Was die Kredite von 800 Millionen Franken für die St.Galler Spitäler bewirken würden, ahnte 2014 hier kaum jemand. Ausserhalb des Kantons sprach die Gesundheitsdirektorin aber offen darüber. Sie erwähnte Nachteile für die Spitäler, die sich ergeben werden. Warum schwieg sie vor der eigenen Haustür?
Die grosszügigen Kredite von 800 Millionen Franken für fünf St.Galler Spitäler, die 2014 gesprochen wurden, haben Nachwehen. Und zwar solche, welche die meisten Stimmbürger wohl nicht vorhersahen. Wir haben darüber berichtet. Der Hauptvorwurf dabei: Die Regierung ging defensiv um mit der Information darüber, dass die Kredite die Spitäler finanziell stärker belasten, als diese das jemals tragen könnten.
Ironischerweise fiel es dem Gesundheitsdepartement unter Regierungsrätin Heidi Hanselmann damals allerdings nicht schwer, bei Kritik von ausserhalb des eigenen Kantons offen mit dieser Tatsache umzugehen. Was dem Stimmbürger nicht aktiv kommuniziert wurde, tauchte kurz darauf in verschiedenen Medienberichten plötzlich auf. Ganz ehrlich wurde zugegeben, dass die Spitäler Nachteile befürchten aufgrund der Kredite. Etwas, das St.Gallerinnen und St.Galler vor der Abstimmung nie hörten.
Der Hintergrund: Andere Kantone kritisierten St.Gallen nach dem 30. November 2014 für den 800-Millionen-Kredit für die Spitalerneuerungen. Sie witterten eine Wettbewerbsverzerrung. Christoffel Brändli war seinerzeit Präsident von Santésuisse, der Branchenorganisation der Krankenversicherer. Er warf dem Kanton St.Gallen vor, seine Spitäler zu subventionieren, was «nicht im Sinn des Gesetzgebers» sei, wie er Ende 2014 der «Nordwestschweiz» zu Protokoll gab.
In der Aargauer Zeitung bezeichnete der CVP-Nationalrat Alois Gmür Ende 2014 die 800 Millionen als «sehr problematisch». Gmür stammt aus dem Kanton Schwyz, einem Nachbarkanton von St.Gallen. In Schwyz setzte man darauf, dass die Spitäler ihre Investitionen selbst finanzierten, aus eigener Kraft über die Fallpauschalen. Und diese Spitäler seien jetzt benachteiligt gegenüber den Spitälern in der St.Galler Nachbarschaft, die mit Kantonskrediten erneuert würden.
Im Januar 2015, zwei Monate nach der Abstimmung über die Kredite, thematisierte auch die NZZ die Spitalinvestitionspolitik der Kantone. Und kam sekundiert von externen Experten zum Schluss, es sei problematisch, wenn ein Kanton in seine Spitäler investiert. Auch hier diente der Kanton Schwyz als Beispiel: Das Spital Lachen SZ an der Grenze zu St.Gallen beispielsweise musste seine Erneuerung selbst berappen, was eine Wettbewerbsverzerrung darstelle.
Wie reagierte die St.Galler Regierung damals auf diese Kritik? Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann entgegnete in allen genannten Medienberichten, es handle sich nicht um Subventionen, da das Geld über die Miete zurückgezahlt werden müsse. Und sie liess sich die Aussage entlocken, die öffentlichen Spitäler befürchteten sogar Nachteile daraus, weshalb nun über eine Übertragung der Immobilien diskutiert werde. Eine solche Übertragung gab es später auch, aber inzwischen sagt Hanselmann, diese sei sogar ein Teil des Problems. Das soll noch einer verstehen.
Das heisst: Wenige Wochen nach der Kreditabstimmung gab Hanselmann auf die Kritik aus anderen Kantonen hin zu, dass die St.Galler Spitäler die Situation nicht besonders lustig fanden. Die St.Galler hingegen hörten vor der Abstimmung nie etwas davon, dass die Spitäler mit den geplanten Erneuerungskrediten nicht glücklich seien. Im Gegenteil: Es wurde stets suggeriert, die Kredite seien im besten Interesse der Spitäler.
Wäre im umstrittenen Abstimmungsbüchlein festgehalten gewesen, dass die Spitäler, die angeblich so reich beschenkt wurden, Nachteile befürchten, wäre eine gewisse Transparenz hergestellt gewesen. Diese Transparenz gab es aber erst, als die Abstimmung gewonnen war - und auch dann nur in Medienberichten in anderen Regionen der Schweiz.
Es ist ein weiteres tragisches Kapitel in dieser Geschichte: Was heute mit roten Köpfen diskutiert wird, nämlich dass die Erneuerungskredite die Spitäler belasten, war vor der Abstimmung 2014 kein Thema in St.Gallen. Verwendet wurde diese Information von der Gesundheitsdirektorin nur, um sich gegenüber anderen Kantonen zu verteidigen, die nicht auf die Idee kamen, ihre Spitäler auf diese Weise aufzurüsten. Der Kanton St.Gallen hat vor fünf Jahren also ein langsames Fallbeil über seinen eigenen Spitälern ausgelöst - und damit gleichzeitig den Rest der Schweiz erzürnt.
Und in diesem Zusammenhang die schüchterne Frage: Gibt es vielleicht einen guten Grund dafür, dass der Rest der Schweiz in der Spitalpolitik nicht so vorging wie der Kanton St.Gallen - und heute nicht vor denselben Problemen steht?
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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