36‘000 Arbeitsstunden münden in 45 Präsentation vor Geschäftsleitungen: Auf diese Zahlen kommt das Praxisprojekt-Programm der Wissenstransferstelle der Fachhochschule St.Gallen. Eines dieser Projekte wurde vom Historischen und Völkerkundemuseum St.Gallen bestellt. Das Ergebnis überraschte.
Rund 450 Wirtschaftsstudierende der FHS St.Gallen präsentieren aktuell ihre Praxisprojekte bei ihren Auftraggebern. In diese Praxisprojekte haben sie in den letzten Monaten in Vierer- bis Sechserteams rund 800 Stunden investiert. Kumuliert über alle Teams ergibt das einen Effort von 36‘000 Stunden «Hirnschmalz» in Form von Marktforschungen und Managementkonzeptionen – vornehmlich für Unternehmen und Organisationen in der Ostschweiz. Darunter gibt es allerdings auch einige internationale Projekte in China, den USA oder europäischen Ländern.
Grosser Auftritt vor den Chefs
Das Team rund um die studentische Projektleiterin Corina Kühne aus Flawil analysierte die Besucherentwicklung im Historischen und Völkerkundemuseum (HVM) in St.Gallen. Dessen Direktor, Dr. Daniel Studer, erwartete von ihnen auch Massnahmenvorschläge und lud den Stiftungsrat, die Geschäftsleitung und weitere Mitarbeitende zur Präsentation. Grund zur Nervosität? «Wir bereiteten uns akribisch auf die Präsentation vor», erzählt Corina Kühne. Nebst der prägnanten grafischen Aufbereitung der Studienergebnisse hätten sie auch noch einen Video gedreht. «Natürlich haben wir die Präsentation mehrmals eingeübt und durften voraus den Raum und seine Technik rekognoszieren.»
Am Dienstagmorgen, 18. Juni, um punkt zehn Uhr ist es soweit: Ein beeindruckend klassizistischer Raum im HVM füllt sich mit rund zwanzig erwartungsvollen Gästen. Daniel Studer stellt das Studierenden-Team vor und präsentiert die Besucherzahlen der letzten Jahre: «Während wir meist über 30‘000 Besuchende pro Jahr verzeichnen konnten, brach diese Zahl im Jahr 2017 auf etwa 22‘000 ein.» Im laufenden Jahr sei man zwar wieder unterwegs wie zu Spitzenzeiten – trotzdem hätte diese Delle vor zwei Jahren einen Anlass geliefert, den Markt genauer zu untersuchen, so der Museumsdirektor.
Neue Erkenntnisse, frische Ideen
Was fanden die Studierenden heraus? Nebst Corina Kühne präsentierten Paul Keel, Raphael Kleger, Tiziano Pedemonte, Felix Rüdlinger und Sidney Tomasella ihre Ergebnisse. Sie beginnen mit einem Vergleich von Aufwand und Ertrag pro Besuchenden ähnlicher Museen in Bern, Basel und im Thurgau. «Dass wir mit grossen Playern absolut mithalten können, ist eine interessante Erkenntnis für uns», kommentiert dazu Daniel Studer nach der Präsentation. Doch nicht nur diese «nackten Zahlen» scheinen ihm zu gefallen: «Die Studierenden waren schon während des ganzen Projekts stets gut vorbereit und zuvorkommend.» Ebenso sei die heutige Präsentation didaktisch professionell, ruhig und sachlich verlaufen, lobt Studer.
Die Studierenden zeigten dem HVM auf, wo noch Potential besteht, um mehr Besuchende anzuziehen. Dafür befragten sie rund 350 Besuchende und knapp 120 Passanten in der St.Galler Innenstadt. «Das HVM ist weniger bekannt als andere Museen», resümiert Corina Kühne. Bei der Umfrage hätte sich aber gleichzeitig gezeigt: Wer das Museum bereits kenne, sei sehr zufrieden mit seinem Angebot. Die Studierenden unterbreiteten dem HVM Vorschläge zur Positionierung und Ideen fürs Marketing und die Kommunikation, um weitere Besuchergruppen zu erreichen. Zudem rieten sie zur Kooperation mit weiteren Organisationen.
Grundlage zur Strategieentwicklung
Überzeugt von ihrem Team zeigte sich Prof. Dr. Susanne Zajitschek von der FHS St.Gallen – sie coachte das Team. «Es hat der Museumsleitung ein differenziertes Bild geliefert und aufgezeigt, was Besuchende schätzen oder weshalb sie fern bleiben. Das haben sie mit viel Engagement und hoher Professionalität erarbeitet.» Der Präsentation vergibt die FHS-Professorin das Prädikat «souverän». Für Daniel Studer ist das Praxisprojekt nun eine Grundlage, um gemeinsam mit dem Stiftungsrat im Jahr 2022 eine neue Strategie und ein Leitbild zu lancieren. Doch vorerst lädt der Museumsdirektor die Studierenden zu eine Apéro ein – der gebührende Abschluss eines intensiven Praxisprojekts mit geglückter Präsentation zeichnet den sechs Studierenden entsprechende Erleichterung ins Gesicht.
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Pascal Tschamper (*1974) ist selbständiger Kommunikationsberater in St.Gallen (Tschamper Kommunikation). Zuvor arbeitete als Kommunikationschef im Bildungsbereich und in diversen Marketing-, PR- und Event-Agenturen in Zürich und St.Gallen.
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