Das Thema ist gerade jetzt in aller Munde. In Zeiten des Corona-Virus wird derzeit fieberhaft nach einem Impfstoff geforscht. Bis dieser aber an Menschen zugelassen wird, müssen viele Hürden genommen werden.
Im Bereich der Medikamente, Impfstoffe und anderen Behandlungen ist die Forschung nach wie vor auf Labortiere angewiesen. Bei der Medikamentenprüfung geht es beispielsweise darum, Informationen über die Wirkungsweise und das Verhalten eines Wirkstoffs in einem Lebewesen zu erhalten, welches dem Menschen ähnlich ist.
Aus ethischen Gründen ist es nicht erlaubt, Menschen dem Risiko eines solchen Tests auszusetzen. Es wäre zu gefährlich, eine unerwünschte Wirkung zu erzielen, wenn der Stoff nicht vorgängig getestet wurde. Erst, wenn genügend Informationen über die Wirkung gesammelt werden konnten, lassen sich Schlüsse auf die Wirkung beim Menschen ziehen.
Verschiedene Schweregrade
In der Schweiz wurden im Jahr 2018 586'643 Tiere für Versuche eingesetzt. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies einem Rückgang um 4.6 Prozent. Durchgeführt werden dürfen die Versuche nur dann, wenn keine Alternativen zur Verfügung stehen. Solche wären beispielsweise computergestützte Analysen, Untersuchungen an Zellen und isolierten Gewebeteilen sowie Stammzellkulturen. Für die Haltung der Versuchstiere gelten strenge Regeln. Die meisten Tierversuche werden durch Hochschulen und Industrie durchgeführt.
Die Belastungen für die Versuchstiere werden dabei in verschiedene Schweregrade von 0 bis 3 eingeteilt. Bei Versuchen mit dem Schweregrad 0 werden die Tiere nicht belastet. Dies ist unter anderem im Zusammenhang mit der Fütterung und Haltung der Fall. Tierversuche mit dem Schweregrad 3 sind für die Tiere sehr belastend. Im Jahr 2018 machten die Versuche mit Schweregrad 0 und 1 insgesamt 71.1 Prozent aus. 26.2 Prozent der Tiere wurden einer mittelschweren Belastung (Schweregrad 2) ausgesetzt, 2.7 Prozent einer schweren Belastung (Schweregrad 3).
Mäuse auf Platz 1
Jede Haltung von Versuchstieren und Tierversuch muss in der Schweiz bewilligt werden. Dies mit dem Ziel, Tiere vor Belastungen zu schützen, welche nicht gerechtfertigt sind. Wer Tierversuche durchführt, muss in regelmässigen Abständen die Anzahl der Versuchstiere melden und über abgeschlossene Versuche berichten. Über 60 Prozent aller Versuchstiere in der Schweiz sind Mäuse. Einen geringeren Anteil machen Ratten, Vögel und Fische aus. Selten werden Rinder, Schafe, Hunde, Hamster und Wildtiere verwendet.
Prof. Michael O. Hottiger, PhD, DVM (Präsident von Verein Forschung für Leben, Veterinär und Naturwissenschaftler)
Unser Verein «Forschung für Leben» setzt sich schon seit 30 Jahren für Themen und Fragen ein, welche die Schweizer Bevölkerung bezüglich Forschung bewegen. Tierversuche werden zu verschiedenen Zwecken durchgeführt; einige davon sind für die beteiligten Tiere harmlos, wie zum Beispiel das Beringen von Vögeln oder das Beobachten von Affen. Versuche mit Tieren werden aber auch in der medizinischen Forschung durchgeführt, um schlimme Krankheiten wie Krebs zu verstehen.
Viele Versuche sind leider auch immer noch notwendig, um Medikamente und ihre Wirkung zu testen; dies aber nur, wenn die Versuche absolut notwendig sind und es dafür keine anderen Möglichkeiten gibt. Wir Forscher verpflichten uns, aus Gewissensgründen und vom Gesetz her, uns um unsere Versuchstiere bestmöglich zu kümmern und sie nicht leiden zu lassen. Deshalb sind Tierversuche nötig - für das Wohl von Menschen und Tieren.
Dr. med. vet Julika Fitzi-Rathgen, SCHWEIZER TIERSCHUTZ STS
Mit Tierversuchen soll das Gefährdungspotential der Produkte, die wir nutzen, abgeschätzt und neue Therapien für kranke Menschen gefunden werden. Tatsächlich aber sind Tierversuche dafür vielfach nicht geeignet: Die Unterschiede zwischen Mensch und Tier sind zu gross und die Forschungsergebnisse aus Tierversuchen lassen sich kaum je auf Menschen übertragen.
600'000 bis 700'00 Tiere werden jährlich in der Schweiz in Tierversuchen eingesetzt, die Experimente und die nicht artgerechte Haltung sind für sie meist sehr belastend. Hingegen sind tierfreie Methoden nicht nur zuverlässiger und kostengünstiger als Tierversuche, sondern haben auch eine höhere Aussagekraft. Sie liefern dem Menschen relevante, anwendbare Ergebnisse, ohne, dass Tiere dafür leiden müssen.
Für die tierfreie Forschung gibt es modernste Technologien, beispielsweise Zellverfahren, Computermodelle, Organs-on-a-Chip. Trotzdem gilt der Tierversuch noch immer als «Golden Standard» in der Forschung und wird mit Millionen unserer Steuergelder bezuschusst, während die moderne, tierfreie Forschung ein Schattendasein führt und finanziell nicht ausreichend gefördert wird.
Weitere Infos finden Sie hier.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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