Auch wenn das Initiativkomitee den Schutz von Kindern und Jugendlichen in den Vordergrund stellt, stimmen wir am 13. Februar über ein faktisches Generalverbot von Tabakwerbung ab.
Die Nähe vieler Initianten zum Gesundheitswesen verdeutlicht auch, warum Eigenverantwortung in der Gesundheitspolitik aktuell generell keinen hohen Stellenwert geniesst.
Am 13. Februar 2022 stimmen wir über eine eidgenössische Volksinitiative ab, welche den Titel „Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung (Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung)“ trägt. Deren Kernforderung ist eine Ergänzung der Verfassungsnorm Art. 118 Abs. 2 lit. b BV um folgenden Passus: „Er [der Bund] verbietet namentlich jede Art von Werbung für Tabakprodukte, die Kinder und Jugendliche erreicht.“ Dies bedeutet nichts anderes, als dass künftig Tabakwerbung ausserhalb von Casinos, Bordellen oder Nightlife-Clubs mit Zugangsbeschränkung auf Personen über 18 Jahre verboten ist. Mit anderen Worten wäre künftig ca. 90% der heutigen PR-Tätigkeit für Tabakwerbung untersagt.
Der Initiativtitel ist insoweit irreführend und hätte korrekterweise durch die Bundeskanzlei im Vorprüfungsstadium geändert werden müssen (Art. 69 Abs. 2 BPR), wobei spezifisch betreffend den Initiativtitel ausschliesslich Mitglieder des Initiativkomitees Stimmrechtsbeschwerde erheben können und – im Gegensatz zu den meisten Fällen – nicht jedermann (Art. 80 Abs. 3 BPR). Wie dem auch sei: Wichtig zu wissen ist für den Stimmbürger, wie weit die Initiativforderung effektiv geht.
Vor knapp vier Jahren, im Februar 2018, begann das Initiativkomitee seine Unterschriftensammlung für die Vorlage, über welche wir nunmehr abstimmen. Das Komitee ist parteipolitisch nicht gebunden, wohl aber eher dem Mitte-Links-Spektrum zuzuordnen – mit einer auffälligen Häufung parteiloser, eindeutig aber dem Gesundheitssektor zuzurechnender Personen bzw. Interessenvertreter. Der Bieler SP-Ständerat Hans Stöckli, früherer Rechtsanwalt und seit 2004 Berufspolitiker, sitzt beispielsweise im Beirat des Krankenversicherers Groupe Mutuel (genau: „Mitglied Groupe de Réflexion“). Anne Lévy, im Zeitpunkt der Initiativlancierung CEO der Universitären Psychiatrischen Klinken Basel (UPK), geniesst heute als Direktorin des BAG höchste Medienpräsenz. Thomas Cerny, Stiftungsratspräsident der Krebsforschung Schweiz, macht sich aktuell für eine Aufwertung der mRNA-Technologie bei der Krebsbekämpfung stark (die Einwirkung auf mutierende Körperzellen – und nicht Impfungen! – ist denn auch der ursprüngliche medizinische Sinn und Zweck von mRNA-Eingriffen). Und Philippe Luchsinger ist Präsident des Haus- und Kinderärzteverbandes mfe, um ein weiteres Beispiel zu nennen.
Dass die vorerwähnten Personen von einem Verbot von Tabakwerbung direkt persönlich profitieren würden, ist zwar nicht ersichtlich und wird vom Autor vorliegend auch nicht behauptet. Es zeigt doch, aber immerhin, dass im Gesundheitssektor ein Präventionismus ideologisch sehr weit verbreitet ist. Wenn mit dem Verbot von Tabakwerbung der Mensch sogar nur und ausschliesslich vor sich selbst geschützt werden soll, erstaunen die gegenwärtigen Covid-Restriktionen zur Verhütung von Infektionen Dritter – auch wenn diese völlig im Bereich des allgemeinen Lebensrisikos liegen und jedenfalls ausserhalb der Risikogruppe keinerlei staatliche Minimalprävention gebieten – relativ wenig.
