Die Regierung weist die Lehrpersonen im Kanton an, sich bis Ende April auf Fernunterricht, für die Zeit danach aber teilweise wieder auf Präsenzunterricht einzustellen. Voraussetzung sei die Lockerung des Ausnahmezustandes durch den Bundesrat.
Die St.Galler Schulen betreiben seit zwei Wochen erfolgreich Fernunterricht, auf den höheren Stufen konsequent digital. «Die Lehrpersonen bewältigen die ausserordentliche Lage hervorragend», bilanziert die Regierung in einer Mitteilung. Dennoch werde erkennbar, dass die «richtige» Schule auf Präsenzunterricht angewiesen bleibt - «auch um ihre Integrationsaufgabe zu erfüllen.»
Der Entscheid des Bundesrates, alle Schulen zu schliessen, sei beispiellos. Er habe die Schulen des Kantons St.Gallen herausgefordert, nicht aber ins Chaos gestürzt. Die Regierung spricht ein Lob aus: «Umsichtig, zupackend und kreativ haben die Lehrpersonen über ein Wochenende von Führung im Schulzimmer auf Führung auf Distanz umgestellt. Die Schülerinnen und Schüler folgen ihren Anweisungen ohne Aufhebens und die Eltern ziehen loyal mit.» Auch den Eltern wird für die Unterstützung gedacht.
«Präsenzunterricht bleibt unersetzbar»
Lernen und Lehren auf Distanz ist für die Regierung dennoch eine temporäre Alternative. Sie biete neue Möglichkeiten, habe aber auch Grenzen. Es setze bei den Lernenden und den Lehrpersonen ein Potenzial frei, das in der «klassischen» Schule noch nicht so stark erschlossen war, beispielsweise für die unbefangene Nutzung der digitalen Hilfsmittel und für das selbständige Arbeiten. Dieses Potenzial solle im Schulleben verstärkt zur Entfaltung kommen, wenn die Normalität zurück ist.
Die «Corona-Schule» sei aber nicht ideal, so die Regierung: «Der physische Kontakt in der Klasse bleibt unersetzlich und muss so bald als möglich wieder zum Fundament der Schule werden. Das zeigen die Erkenntnisse der ersten Tage.» Dies gelte besonders für die Volksschule, wo der Fernunterricht die Familien, in denen sich die Eltern oft im Homeoffice befinden, belastet. Anlass zu Sorge gebe hier insbesondere die Situation jener Kinder und Jugendlichen, denen es im Elternhaus an der nötigen Unterstützung für die Erfüllung der Schulpflicht mangelt: Schülerinnen und Schüler aus bildungsferneren Kreisen, namentlich auch bei Migrationshintergrund.
Hier stösst der mittelbare Unterricht aus Sicht der Regierung rasch an Grenzen. Ebenfalls herausfordernd sei es, Schulkinder mit besonderem Bildungsbedarf aus der Distanz wirksam zu fördern. Es werde für die Lehrpersonen einen zweiten Kraftakt bedeuten, nach der Öffnung der Klassenzimmer der sozialen und didaktischen Schere entgegenzuwirken.
Bereitmachen, um baldmöglichst wieder normal zu unterrichten
Wie lange die ausserordentliche Lage noch andauert, ist derzeit noch offen. Die St.Galler Schulen sind von der Regierung angewiesen worden, den Fernunterricht nach den Frühlingsferien bis Ende April zu planen. Für die ersten drei Wochen der Schulschliessung wurde den Volksschulen seitens des Kantons empfohlen, sich auf die Vertiefung von Stoff zu konzentrieren, der zuvor schon vermittelt wurde. Manche Schulen haben inzwischen im Fernunterricht auch schon das Erarbeiten neuer Lerninhalte erprobt. Nach den Frühlingsferien soll im Fernunterricht überall konsequenter auf das Vermitteln neuer Lerninhalte gesetzt werden. An den Mittelschulen und den Berufsfachschulen ist der Fernunterricht von Anfang an intensiv genutzt worden. An den Hochschulen ist er weitgehend organisch verankert.
Die Regierung lege allerdings Wert darauf, dass sich die Schulen im Fernunterricht nicht einschränken. Auch wenn die Entwicklung der Pandemie nicht vorhergesagt werden kann, sollen die Schulen jetzt schon an die Zeit nach der Krise denken und entsprechend planen. Ziel soll es sein, ab Mai teilweise etwa für die Benachteiligten in Kleingruppen und spätestens ab Juni vollständig im Normalbetrieb für Präsenzunterricht gerüstet zu sein. Nicht zu vergessen sei, dass die Schule eine starke gesellschaftliche Integrationskraft hat. Mit Fernunterricht ist dies weniger gut möglich. «Der Kanton St.Gallen setzt sich deshalb national dafür ein, dass die Schulschliessung nicht unverhältnismässig lange dauert», heisst es weiter.
«Corona»-Schuljahr ungeschmälert anrechnen
Die Regierung vertritt klar die Haltung, dass das Schuljahr 2019/20 für das schulische Fortkommen des betroffenen Jahrgangs aller Stufen ungeschmälert angerechnet werden muss. Die Zeugnisse werden ausgestellt und mit einem Vermerk auf den wegen der Pandemie zeitweise ausgesetzten Präsenzunterricht versehen. Für den Umgang mit für das Fortkommen relevanten Prüfungen erarbeitet das Bildungsdepartement in Zusammenarbeit mit den Schulen Sonderlösungen.
Lernende der Berufsbildung arbeiten in der Zeit der geschlossenen Schulen grundsätzlich die ganze Arbeitswoche in den Betrieben. Es sei sinnvoll, dass sie ihre Chefinnen und Chefs nach Kräften unterstützen können. Allerdings müssen sie an den Schultagen vom Arbeitsplatz aus für Fernunterricht zur Verfügung stehen. Die Betriebe sind gebeten, dies konsequent zuzulassen. Sollte die Infrastruktur im Lehrbetrieb dafür nicht geeignet sein, kann den Lernenden an den Schultagen erlaubt werden, dem Fernunterricht von zu Hause aus zu folgen.
Auf der ganzen Sekundarstufe II müsse «alles getan werden, dass die obersten Jahrgänge die Ausbildung mit anerkannten Diplomen abschliessen können.» Klassenrepetitionen oder gar das «Löschen» eines ganzen Schuljahrs wären unhaltbar und ungerecht. Die Modalitäten für die Abschlüsse werden zurzeit in Abstimmung in der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) und im Austausch mit dem Bund national koordiniert. Die Entscheide sind noch nicht gefallen. Bei den Berufslehren müssen die Weichen rasch gestellt werden - es läuft hier voraussichtlich auf anerkannte prüfungsfreie Abschlüsse hinaus. Für die Mittelschulen bleibt noch etwas mehr Zeit. Hier ist der Entscheid, ob die Prüfungen stattfinden oder nicht, von der weiteren Entwicklung der Gesundheitslage abhängig.
Erfahrungen für IT-Bildungsoffensive nutzen
Fernunterricht basiert stark auf digitalen Mitteln. Je höher die Schulstufe ist, desto konsequenter ist er digitalisiert. Die aktuelle Krise sieht die Regierung als «ein ungeplantes Experimentierfeld für einen Teil der Themen, die mit der IT-Bildungsoffensive angegangen werden.» Dort werden zurzeit die neuen Studiengänge und Weiterbildungen vorbereitet, die ab dem Jahr 2021 wirksam werden. Die Projektleitungen in der IT-Bildungsoffensive werden aus dem «Corona-Ruck» Synergien gewinnen und nutzen.
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