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Covid und Arbeitsrecht

Testen, impfen – und das Recht des Arbeitnehmers auf Privatsphäre

Viele ArbeitnehmerInnen sind aktuell verunsichert. Was müssen sie sich betreffend Testen und Impfen vom Arbeitgeber bieten lassen? Und besteht eine Pflicht, sich gegenüber dem Arbeitgeber über seinen Impfstatus auszuweisen?

Artur Terekhov am 14. Juni 2021

Letzte Woche, Beratungsanfrage im Rahmen der juristischen Praxistätigkeit des Autors. Die Angestellte eines Pharmaunternehmens (kaufmännischer und strategischer Bereich; kein Patientenkontakt) ist verunsichert. Ihr Arbeitgeber führe bald wieder einmal einen physischen Event mit externen BesucherInnen durch. So weit, so gut: Selbst in der Pharma klingt die Panikkultur allmählich ab, man sieht sich wieder live. Doch der Haken: Jeder, der zum Zeitpunkt jenes Events noch ungeimpft ist, muss dem Arbeitgeber einen negativen Covid-Schnelltest vorlegen. Doch wie sieht all dies rechtlich aus?

Nun ja, zentralste Rechtsnorm für Angestellte in der Privatwirtschaft hierzu ist Art. 328 OR, die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Diese schreibt im Wesentlichen vor, dass der Arbeitgeber Persönlichkeit und Gesundheit des einzelnen Arbeitnehmers wie auch aller Arbeitnehmer schützen muss. Ganz gemäss dem allgemeinen Grundsatz, dass die eigene Freiheit bei jener des Nächsten endet, muss auch der Arbeitgeber seinem Vertragspartner gewisse Freiheiten lassen, darf diese aber auch im Interesse der Betriebssicherheit oder des Betriebsklimas einschränken. Als Privater darf er dabei auch über staatliche Mindestregeln hinausgehen, bleibt aber an die Wertungen der gesamten Rechtsordnung betreffend Persönlichkeitsrechte des Individuums gebunden; vieles wird durch Gerichtsurteile konkretisiert. Doch was gilt nun vorliegend?

Rechtsprechung zu diesen neuen Fragen besteht naturgemäss noch nicht und ist daher alles mit gewissen Unsicherheiten verbunden. Dennoch liefern die obenerwähnten Wertungen nach Auffassung des Autors eine valable Einschätzungsbasis: Da jeder, der sich freiwillig impfen lässt, gegen eine Krankheit geschützt ist, lässt sich eine vom Arbeitgeber angeordnete Impfpflicht wohl nur dann mit der Fürsorgepflicht begründen, wenn der Arbeitnehmer oft mit vulnerablen Personen zu tun hat (z.B. im Gesundheitswesen) oder im Betrieb gehäuft Personen vorkommen, die sich aus medizinischen Gründen (z.B. Unverträglichkeiten) nicht impfen lassen können, obschon sie dies wollten. Dies korreliert auch mit der gesetzgeberischen Wertung auf Bundesebene, die eine staatlich verordnete Impfpflicht bloss gegenüber einzelnen Personengruppen zulässt (Art. 6 Abs. 2 lit. d EpG). Daraus folgt: Da die Impfung ein relativ invasiver Eingriff in die körperliche Integrität ist und primär den Geimpften selbst schützt, dürfte eine Impfpflicht am Arbeitsplatz in der überwiegenden Mehrheit der Fälle unzulässig sein.

Eine Kündigung ungeimpfter Personen wäre damit öfters missbräuchlich und dürfte einen Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers von bis zu sechs Monatslöhnen auslösen (Art. 336a OR). Anders verhält es sich aber wohl beim Covid-Test. Erstens ist jener Eingriff weniger invasiv als eine Impfung und zweitens gibt ein negatives Testresultat zudem Dritten die Sicherheit, sich nicht im gleichen Raum mit Infizierten aufzuhalten (falsche Positivresultate sind wiederum eine Frage für sich, dies aber nur am Rande). Dies dürfte eine vom Arbeitgeber angeordnete Testpflicht meist rechtfertigen.

Damit noch nicht beantwortet ist jedoch die Ausgangsfrage: Wie verhält es sich mit einer Covid-Testpflicht spezifisch für Ungeimpfte? Die Krux in jener Konstellation ist nämlich, dass der Arbeitgeber dadurch an medizinische Daten des Arbeitnehmers gelangt, welche das Datenschutzrecht als besonders schützenswert klassifiziert (Art. 3 lit. c Ziff. 2 DSG). Wobei das Arbeitsrecht zugleich nur die Bearbeitung von Personendaten zulässt, welche die Eignung des Arbeitnehmers für die betriebliche Tätigkeit betreffen oder für die Abwicklung des Arbeitsvertrags zwingend sind (Art. 328b OR). Nachdem aber dargelegt wurde, dass eine vom Arbeitgeber angeordnete Impfpflicht in der grossen Mehrheit der Fälle unzulässig ist, darf der Impfstatus eines Arbeitnehmers den Arbeitgeber auch nichts angehen.

Eine Testpflicht nur für Ungeimpfte liefert dem Arbeitgeber also indirekt Personendaten, über die er nicht verfügen dürfte. Ergo muss gelten: Testen für alle oder niemand. Unstreitig ist immerhin, dass das Arbeitsrecht nicht nur direkte, sondern auch indirekte Privatsphäreverletzungen verbietet.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Artur Terekhov

MLaw Artur Terekhov ist selbstständiger Rechtsvertreter in Oberengstringen ZH.

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