Vornehmer heisst das Short Squeeze und bedeutet, Spekulanten in die Hose zu fassen. Das ist normalerweise ein Spiel für die Big Boys an den Börsen. Zu denen gehört aber auch unsere gute, alte Nationalbank.
Wenn ganz grosse Hedgefunds grün und blau vor Ärger und Angst werden, hält sich das Mitleid in Grenzen. Citron Resarch, Melvin Capital oder Citadel sind solche Giganten, die normalerweise unter dem Radar fliegen. Zurzeit aber eher unbekleidet dastehen und sich die Hände vors Gemächt halten.
Wie so häufig hat die «Financial Times», eines der wenigen Organe, in dem Wirtschaft noch kompetent analysiert wird, den Fall aufgeblättert. Wie so häufig hat «Inside Paradeplatz» als bislang einziges Schweizer Organ darauf hingewiesen.
Ein Short Squeeze ist eine ziemlich unangenehme Klemme, die beim Shorten entsteht. Shorten heisst, ein Wertpapier auf Termin leer zu verkaufen. Zum heutigen Kurs, weil der Spekulant davon ausgeht, dass er es sich bei fallenden Kursen später billiger besorgen kann und so ohne die geringste Wertschöpfung Reibach macht.
Für Fallschirmspringer ohne Fallschirm ist die Variante des leer Shortens. Der Spekulant geht voll ins Risiko und hat seine Wette auf die Zukunft mit nichts unterlegt. Ein theoretisches, aber naheliegendes Beispiel: Die Aktie der Credit Suisse ist mit 9.85 am Freitag aus dem Markt gegangen. Ich biete sie zu diesem Preis zum Verkauf am Mittwoch. In der Hoffnung, dass ich mir sie dann für 9.75 besorgen kann. Hübscher Gewinn ohne Arbeit.
Peinlich wird’s aber, wenn sie am Mittwoch nur für 9.95 zu haben ist. Denn ich muss mein Verkaufsversprechen halten, mich also mit Verlust eindecken. Der ist hier bitter, aber überschaubar.
Richtig peinlich wird’s aber, wenn der Kurs durch die Decke geht. Das war bei der US-Trümmelfirma Gamestopp vor Kurzem der Fall. Deren Aktienkurs dümpelte friedlich bei rund 20 Dollar vor sich hin. Einige Hedgefonds verloren das Vertrauen ins Geschäftsmodell der Bude und begannen zu shorten. Aber statt dass der Kurs ihnen den Gefallen tat, weiter abzusaufen, explodierte er auf bis zu 480 Dollar. Nun stelle man sich vor, dass ein Spekulant zu diesem Preis sich mit ein paar tausend Aktien eindecken muss, die er für 20 Dollar zu liefern hat.
Zumindest Männer, und die überwältigende Mehrheit der Börsenhaie sind Männer, haben dann ein Gefühl, als würden ihre Testikel in einen Schraubstock geraten. Sehr unangenehm. Das gleiche Spiel läuft zurzeit mit den Aktien der Kinokette AMC. Eigentlich, dank Corona, auch ein Kandidat für fallende Kurse. Aber auch AMC wird zu einer Meme-Aktie. So wiederum nennt man Papiere, deren Börsenwert nichts mehr mit dem inneren Wert der dahinterstehenden Firma zu tun hat.
Hedgefunds müssen ja irgendwie Geld verdienen, und sei es nur, um die exorbitanten Fees und Boni des Managements zu bezahlen. Die sind aber im Allgemeinen sehr gut im Abkassieren, weniger gut im Analysieren und Spekulieren. Das neue beim Gamestopp-Casino war, dass auf der Versammlungsplattform Reddit ein Trader unter dem putzigen Pseudonym «Roaringkitty» (brüllendes Kätzchen) eine Community von Kleinhändlern aufgebaut hatte, die gemeinsam so viel Gewicht bekamen, dass sie den Kurs der Spielefirma nach oben treiben konnten.
Das wiederum trieb ein paar Hedgefonds fast in den Bankrott; einer soll dabei beinahe 50 Prozent seines Wertes verloren haben. Aber da ja die meisten Einnahmen von Händlern weiterhin umsatzabhängig sind (schliesslich ist auch das Verrösten von Geld Umsatz), bedeutet eine verlorene Wette die nächste Wette, diesmal aber in die Vollen.
Das scheint gerade bei der AMC-Aktie zu passieren. Statt sich gefälligst nach unten zu bewegen, explodiert sie förmlich nach oben. Ganz echt furchtbar blöd wird es dann, wenn Shorties – so nennt man diese Spekulanten – mehr Kontrakte ausgestellt haben, als es überhaupt Aktien gibt.
Und wie diverse Finanzkrisen gezeigt haben, kann man an der Börse ziemlich viel anstellen; Aktien aus dem Nichts herbeizaubern gehört aber nicht dazu. Auch bei AMC ist inzwischen rund 80 Prozent der Aktien im Besitz von einer Community von Retailhändlern. Allerdings, unvermeidlich sind auch Big Boys wie BlackRock, die Pensionskasse von Arizona – und die Schweizerische Nationalbank (SNB) eingestiegen. Ihr, also uns, gehören rund 200'000 AMC-Aktien. Ihr Paket hat die SNB erst Anfang Mai verdoppelt.
Auf der anderen Seite, also womöglich auf der Verliererstrasse steht – man möchte fast sagen: logisch – die Credit Suisse. Sie soll zu den grösseren Leerverkäufern der Aktie gehören. Funktioniert auch hier der Short Squeeze, dürfte es diesmal ein paar grosse Hedgefunds lupfen.
Richtig lustig wid’s aber dann, wenn die SNB zwar zu den Gewinnern gehört. Aber der CS unter die Arme greifen muss, too big to fail, nicht wahr. Gewinne kassiert das Management, Verluste deckt der Staatsbürger mit seiner SNB ab. Ein Scheissspiel? Aber sicher. Nur hätte es der Staatsbürger ja in der Hand, kräftiger bei seiner SNB mitzureden. Denn die ist auch eine AG. Aber eben, von «da sollte man mal» bis zur Aktion ist es ein weiter Weg.
Vor der Aktion stehen auch Horden von Bedenkenträgern, die ein Hindernis nach dem anderen aufstapeln. Und den Gründungszweck der SNB völlig aus den Augen verloren haben.
Immerhin; endlich ist die Schweiz mal wieder Weltspitze. Mit Abstand. Die Bilanz ihrer Notenbank ist bedeutend grösser als das BIP. Und die SNB ist der grösste Hedgefonds der Welt. Mit ganz tiefen Taschen. Und mit der Lizenz zum Drucken. Zum Gelddrucken.
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