logo

Interview mit zwei Pflegefachkräften

«Überbelastung ist in unserem Job Alltag»

Wie sieht die Situation in den Spitälern aus? Was sagen die Leute an der Front? Und stimmen die medial transportierte Stimmung und die Realität überein? Zwei Ostschweizer Pflegefachkräfte im Interview über ihren aktuellen Alltag.

Die Ostschweiz am 05. Januar 2021

Das Gespräch wurde mit zwei Pflegefachkräften geführt, die an einem grossen Kantonsspital in der Ostschweiz beziehungsweise in der Spitex tätig sind. Die Gesprächspartner wollen anonym bleiben. Name und Adresse der Befragten liegen der Redaktion vor. Die Interviewten legen Wert auf die Feststellung, dass ihre Antworten eine subjektive Meinung wiedergeben.

Wie lange sind Sie bereits in diesem Beruf tätig, wie viel Berufserfahrung haben Sie?

Wir haben rund 30 Jahre Erfahrung in unserem Beruf als Pflegefachfrau beziehungsweise Pflegefachmann. Wir können also auf eine lange Zeit der Erfahrung zurückblicken und haben auch viele kritische Situationen erlebt.

Wie schätzen Sie die momentane Situation bezüglich Corona ein?

Wir erleben einen extremen Unterschied zwischen unserer täglichen Arbeit und der Darstellung in den Medien. Wir machen unsere Arbeit eigentlich wie immer, und die Überbelastung in unserem Job ist unser Alltag. Den Hype, der um Corona gemacht wird, können wir nicht nachvollziehen. Wir haben eine Situation wie jedes Jahr im Herbst/Winter. Wir arbeiten am Anschlag, und Überstunden sind an der Tagesordnung, aber eben, das ist normal zu dieser Jahreszeit.

Was könnte man tun, um der generellen Überbelastung des Personals entgegen zu wirken?

Wir wünschen uns eine echte Aufarbeitung unserer Situation im Gesundheitswesen. Wir haben chronischen Personalmangel, und das schon seit Jahren. Da müssen Konzepte entwickelt werden, die das Wohl des Menschen in den Vordergrund stellen. Es darf nicht um Gewinnmaximierung oder Profit gehen, sondern um die Gesundheit des Menschen. Natürlich muss auch eine bessere Bezahlung des Personals debattiert werden. Das ist alles unabhängig von Corona. Diese Krise zeigt uns nur die Schwachpunkte auf, die schon lange im Raum stehen.

Ist Ihrer Meinung nach Covid19 vergleichbar mit einer saisonalen Grippe oder ist es schlimmer als in den anderen Jahren?

Die Symptome von Covid19 sind die gleichen wie bei einer Influenza-Grippe. Aber der Umgang mit den Patienten ist ein anderer. Für Covid19-Patienten gelten besondere Schutzmassnahmen. Für jeden Covid19-Patienten müssen die Kleidung und das andere Schutzmaterial wie Handschuhe, Mundschutz und so weiter ständig gewechselt werden. Diese Massnahmen sind das Problem. Sie nehmen enorm viel Zeit in Anspruch und sind unseres Erachtens nicht verhältnismässig und sollten überprüft werden. Unserer Meinung nach würden Schutzmassnahmen, wie sie ohnehin im Spital im Intensivbereich Vorschrift sind, völlig ausreichen.

Gibt es Unterschiede zu früheren Jahren in Bezug auf die Patienten, die zu Ihnen gelangen?

