Endlich können die Männer der St.Galler Stadtverwaltung ihre Kinder richtig geniessen. Satte 20 Tage lang.
20 Tage Vaterschaftsurlaub für die Angestellten der städtischen Verwaltung in St.Gallen: Ein schönes Geschenk macht das Stadtparlament den baldigen Vätern. Es hat eine entsprechende Motion verabschiedet. Das sei eine «effektive Massnahme für einen guten Start ins Familienleben», meinten die Vorstösser bei der Begründung.
Noch sehr viel mehr sieht der Kommentator des Tagblatts in diesem Entscheid. Dort heisst es: «In den ersten 20 Tagen verhandeln Mann und Frau alles neu. Einerseits die grossen Fragen: Wer sind wir als Paar? Wer sind wir als Familie? Wer wollen wir für unser Kind sein? Anderseits auch die kleinen Dinge: Wer steht nachts zum Wickeln auf? Wer kauft Brot ein? Wer putzt das Bad? In den ersten 20 Tagen wird die neue Rollenverteilung vorgespurt und oft genug für die kommenden Jahre festgelegt.»
Wow. Ganz schön heftig, dieses Programm für 20 Tage. Das heisst: Überall dort, wo es die 20 Tage nicht gibt - beispielsweise in der freien Wirtschaft - dämmern Mami und Papi danach bis zu ihrem Tod in einem unklaren Rollenmodell vor sich hin. Keiner putzt das Bad, keiner kauft Brot, und keiner weiss, «wer wir als Paar sind». Das Baby sitzt in einer Windel mit den Ausmassen des Säntis, weil keiner weiss, wer sie wechseln sollte. Dass nach wie vor rund 50 Prozent aller Ehen halten, ist da ein regelrechtes Wunder. Und dass man die Toilette überhaupt noch benutzen kann eigentlich auch.
Aber selbst wenn man diese grossen Fragen ausklammert, sind die 20 Tage ein Segen. Wir alle wissen, welche Entwicklungssprünge ein Baby in dieser Zeit macht - und der Vater sollte diese nicht verpassen! Das Bäuerchen an Tag 4 und dasjenige an Tag 16 beispielsweise unterscheiden sich voneinander um etwa einen Halbton. Die Konsistenz der Windelfüllung entwickelt sich ebenfalls massgeblich in dieser Zeit. Und Feinfühlige spüren, dass der Druck des Fäustchens um den ausgestreckten Finger an Tag 19 nichts mehr zu tun hat mit dem von Tag 7. Diese massiven Entwicklungsschübe waren bisher der Mutter vorbehalten!
Kommt dazu: Nach den ersten 20 Tagen, auch das weiss die Wissenschaft, tut sich bei so einem Kind eigentlich nicht mehr viel. Irgendwann läuft und spricht es, aber davon gehen wir ja sowieso aus. Kindergarten, Schuleintritt, das versehentliche Abfackeln des Weihnachtsbaums und der erste Hausbesuch der Polizei auf der Suche nach Cannabis: Da gibt es nicht mehr viel Gestaltungsspielraum bei den Eltern, das kann Papa ruhig verpassen. Aber eben: Das Bäuerchen!
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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