Die Lage ist ernst: Eine Mangellage an Strom und Gas, doch insbesondere an realitätsbezogener Energie- und Wirtschaftspolitik. Datenblindflug beim Bund, dafür billige Tipps in teurer Werbung. Und wenn’s trotz Kaltduschen eng wird?
Dann folgt: Heimliche Aktivierung des Bundesgesetzes für wirtschaftliche Landesversorgung (LVG, per 23.9.22) mit Sonderrecht und zusätzlichen Strafbestimmungen.
Eines muss man der Schweiz lassen, wir können Krise. Die eine (Pandemie, BAG) kaum überstanden, schon folgt die nächste, diesmal gleich selbstgemacht (BFE): Stromabkommen ja, doch dann Resetknopf. Energiestrategie ja, doch bloss als staatlicher Kompromiss auf Halbgas. ETH, Unis, Fachhochschulen und Wirtschaft? Der Bund kann es besser mit Kerzen, Brennholz und Doppelduschen, dafür im Sonderrecht. Das zeigt vor allem eines: Ein akuter Mangel an Kompetenz, Verantwortung und Führung. Leider nicht überraschend, doch schwerwiegend. Vor einer europaweiten Rezession drohen die grössten wirtschaftlichen Schäden, wenn der Strom ausfällt. Der Bund wäre also in seinen Kernaufgaben gefordert, doch er stolpert im Dunkeln.
Swissgrid kennt Verfügbarkeit und wann wieviel Strom Haushalte, Fabriken und andere Grossverbraucher benötigen. Alles unter Kontrolle? Bis auf den Umstand, dass national vitale Daten von den Energiefirmen bis zum BFE Monate brauchen, weil sie nicht automatisiert übermittelt werden können. Sie kommen dann an, wenn Lichter, Heizungen und Maschinen längst wieder laufen. Vom Corona- und Faxdebakel nichts gelernt, im Gegenteil: Schuld am desolaten Umstand ist niemand. Das BFE verweist auf das Bundesstatistikgesetz und der Bund aktiviert das LVG. Bürokratie und Anmassung statt Versorgungssicherheit. Lavieren am runden Tisch und erneut ein Milliarden-Rettungsschirm, diesmal für dealende Stromjunkies. Dass Axpo im Besitz auch Ostschweizer Kantone ist, macht’s nicht besser.
Aussergewöhnliche Situationen erfordern aussergewöhnliche Massnahmen, einverstanden. Vor allem aber Verantwortung und Weitsicht. Lassen wir auch diese Krise nicht ungenutzt verstreichen. Was es braucht, ist Respekt vor Herausforderungen und Vertrauen in den Markt. Kurzfristig Campinggas und Generatoren, langfristig nachhaltige Geschäftsmodelle und allseits mehr Unternehmergeist.
Thomas Tanner ist Mit-Initiant der Wertschaffer AG. Die Partnerinnen und Partner der Wertschaffer AG sind alles selbstständige Unternehmerinnen und Unternehmer. Dank ihrer Erfahrung decken sie im Verbund alle strategischen und operativen Fragestellungen von KMU ab. Dabei verbinden sie KMU-Methodik mit hohem Praxisbezug und unternehmerischer Erfahrung.
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