Weiterhin kommen Menschen zu uns, die völlig verängstigt sind und bei denen ein PCR-Test gemacht werden soll. Das ist in vielen Fällen völlig unnötig und bindet unsere Kapazitäten. Diese allgemeine Verängstigung der Bevölkerung muss beendet werden. Die Medien berichten jeden Tag über absolute Fallzahlen, ohne diese in eine Relation zu setzen. Der Bundesrat sollte diese Panikmache unterbinden und bei der Beurteilung der Situation auf eine angemessene Beruhigung der Lage hinwirken. Panik schadet in solchen Situationen, schafft Ängste, die verheerende Auswirkungen haben. Die Psychologen und Therapeuten haben Hochkonjunktur. So werden sogenannte Kollateralschäden erzeugt, die unseres Erachtens weitaus grössere Auswirkungen haben als die Krankheit selbst. Zumindest muss dies berücksichtigt und in den Fokus gerückt werden. Wir regen eine entsprechende Auswertung an, die zu einer Beurteilung der Verhältnismässigkeit der Massnahmen beitragen würde.

Wie sieht es mit den Intensivbetten aus? Hier ist die Rede von einer grossen Auslastung oder gar Überlastung.

Die Auslastung der Intensiv-Plätze entspricht der Herbst/Wintersaison. Es ist zu dieser Jahreszeit immer eine Auslastung von 80 bis 85 Prozent normal. Bisher gibt es aus unserer Sicht noch keine andere Situation als in den anderen Jahren.


Unterstützen Sie unabhängigen Journalismus mit Ihrer Clubmitgliedschaft.


Ein weiteres Thema ist der Altersdurchschnitt der Covid19-Patienten. Wie sieht es diesbezüglich in Ihrer Einrichtung beziehungsweise Ihrem Arbeitsumfeld aus?

Der Altersdurchschnitt liegt eindeutig bei 80 plus. Die Situation stellt sich für uns so dar: Es werden vorwiegend Patienten aus Alten-und Pflegeheimen eingeliefert. Diese Menschen haben Vorerkrankungen und sind zum Teil auch in der Palliativ-Therapie. Diese Erkrankten sollten weiterhin, auch mit positivem PCR-Test, palliativ behandelt werden und nicht ins Spital eingeliefert werden. So sind auch Besuche von Angehörigen fast nicht mehr möglich, was eine höhere Belastung für diese Menschen darstellt und nicht zur Genesung beiträgt. Es fehlt die menschliche Nähe und Wärme. Es muss verstärkte Schutzmassnahmen für Alten- und Pflegeheime geben, aber kein Wegsperren beziehungsweise vollkommene Isolation dieser älteren Menschen.

Derzeit ist ja geplant, auch das Pflegepersonal vorrangig gegen Covid19 impfen zu lassen. Würden Sie persönlich das tun, und wie schätzen Sie bei Ihren Kollegen diese Bereitschaft ein?

Nein, wir würden uns nicht impfen lassen. Hier geht es um eine neuartige mRNA-Impfung, die gar nicht ausreichend getestet sein kann. Der Zeitraum für solch eine Testung ist viel zu kurz, vor allem um Langzeitschäden zu beurteilen. Ausserdem wurde solch eine mRNA-Impfung noch nie beim Menschen angewendet. Hier ist uns der Schutz unserer eigenen Gesundheit wichtig, zumal der nachhaltige Nutzen überhaupt noch nicht nachgewiesen ist. Hier muss mehr Aufklärungsarbeit über diese neuartige Impfung geleistet werden. Es müssen auch alle Inhaltsstoffe, die in dieser Impfung enthalten sind, publik gemacht werden. Diese Meinung wird unseres Erachtens mehrheitlich bei unseren Kollegen auch so vertreten.

Was würden Sie sich in der aktuellen Situation von den Politikern erwarten oder wünschen?

Wir würden gern erreichen, dass die Politiker sich beim Personal, die direkt an der Front arbeiten, erkundigen, wie die Situation aussieht. Es müssen Ärzte, Fachpersonal angehört werden, die aktiv in diesen Bereichen tätig sind. Wir möchten einen echten Diskurs, nur so kann man einen Konsens finden und angemessene Massnahmen erlassen. Die Politiker können die Situation nicht beurteilen, und auch die Task Force ist nicht direkt am Geschehen in den Spitälern und bei den Kranken beteiligt. Wir wünschen uns einen breiten Austausch mit allen Experten, die auf diesem Gebiet arbeiten. Wir brauchen hier weniger Theorie oder Statistik, aber mehr Praxiserfahrung, auch von kritischen Stimmen. Wir wollen keine Konfrontation oder nur kritisieren, das bringt uns nichts. Wir wollen den bestmöglichen Weg in dieser Situation und dafür brauchen wir kompetente Stimmen und Meinungen aus der Praxis.

