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INTERVIEW

Susanne Vincenz ist neue Präsidentin des Theaters St.Gallen: «Wir werden klare Kante für die Kultur zeigen und enges Verhältnis zum Publikum pflegen»

Gestern Montag haben Genossenschafterinnen und Genossenschafter Susanne Vincenz-Stauffacher zur neuen Verwaltungsratspräsidentin von Konzert und Theater St.Gallen gewählt. Die FDP-Nationalrätin und Anwältin über das Feuer für ihre neue Aufgabe - und wie es entfacht wurde.

Odilia Hiller am 28. November 2023
Theater St.Gallen Theater St.Gallen

Seit Montagabend ist der Verwaltungsrat von Konzert und Theater St.Gallen wieder komplett. Die Genossenschafterinnen und Genossenschafter haben die vom Verwaltungsrat zur Wahl vorgeschlagene FDP-Nationalrätin und Anwältin Susanne Vincenz-Stauffacher ohne Gegenstimme mit 88 Stimmen bei zwei Enthaltungen zur neuen Verwaltungsratspräsidentin gewählt. Die Generalversammlung verlief ruhig und konfliktfrei.

Susanne Vincenz musste sich zwar ein, zwei kritischen Fragen zu ihrem Zeitmanagement («Haben Sie überhaupt Zeit dafür?») und der fehlenden Erfahrung im Kulturbetrieb stellen, konterte diese aber umgehend. «Ja», lautete die Antwort auf die erste Frage. Sie habe sich diese Frage sehr eingehend gestellt, und sie werde für das Mandat zwei andere Ämter niederlegen.

Zum kulturellen Hintergrund und der Tatsache, dass sie nicht aus einem Kulturberuf kommt, nimmt sie auch in unserem Interview Stellung (siehe unten).

Laura Buchers Interimsführung

Seit dem Rücktritt von Verwaltungsratspräsident Urs Rüegsegger vor einem Jahr wegen fehlender Unterstützung seiner Strategie führte Regierungsrätin und Kulturministerin Laura Bucher die Geschäfte interimistisch. Sie hat auch den Findungsprozess für das neue Präsidium geleitet - «äusserst umsichtig, professionell und unter Einbezug aller Interessensgruppen», wie Theaterdirektor Jan Henric Bogen gegenüber der «Ostschweiz» festhält.

Er freut sich auf die Zusammenarbeit mit Vincenz. Sie habe von Anfang ein offenes Ohr für alle Anliegen gezeigt und sei auf alle zugegangen. «Als neues Team mit neuen Ideen können wir nun gemeinsam zeigen, dass wir uns für alle interessieren, die uns kennen.»

Viele erwähnen an dem Abend die neue Dynamik, die spürbar sei. Manche reden sogar von Aufbruchstimmung. Die frischgewählte Verwaltungsratspräsidentin äussert sich am Morgen nach der Wahl so:

Susanne Vincenz-Stauffacher, herzliche Gratulation zur Wahl als Verwaltungsratspräsidentin von Konzert und Theater St.Gallen. Wie war der Wahlabend gestern Montag für Sie?

Es ist spät geworden, und geschlafen habe ich nicht gerade viel. Die Freude ist riesig.

Wie gross ist Ihre Erleichterung, dass die Wahl so glatt über die Bühne gegangen ist?

Ich bin sehr froh darüber. Es war eine spezielle Situation für mich und nicht ganz einfach abzuschätzen, was passieren würde. Nach dem informellen Austausch mit den Mitarbeitenden des Theaters oder auch dem Freundeskreis des Sinfonieorchesters fühlte ich mich getragen. Ich wusste aber nicht, wie die rund 100 Genossenschafterinnen und Genossenschafter mir entgegentreten würden. Da musste ich mich überraschen lassen.

Sie haben gestern erwähnt, dass es ein langer Weg bis zum gestrigen Tag war.

