Das St.Galler Textilmuseum soll künftig 150'000 Franken mehr von der Stadt erhalten als bisher. Der FDP-Stadtparlamentarier Remo Daguati wehrt sich dagegen. Er sieht diese Förderung als künstliche Bewahrung eines Wirtschaftszweigs, der längst keine Rolle mehr spiele.
Das St.Galler Textilmuseum soll ausgebaut werden - dank mehr Mitteln. Der Kanton hat eine Erhöhung seiner Unterstützung für das Museum bereits beschlossen. Bei der Stadt St.Gallen steht diese Entscheidung noch aus. Nächste Woche wird klar, ob künftig 430'000 Franken statt wie bisher 280'000 Franken an die Institution fliessen sollen.
In der einstigen Textilhochburg St.Gallen sind mit dieser Frage viele Emotionen verknüpft. Eher sachlich sieht der FDP-Stadtparlamentarier Remo Daguati das Ganze. «Wie die obligate Bratwurst gehört zu jeder politischen Ansprache ein Bonmot, wie hoch das textile Erbe von St.Gallen bis heute zu gewichten sei, sogar beim modernisierten Hauptbahnhof empfängt das textile Phallussymbol die auswärtigen Gäste», stellt er fest. Dennoch sei er gegen die «massive Aufstockung der Staatsbeiträge fürs Textilmuseum. Daguati: «Deren Rückweisung wäre wichtig für die Neupositionierung von St.Gallen.»
Die Ostschweizer Textilwirtschaft habe ach 100 Jahren des Niedergangs in den vergangenen Jahren noch mehr an Terrain verloren, sagt der FDP-Politiker und Standortexperte. Zwar gebe es einzelne Firmen mit weltweiter Ausstrahlung, aber: «Das einstige Zugpferd der Ostschweiz macht bei sachlicher Betrachtung weniger als 1 Prozent der Betriebe von Kanton wie auch Stadt aus.»
Auf Stadtgebiet sorge die Textilwirtschaft gerade noch für 0,7 Prozent der Beschäftigung. «Angekündigte Massenentlassungen sind darin noch nicht einmal berücksichtigt», so Daguati. Auch die Exporte seien seit 2008 weiter zurückgegangen. Eine Weiterbildung «Textildesign» wurde wegen zu geringen Anmeldungen nicht durchgeführt. Das Fazit des St.Gallers: «Eine Erfolgsstory tönt anders.»
Remo Daguati macht auch gleich einen Vorschlag für eine Alternative: Die St.Galler Textilwirtschaft verdiene sich «eigentlich einen Ruheort im Völkerkundemuseum.» Stattdessen solle das Erbe im Textilmuseum dank üppiger Aufstockung der städtischen und kantonalen Staatsbeiträge «zur nationalen Bedeutung befördert werden.»
Ein Problem sieht Daguati auch darin, dass andere - wichtigere Museen - darunter leiden. «Museumshäuser vor Ort, die deutlich mehr Besucher anziehen, werden kaum Freude haben, wenn am Trog der Fördermittel bald ein halbtotes Pferd mitsäuft.» Gemäss den Plänen sollen vermehrt Schulklassen ins Textilmuseum geführt. Daguati spricht von einer «textilen Hirnwäsche». Besser könne das kollektive Gedächtnis nicht auf kommende Generationen übertragen werden.
Während der Bedeutungsverlust des Textilsektors als Alleinstellungsmerkmal zelebriert werde, meiden die St.Galler laut dem Stadtparlamentarier den Strukturwandel «wie der Teufel das Weihwasser» - was nachweislich nicht gut tue. Der Inhaber einer Beratungsfirma für Standortfragen weist darauf hin, dass St.Gallen als einzige Schweizer Stadt bei der Bevölkerung stagniere, als einzige Schweizer Stadt Jobs bei unternehmensnahen Dienstleistungen verliere - und damit Steuerkraft und Wertschöpfung.
«Ein Nein zur geplanten Beitragsaufstockung ans Textilmuseum hätte Symbolkraft», so Remo Daguati. St.Gallen könne so seinen textilen Zopf abschneiden und auch ein Startsignal für den Neubeginn aussenden. Und: «Auch die städtischen Finanzen könnten etwas geschont werden.» Gleichwohl seien die Chancen für die Neupositionierung des Standorts St.Gallen so gut wie nie: IT-Bildungsoffensive, Medical Master, Entwicklungsgebiet St.Fiden, neue OLMA-Halle für Events- und Kongresse oder ein neuer HSG-Campus. Daguatis Bilanz: «Die Kräfte müssen auch in der Stadt St.Gallen aufs Wesentliche gebündelt werden.»
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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