Die Initiative «Behördenlöhne vors Volk» ist gut gemeint, trifft aber die falschen. Das Geld in den Gemeinden wird anderswo verlocht.
Es ist ein reizvoller Gedanke: Das Volk soll mitreden können, wenn es um die Löhne von gewählten Behördenmitgliedern geht. Wieviel Geld der Gemeindepräsident oder die Mitglieder eines Gemeinderats erhalten, sollen die Stimmbürger via Referendum beeinflussen können. Demokratie total gewissermassen. Die Initiative «Behördenlöhne vors Volks» läuft derzeit im Kanton St.Gallen auf Stufe Unterschriftensammlung.
Als Angestellte des Volks sollten sich Behördenmitglieder nach dem Willen der Initianten punkto Lohn dem Willen der Bürger beugen - eine auf den ersten Blick logische Argumentation. Es gibt nur zwei Probleme. Erstens schafft die Vorlage die besten Voraussetzungen für reine Willkür. Und zweitens ist die Finanzlage der Gemeinden kaum beeinflusst vom Gehalt der Behörden. Da gibt es weitaus grössere Baustellen, auf welche die Initiative nicht eingeht.
Zur Willkür. Es gibt kein einziges Behördenmitglied im Kanton, das die Sympathie jedes Bürgers geniesst. Und viele Gemeindepräsidenten sind mit befreundeten und befeindeten Lagern konfrontiert. Das bringt die Aufgabe mit sich. Es wäre ein Leichtes, ein missliebiges Gemeindeoberhaupt, das sich gerade nicht abwählen lässt, wenigstens über die Lohnfrage abzustrafen. Und das auch, wenn objektiv betrachtet die geleistete Arbeit gut ist. Was die Gemeinderäte, Schulräte und so weiter angeht, haben die wenigsten Bürger zudem die leiseste Ahnung, wie hoch der effektive Aufwand ist. Da würden also Leute über einen Lohn befinden, die keinerlei Einblick in die Arbeit und die Leistung haben. In der Privatwirtschaft wäre das unvorstellbar. Bei der öffentlichen Hand soll es neu so sein? Und das in Zeiten, wo es immer schwieriger wird, überhaupt Leute für Ämter zu finden?
Und dann der zweite Punkt. Ob ein Gemeindepräsident 150'000 Franken oder 180'000 Franken verdient, ist beim näheren Hinsehen ziemlich nebensächlich. Das ist ein einzelner und in der Summe schliesslich vernachlässigbarer Posten. Das echte Problem bei Gemeinden ab einer gewissen Grösse sind die Verwaltungsgehälter. Wer je Einblick hatte in die Löhne, die teilweise für Amtsleiter gezahlt werden, wünscht sich, einen anderen Berufsweg eingeschlagen zu haben. Es sind oft Gehälter, von denen man man für vergleichbare Positionen in der Wirtschaft nur träumen kann. Dort allerdings ist das Risiko, den Job zu verlieren, viel grösser, der Druck ebenfalls, die Verantwortung meist auch. Weshalb sollte - als ein Beispiel - die Führung eines Bauamts in einer Gemeinde derart herausfordernder sein als ein Topmandat bei einer Generalunternehmung? Aber die Lohnklassen, in denen man immer schön nach oben rutscht, beurteilt nach Jahren, nicht nach Leistung, sorgen dafür, dass eine solche Position ein Volltreffer ist.
Der Ruf nach mehr Demokratie ist schön und berechtigt, aber im Lohnwesen am falschen Platz. Tür und Tor wären offen für ausgelebte Animositäten, für einen Denkzettel an der Urne. Wer nicht zufrieden ist mit seinen Volksvertretern, soll ihnen die Stimme nicht geben bei den Wahlen. Das ist Demokratie genug. Aber die Gemeindebehörden ins Gebet nehmen, was die Lohnskala für die Verwaltung angeht: Das wäre eine effiziente Aktion. Denn da gibt es noch viel Spielraum, um die Gemeindefinanzen stärker ins Lot zu bringen.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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