logo

Empa

Virtueller Bahnlärm – nah an der Realität

An der Empa erkunden Akustik-Fachleute seit Jahren, wie Lärm durch Personen- und Güterzüge entsteht – und welche technischen und baulichen Massnahmen dagegen besonders wirksam sind.

Die Ostschweiz am 23. September 2023

Für Anwohner von Bahnstrecken ist er oftmals lästig – und für Fachleute, die ihnen helfen möchten, eine so vielschichtige Herausforderung, dass es eigentlich einen Plural von «Bahnlärm» geben müsste. Rollgeräusche von Stahlrädern auf rauen oder glatteren Schienen, Bremstöne in unterschiedlichen Frequenzen, Motorenlärm, aerodynamische Geräusche … – das alles gedämpft oder beeinflusst von Lärmschutzwänden, Böschungen, der Beschaffenheit des Bodens unter den Gleisen und auch von der Umgebung, in der sich die Schallwellen ausbreiten.

Wie komplex diese akustischen Folgen des Schienenverkehrs sind, wissen Empa-Forschende um Gruppenleiter Reto Pieren von der Abteilung «Akustik / Lärmminderung» aus praktischer und theoretischer Erfahrung. Seit Jahren erkunden sie das Phänomen mit Messungen, Simulationen, Validierungen: Erkenntnisse, die in das zweijährige EU-Projekt «SILVARSTAR» mit vielen Partnern (siehe Infobox) mündeten. Die Resultate präsentierte Pieren nun an der Fachtagung «forum acusticum» in Turin: eine akustische Simulation von Bahnlärm unterschiedlichster Ausprägungen – hör- und erlebbar mit Hilfe von virtueller Realität.

Solche Tools für die «Auralisation» gibt es vereinzelt als Prototypen in der Forschung, doch in der Praxis von Planung und Lärmschutz sind sie bislang nicht verfügbar. Das «Komplettpaket» SILVARSTAR soll das ändern – dank des gebündelten Wissens vieler Fachleute. Während das Empa-Team, das bei der Simulation die Projektleitung innehatte, sein akustisches Expertenwissen aus zahlreichen Projekten einfliessen liess, steuerten Fachleute von der «University Southampton» und der Zürcher Firma Bandara VR GmbH wertvolles Knowhow bei, um ein nutzerfreundliches System zu entwickeln. Als Grundlage dazu diente unter anderem die verbreitete Software «Unity» für professionelle Game-Entwickler.

Viele Faktoren, noch mehr Variationen

Ziel war schliesslich ein Tool, das auch Laien nutzen können. Zum Beispiel Verkehrspolitiker, die Auswirkungen einer künftigen Bahntrasse abschätzen möchten. Wie sie solche virtuellen Vorbeifahrten erleben, zeigt beispielhaft ein Video von Vorbeifahrten, das im SILVARSTAR-Webauftritt der Empa zu finden ist: Für eine einzige Strecke lassen sich mehrere Szenarien vergleichen, zum Beispiel mit Zugtypen vom Güterzug über eine Regionalbahn bis zum ICE, mit hohen oder niedrigen Lärmschutzwänden, spezifischen Rad- und Dämpfungstypen, die ebenfalls einen hörbaren Einfluss auf den Bahnlärm haben, und vielen weiteren Faktoren. Und weil auch die Umgebung eine Rolle spielt, können Nutzer zwischen «Stadt» oder «Land» entscheiden oder eine ebenerdige oder erhöhte Position wählen, etwa auf einem Balkon.

Hinter diesen Möglichkeiten stecken komplexe Algorithmen in einem physik-basierten Rechenmodell, das akustische Signale nicht aus archivierten Tondateien erzeugt, sondern allesamt einzeln berechnet und erzeugt – für hunderte Geräuschquellen und Einflussfaktoren, je nach Komplexität des Szenarios. Das stellte das Empa-Team auch vor Herausforderungen. Die grosse Vielfalt von Einflüssen ermöglicht zwar realitätsnahe Simulationen. Doch sie erforderte zugleich, das Geflecht der Algorithmen sinnvoll auf das Wesentliche zu reduzieren – auch mit Blick auf die nötige Rechenzeit: Bis zu drei Stunden benötigt ein moderner PC für eine Vorbeifahrt eines 500-Meter-Güterzugs, damit dessen Lärmemissionen unter verschiedenen Bedingungen hörbar gemacht werden können.

Positive Reaktionen bei den Vorführungen

Doch der Aufwand lohnt sich, wie die Validierung des Systems zeigte. Die Grafiken der synthetisierten Lärmverläufe liegen sehr nahe bei gemessenen Vergleichswerten und sind sogar teils deckungsgleich. Subjektive Eindrücke lieferten Vorführungen an Verkehrstechnik-Messen wie der «InnoTrans» im vergangenen Jahr in Berlin: Die Besucher attestierten der Simulation eine hohe Glaubwürdigkeit und zeigten grosses Interesse an der Anwendung des virtuellen «Bahnlärm-Spiels».

Für Interessenten ist der Download der Tools mitsamt Lizenzvereinbarung für nicht-kommerzielle Zwecke über die SILVARSTAR-Webseite der Empa möglich. «Die ersten Einsätze der Simulation beginnen bereits», sagt Empa-Forscher Reto Pieren, «wir sind mit den Resultaten sehr zufrieden und erwarten für die Zukunft zahlreiche Anwendungen.»

Internationales Projekt mit Förderung der EU

Das europäische Forschungsprojekt «SILVARSTAR», das gut zwei Jahre lief, wurde im Rahmen des EU-Programms «Horizon 2020» durch «Europe's Rail» gefördert. Im Projekt-Konsortium wirkten neben der Empa industrielle und akademische Partner aus fünf europäischen Ländern mit: Vibratec (Frankreich, Koordination), Wölfel Engineering (Deutschland), die «University of Southampton» (England), KU Leuven und UNIFE, die «Union des Industries Ferroviaires Européennes» (beide aus Belgien). Neben der Simulation von Bahnlärm entwickelte das Projekt ausserdem Modelle für die Erschütterungen des Untergrundes durch Zugverkehr.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Die Ostschweiz

«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund 300'000 Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG, ein Tochterunternehmen der Galledia Regionalmedien.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.