Wie könnte das in der praktischen Umsetzung aussehen?

Wir regen an, einen Runden Tisch mit Teilnehmern aus den Spitälern, Arztpraxen und Gesundheitsexperten aus der gesamten Schweiz zu bilden und Lösungen zu finden, die verhältnismässig sind und der Situation gerecht werden. Wir bitten den Bundesrat, dies umsetzen, da das nur eine Win-win-Situation sein kann. Die Bevölkerung wird durch direkte Vertreter von praxisnahen Fachleuten beteiligt und der Bundesrat gestärkt. So werden die Massnahmen von der Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen.

Highlights

Autor Dani Egger

Schicksale im Zweiten Weltkrieg: Dieser Ostschweizer hat ihnen ein ganzes Buch gewidmet

am 17. Apr 2024
Rechtsextremismus

Nazi-Konzert im Toggenburg: Die organisierte Kriminalität mischte mit

am 13. Apr 2024
EGMR-Rüge für die Schweiz

«Klimaseniorinnen» spielen ein unehrliches Spiel

am 12. Apr 2024
Zweiter Wahlgang in St.Gallen

Angriff der SVP gescheitert: Bettina Surber (SP) und Christof Hartmann (SVP) ziehen in die St.Galler Regierung ein

am 14. Apr 2024
St.Galler Regierungsratswahlen

Bettina Surber liefert 98 Prozent und zeigt damit der SVP, wie es geht

am 14. Apr 2024
Schwierige Kindheit

Mutiger Blick zurück: Wie Peter Gross seine Vergangenheit in einem Buch verarbeitet und damit auf Missstände der IV aufmerksam machen möchte

am 18. Apr 2024
«Meister im Verdrängen»

Musiker Kuno Schedler: «Ich wollte eigentlich Chef der Brauerei Schützengarten werden»

am 12. Apr 2024
Die Schweiz am Abgrund?

SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel: «Zunehmend schwierige Zeiten. Die Lösung? Weniger Staat!»

am 15. Apr 2024
Die Schweiz am Abgrund?

Mitte-Nationalrat Nicolo Paganini: «Wir haben immer mehr Stress für höchstens gleich viel im Portemonnaie»

am 12. Apr 2024
Die Schweiz am Abgrund?

SVP-Nationalrat Pascal Schmid: «Wir müssen den Kurs rasch ändern»

am 16. Apr 2024
Appenzell Ausserrhoden zieht positive Bilanz

So etwas gab es noch nie: Wegen Windböen konnte der Böögg am Sechseläuten nicht angezündet werden – Nun ist Appenzell am Zug

am 16. Apr 2024
René Steiner, Präsident der ASTAG Ostschweiz

Weshalb es den klassischen «rauhen» Fuhrhalter von früher nicht mehr gibt

am 15. Apr 2024
Bestes Restaurant

1112 Google-Rezensionen sprechen für sich: Das griechische Restaurant Greco in St.Gallen wird mit einem Award ausgezeichnet

am 14. Apr 2024
Da stimmt was nicht

«Bericht zur sozialen Ungleichheit 2024»: Eine Nichtregierungsorganisation rechnet sich ins Nirvana

am 16. Apr 2024
Gastkommentar

Schulden der USA explodieren – können Aktien und Bitcoin davon profitieren?

am 17. Apr 2024
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Die Ostschweiz

«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund 300'000 Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG, ein Tochterunternehmen der Galledia Regionalmedien.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.