Bei Lichte betrachtet ist das anvisierte Verbot von Tabakwerbung aus freiheitlich-eigenverantwortlicher Optik noch unhaltbarer als staatlicher Infektionsschutz. Und es verdeutlicht, was der Autor dieser Zeilen bereits seit Beginn der sogenannten Covid-Pandemie sagt: nämlich, dass die Erosion von Freiheitsrechten durch den bundesrätlichen Notrechtskurs – vorbei am Bundesparlament – zwar schneller voranschreiten mag, es aber keineswegs so ist, dass – auch und gerade im Gesundheitsbereich – der Nanny State sowie der Schutz des Menschen vor sich selbst nicht bereits ante Corona kontinuierlich gewuchert hätten. Dieselben Mediziner, die am Lebensanfang oftmals sogar invasive Spätabtreibungen als unproblematisch sehen, setzen sich zugleich für eine Nullrisikogesellschaft im Interesse des Gesundheitsschutzes ein, die selbst mit massiven Freiheitseinschränkungen nicht erreicht werden kann, denn ein Nullrisiko ist nun einmal nicht möglich.
All diese Entwicklungen sind nicht allein aus grund- bzw. verfassungsrechtlicher Sicht hochproblematisch. Vielmehr sind sie auch medizinisch unhaltbar, wenn man sich vor Augen führt, dass Mental Health ein wichtiger Faktor für menschliche Gesundheit ist. Dann springt nämlich geradezu ins Auge, dass auch psychosomatische Faktoren einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Wohlbefinden des Individuums haben – und dass jemand meist glücklicher ist, wenn er/sie eigenverantwortlich und zwangsfrei entscheiden kann.
Dass es unter Medizinern auf dem Politparkett aber auch freiheitlicher geht, zeigen in den USA die beiden Pauls. Während der republikanische Senator Rand Paul, ein Augenarzt aus Kentucky, die unliberalen Covid-Restriktionen massiv kritisiert, kämpfte dessen Vater Ron Paul, ein Gynäkologe aus Texas, als Mitglied des Repräsentantenhauses konstant gegen den „War on Drugs“, der mehr Schäden anrichtet als er nützt. In einer berühmten Parlamentsrede stellte er sich 2009 zudem gegen die „Tobacco Tyranny“. Darin kritisierte er insbesondere die artifizielle Spaltung der persönlichen Freiheit in gesellschaftliche und wirtschaftliche Freiheit und hielt fest, es gebe keinen Grund, die Meinungsäusserungsfreiheit von Minderheiten zu verteidigen, zugleich aber im Werbebereich (inkl. Tabakwerbung) Maulkörbe zu verteilen. Worte, die wie Honig sind.
Denn tatsächlich ist auch in der hiesigen Politik wenig begreiflich, dass sozialismusnahe Kreise zwar zurecht gegen die Einschränkung von oder übermässige Polizeikontrollen an Demonstrationen kämpfen, zugleich aber den freien Markt und den „bösen“ Kapitalismus durch Wirtschaftsrestriktionen jeder Art eindämmen möchten. Denn auch hier gilt: Erfahrungsgemäss arbeitet der Selbständigerwerbende weit mehr als der Angestellte und ist trotzdem glücklicher – wegen dem Wert der Freiheit. Ein Zürcher Oberrichter erzielt beispielsweise ein Monatseinkommen zwischen 20‘000 und 22‘000 Franken und zwar zu Bürozeiten Staatsangestellter. Ausserhalb einzelner Grosskanzleien erreicht man dies in der Privatwirtschaft nicht ohne Weiteres bzw. auch dann nur mit hoher Bereitschaft für Abend- und Wochenendarbeit. Wer als Berufspolitiker mehr Zeit in Plenarsälen verbringt als im Wirtschaftsleben, erkennt diese Binsenwahrheit aber womöglich nicht.
All dies verdeutlicht: Es ist höchste Zeit für ein Umdenken. Wird die künstliche Trennung von wirtschaflticher und gesellschaftlicher Freiheit aufgegeben, wird auch das längst überholte Links-Rechts-Schema überwunden. Sodann zeigt sich, wer auf der Seite der Individualfreiheit steht und wer auf jener des Nanny State bzw. Etatismus. Und wie dargelegt: Mehr Freiheit stärkt nicht nur die Grundrechte und das Verfassungsrecht, sondern auch die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen.
Die Abstimmungsdebatte um das Verbot von Tabakwerbung ist somit primär ein Stellvertreterkrieg in der gesamten Debatte um die Frage, ob der Staat besser über den Körper des Individuums bestimmen kann als dieses selbst. Social Distancing, Impfpflicht oder Widerspruchslösung bei der Organspende sind nur einige weitere Negativbeispiele. Ein „Nein“ am 13. Februar zum Tabakwerbungsverbot wäre somit immerhin ein erster Schritt aus jener Abwärtsspirale.
MLaw Artur Terekhov ist selbstständiger Rechtsvertreter in Oberengstringen ZH.
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