Das St.Galler Kinderfest 2021 findet nicht statt. Was auch eine Sparmassnahme ist, wird gegen aussen als vor allem der Coronapandemie geschuldet verkauft. Aber Verzeihung: Wenn dem so ist, können wir auf lange Jahre gar nichts mehr planen. Wir sind als Gesellschaft lahmgelegt.
Der St.Galler Stadtrat hat eine lange Liste von Massnahmen veröffentlicht, mit denen er den negativen Auswirkungen des Coronavirus - beziehungsweise der Massnahmen dagegen - begegnen will. Es geht in erster Linie um finanzielle Einsparungen. Auf dieser Liste findet sich auch die Absage des Kinderfests 2021. Dass man diese Entscheidung allgemein als Sparmassnahme interpretiert, ist daher nur verständlich.
Im St.Galler Tagblatt hält der städtische Schuldirektor Markus Buschor dagegen: Der Spareffekt sei der kleinere Teil. Es gehe vor allem um die «Unsicherheiten wegen des Coronavirus». Niemand wisse, wie es in Zukunft mit Grossveranstaltungen aussieht, und solche haben bekanntlich eine lange Vorbereitungsphase. Auf gut Deutsch: Man will das Risiko nicht eingehen, einen Anlass zu planen, der dann allenfalls vielleicht nicht stattfinden kann.
Konsequenterweise müsste nun auch das Openair 2021 bereits heute die Segel streichen, und die Olma 2021 würde ebenfalls schon jetzt abgesagt. Denn wieso bitte sollte die Unsicherheit, die sich auf Mitte Juni 2021 bezieht, Ende Juni oder im Oktober anders aussehen? Und kann jemand ernsthaft behaupten, OpenAir und Olma hätten weniger lange Vorlaufzeiten als das Kinderfest? Die Kosten für die Vorarbeiten seien tiefer?
Was als gute Begründung zur Ausblendung der Sparmassnahmen gedacht ist, wird zur Absurdität. Wenn unsere Angst vor der weiteren Entwicklung des Coronavirus die Planung von Anlässen im Sommer 2021 verunmöglicht, ist unsere Gesellschaft auf sehr lange Zeit lahmgelegt. Es weiss ja auch niemand, was 2022 so alles passiert. Vielleicht kommt dann eine mutierte Variante von Covid19? Und eigentlich ist es schon fast zu optimistisch, vom 200-Jahr-Jubiläum des St.Galler Kinderfests im Jahr 2024 zu sprechen. Wenn wir heute in zwölf Monaten für unsicher halten, warum dann nicht auch gleich heute in 48 Monaten?
Natürlich ist es letztlich vor allem eine Sparmassnahme. Das darf man auch offen sagen. Man kann es sogar für legitim halten. Es wäre zumindest viel ehrlicher, als die Coronapandemie als Vorwand zu nehmen. Diese wird die nach übereinstimmender Expertenmeinung in einer zweiten Welle vor allem eine lokal begrenzbare Geschichte bleiben. Und damit viel eher kontrollierbar.
Manchmal muss man als Gesellschaft einer Gefahr auch die Stirn bieten. Indem man konsequent und - Verzeihung für die Dramatik - furchtlos weitermacht. «Jetzt erst recht» gewissermassen. Hier gibt es stattdessen ein Einknicken vor einer derzeit rein virtuellen Gefahr. Und das ist ein Signal, das eine Stadt wie St.Gallen nicht aussenden sollte.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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