir auch vorstellen, irgendwo anders zu leben?
Solange ich mit meiner Partnerin und unserem Hund zusammen bin, kann ich überall leben. Ich bin da sehr flexibel.
(Foto: Maximilian Lederer)
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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