Rein arithmetisch ist die Sache klar: Der CVP-Kandidat Benedikt Würth freut sich über jede zusätzliche Kandidatur bei den Ersatzwahlen in den Ständerat am 19. Mai. FDP und SVP wollen ihre definierten Ansprüche wahrnehmen - aber in der Praxis ebnen sie dem Regierungsrat den Weg.
Der 10. März hatte es für die Kandidaturen mit ernsthaften Ambitionen in sich. Nicht nur, weil gleich sieben Personen in den Ständerat wollten. Sondern auch, weil beim ersten Wahlgang das absolute Mehr erreicht werden musste - also über 50 Prozent der Stimmen. Das war bei dieser Ausgangslage kaum machbar.
Im zweiten Wahlgang am 19. Mai reicht das relative Mehr, sprich: Der Kandidat oder die Kandidatin mit den meisten Stimmen ist gewählt - unabhängig vom Prozentsatz.
Und deshalb ist für den Spitzenreiter der ersten Runde, Benedikt Würth (CVP), die Perspektive nun exakt vertauscht: Wenn es nach ihm geht, können gar nicht genug Leute antreten. Er hat das Mass mit seinem Resultat vorgelegt, wenn sich dahinter die Stimmen der Wähler zersplittern, hilft das seiner Sache.
Gerade die Tatsache, dass FDP und SVP wieder antreten, erleichtert seine Aufgabe enorm. Wäre einer aus dem Duo Susanne Vincenz-Stauffacher und Mike Egger ausgestiegen, hätte das die Gefahr beinhaltet, dass sich bei der Person, die antritt, Stimmen aus dem anderen Lager sammeln. So aber werden die Verfolger von Würth weiter aufgesplittert.
Natürlich weiss man das bei der FDP und der SVP. Nur: Beide Parteien konnten es sich nicht leisten, ihre Ambitionen für wahlstrategische Überlegungen aufzugeben. Zum einen hat keine der Parteien ein Interesse daran, dass die jeweils andere dank ihrem Verzicht in den Ständerat kommt. Zum anderen ist es eine Grundsatzfrage: Die FDP bezeichnet den Sitz im Ständerat, den sie viele Jahre inne hatte, kontinuierlich als «ihren» Sitz, die SVP versucht aus Prinzip bei jedem Ständeratswahlkampf ihr Glück.
Eine Art Allianz, bei der eine Partei für die andere zurücksteckt, hätte nur Sinn gemacht, wenn dann entsprechende Zusagen für die ordentlichen Wahlen im Oktober gemacht worden wären. Als Beispiel: Die SVP hätte ihre Kandidatur zurückgezogen, die FDP-Kandidatin empfohlen - und dann von der FDP erwartet, dass sie im Oktober eine SVP-Kandidatur gegen Paul Rechsteiner (SP) unterstützt.
Nur: Was nützt ein solches Unterfangen, wenn damit die CVP angegriffen wird und diese dann im Herbst keine Veranlassung sieht, ein bürgerliches «Päckli» gegen Rechsteiner mitzutragen?
Ironischerweise wird der geballte Wahlkampf, den SVP und FDP für den zweiten Wahlgang angekündigt haben, vor allem Beni Würth dienen. Er kann zusehen, wie sich die beiden Parteien ins Zeug legen und sich gegenseitig Stimmen abnehmen.
Denn eines wird oft vergessen. Zwar erwartet man für den 19. Mai eine deutlich höhere Stimmbeteiligung als am 10. März, weil auch noch Sachgeschäfte anstehen. Die FDP rechnet mit zusätzlichen 50'000 Wählern, die an die Urne gehen. Nur: Alle Parteien setzen auf diesen Pott. Er wird kaum einheitlich in eine Richtung gehen, sondern sich munter verteilen. Auch an Würth wird ein Teil der Stimmen von den Leuten gehen, die sich am 10. März nicht aufraffen konnten, zu wählen.
Bei einem Vorsprung von 12'000 Stimmen auf die zweitplatzierte FDP-Kandidatin kann Würth daher dem zweiten Wahlgang ziemlich entspannt entgegen sehen. Das erwartete Mehr an Wählern wird auch, aber nicht nur an seine Konkurrenten gehen. Es ist sogar anzunehmen, dass sich viele potenzielle Würth-Anhänger die erste Runde sparten, weil die Ausgangslage klar schien. Sie werden sich am 19. Mai mobilisieren lassen.
Dazu kommt: Das Wahlkampfbudget der Parteien war bereits mehrfach ein Thema. Im zweiten Wahlgang muss noch einmal Geld locker gemacht werden. Gewinner sind beliebt bei Spendern. Deshalb wird Würth wohl auch bei der entscheidenden Wahl über die meisten finanziellen Mittel verfügen. Und dieses wird er allein zur Mobilisierung einsetzen.
Daher gilt: Wenn der St.Galler Regierungsrat nicht gerade silberne Löffel in der Kantine der Staatskanzlei geklaut hat, ist er schwer zu überrunden. Nur mit einem an Intensität noch gesteigerten Wahlkampf werden weder FDP noch SVP den Rückstand wettmachen können.
Dass sie es aber versuchen, ist ihnen hoch anzurechnen. Es wäre ein schlechtes Signal für die Demokratie, wenn Beni Würth einfach durchmarschieren könnte.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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