Tatsächlich ist der Wahl ein mehrmonatiger Prozess mit unzähligen Gesprächen mit Nominationsausschuss, Verwaltungsratsausschuss, Gesamtverwaltungsrat, aber auch der Theaterleitung und den Mitarbeitenden vorausgegangen. Den 27. November hatte ich schon früh in der Agenda blockiert, aber ich wusste lange nicht, ob ich dort dann auch auftauchen darf. Das ist mit einer gewissen Anspannung verbunden. Umso grösser sind nun Freude und Erleichterung.

Waren Sie von Anfang an Feuer und Flamme für die Idee, VR-Präsidentin des Theaters zu werden?

Das Feuer wurde in den Gesprächen entfacht. Ich habe gemerkt, mit wie viel Elan die neue Geschäftsleitung ihre Aufgaben angeht, und wie spannend es sein könnte, mitzuhelfen, ein Vierspartenhaus in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Den Entscheid habe ich mir aber nicht leicht gemacht. Je länger der Prozess dauerte, desto mehr Feuer habe ich gefangen.

Was möchten Sie in Ihrer Rolle zum Gedeihen von Konzert und Theater beitragen?

Konzert und Theater St.Gallen ist ein Leuchtturmbetrieb, und er soll regional, national und international strahlen. Dafür müssen wir am Ball bleiben. Die Finanzen werden uns weiterhin beschäftigen. Auch gegenüber der Politik wird wieder zu erklären sein, dass es diese Institution braucht, und dass sie mehr ist als ein «Nice To Have». Da werden wir klare Kante zeigen. Meine Aufgabe als VR-Präsidentin ist, gute Rahmenbedingungen zu schaffen, damit alle Beteiligten ihre Arbeit gut ausführen können.

Wie kontern Sie Kritik, Sie verfügten über keinen kulturellen Hintergrund?

Es stimmt. Dass ich aber unbelastet, dafür mit umso grösserer Neugier in den Betrieb eintreten kann, kann in mancher Hinsicht von Vorteil sein. Als Kantonsrätin hatte ich mich allerdings auf vielen Podien für die Theatersanierung eingesetzt. Und mein Rucksack als Anwältin und meine Erfahrung aus verschiedenen strategischen Gremien wird dem Theater auf vielen Ebenen nützen. Davon bin ich überzeugt. Für das Inhaltliche ist das Team um Direktor Jan-Henric Bogen zuständig. Die Aufgabenteilung ist also sehr klar.

Was steht nun an für Sie?

Für mich ist klar, dass ich am Anfang mehr Zeit in die Aufgabe investieren werde, als es vielleicht später sein wird. Ich möchte als erstes den Betrieb genau kennenlernen. Mit rund 250 Mitarbeitenden und vier Sparten ist es ein komplexes Gebilde. Alles, was ich unternehme, soll auf einer vertrauensvollen Ebene und auf Augenhöhe geschehen. Jetzt bin ich erstmal der Lehrling.

Wird das Publikum Sie an Aufführungen antreffen?

Absolut. Ich werde viel dort sein. Darauf freut sich auch mein Mann. Schon jetzt erhalte ich viele Inputs aus meinem Umfeld – teils sehr dezidierte. Ich nehme alle Ratschläge und Wünsche ernst, auch die kritischen Stimmen. Es ist wichtig, dass das Theater Identität schafft und eine enge Beziehung zum Publikum pflegt. Und dieses hat viele Fragen. Als Ursanktgallerin kann ich bestimmt auch Brücken schlagen zur Geschäftsleitung und ab und an regionale Befindlichkeiten und Besonderheiten erklären. Wir wollen ein Theater für alle sein – und unseren Publikumskreis auch erweitern und verjüngen.

(Bilder: Odilia Hiller)

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Odilia Hiller

Odilia Hiller aus St.Gallen ist seit August 2023 Co-Chefredaktorin von «Die Ostschweiz». Seit 2000 im Journalismus, Master of Arts (MA) in Französischer und Deutscher Literatur und Sprache. Weiterbildungen u. a. in Leadership (MAZ Luzern). Frühere berufliche Stationen: St.Galler Tagblatt, NZZ, Universität St.Gallen.

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