Knüppelhart. Seit der Finanzkrise eins hat es die CS nicht mehr so hart erwischt. Eitel Sonnenschein herrschte seither auch nicht. Aber jetzt herrscht Sturmstärke «fünf vor zwölf».
Aprilscherz? Leider nein, Banken sind humorlos. Besonders, wenn sie tief, richtig tief, ganz tief in der, nun ja, Bredouille stecken. Oder wie das ein Banker formulieren würde: «Aus heutiger Sicht könnte es sein, dass wir ein paar Sonderfaktoren in der nächsten Bilanz berücksichtigen müssten.»
Oder wie das deutsch und deutlich heisst: Mögliche Milliardenverluste hier, wahrscheinliche Milliardenverluste dort. Die Einschränkungen sind lediglich der Rechtsabteilung der Bank geschuldet, die in letzter Zeit ausserordentlich bissig ist und insbesondere hässig auf Hässig, den aufrechten Herausgeber von «Inside Paradeplatz».
Dabei hätte die Bank ganz andere Probleme. Nein, hat Probleme. Die lassen sich einfach auf den Punkt bringen: Risikomanagement unterirdisch. Anhaltend. Messen wir zunächst die Entwicklung der CS seit der Fast-Kernschmelze des Finanzsystems im Jahre 2009 in einer ebenfalls handlichen Einheit. In Rohner.
0 Rohner bedeutet: alles im grünen Bereich. 10 Rohner bedeutet: alles im roten Bereich. Nun bedeutet der Masstab Rohner auch Arbeit pro Zeiteinheit, also Leistung. Schauen wir uns da mal die Performance von Urs Rohner an. Der tritt endlich nach zehn Jahren bei der nächsten GV ab. Ausser, es gibt vorher eine ausserordentliche GV, was nicht ausgeschlossen ist.
Rohner hat 2011 sein Amt als VR-Präsident der CS angetreten. Sehr beförderlich waren dabei seine Kontakte zu reichen Ölscheichs, die mit grosszügigen Krediten der CS das damalige Schicksal der UBS ersparten. Keine Staatshilfe gebraucht, konnte die Bank trompeten. Etwas leiser, viel leiser sprach sie darüber, dass sie dafür sogenannte CoCos verwendet hatte. Zwangswandelanleihen mit Zinssätzen bis zu 10 (!) Prozent. Im Ursprungsland Japan auch als «Todesspiralen-Anleihen» bekannt.
Gut, also zehn Jahre Rohner schlugen sich in einem Niedergang des Aktienkurses der CS um sagenhafte 70 Prozent nieder. Während der Schweizer Börsenindex SMI im gleichen Zeitraum – um 70 Prozent stieg.
Das müssen wir leider mit 10 Rohner bewerten. Erwähnen wir noch kurz die Multimilliardenbusse in den USA (8 Rohner), das fehlende Krisenmanagement beim Fall Thiam (5 Rohner), den reputationsschädigenden Milliardenkredit an Mosambik, der zum Staatsbankrott des korrupten Landes führte (3 Rohner), dann müssen wir schon aufhören, den weiter als 25 geht die Skala des Messgeräts nicht.
Dessen Nadel würde sich sowieso verbiegen, wenn wir noch das aktuelle Schlamassel der Bank dazunähmen. Auch das läuft unter einem einfachen Motto: nichts, einfach nichts, einfach überhaupt nichts dazugelernt.
Sich mit einem mehr als dubiosen Hedge Fund Besitzer verbandeln; vorbestraft und immer einen heissen Reifen fahrend? Na und, mit der guten alten Leverage von 10 und mehr (Spekulationen mit Fremdgeld hebeln), also zehn eigene Einheiten und 100 geliehene in eine Wette hauen, macht doch Spass, wenn man’s kann. Also wollen wir ihm doch das Spielgeld nicht vorenthalten.
Sich in einem Vehikel engagieren, das auf die alte Masche der Verbriefung von vorher nicht handelbaren Verträgen setzt und dabei ein gewaltiges Klumpenrisiko aufbaut? Ach, das wird schon gutgehen.
Aber beides ging nicht gut, beides explodiert fast gleichzeitig. Der australische Lieferantenkettenfinanzierer Greenshill ist zahlungsunfähig. Der Archegos Hedge Fund ist zahlungsunfähig. In beiden Fällen stehen im worst case Milliarden im Feuer. Ingesamt schätzungsweise 7.
Das kann die CS – man denke an die Performance der letzten zehn Rohnerjahre – nicht im Ansatz selber stemmen. Also ist guter Rat teuer? Allerdings; schlechter ist es ebenfalls, denn in den letzten zehn Jahren gab es nur einen immergleichen Gewinner. Rohner kassierte für seine gescheiterten Bemühungen insgesamt rund 44 Millionen Franken.
Aber kurz vor seinem Abgang droht sogar der Abgrund. Oder zumindest die schwerste Krise seit Gründung der Bank. Denn es liegt vieles gleichzeitig im Argen. Diese beiden Fälle zeigen ein völliges Versagen des Risikomanagements. Solche Fehleinschätzungen der Gefahrenquellen von Investments dürfen nicht passieren.
Aber das ist längst nicht alles. Laut «Financial Times», die eigentlich immer recht hat, kam beim Hedge Fund noch weiteres Versagen dazu. Denn die CS scheint immerhin früh gemerkt zu haben, dass es bei Archegos im Gebälk kracht. Also begann sie, vorsichtig in Häppchen ihr Engagement abzubauen.
Das liess andere Banken aufmerken, und angeführt von den immer noch Cleversten im Markt, Goldman Sachs, warfen die geballt ihre Beteiligungen ab. Das minimierte deren Verluste, erwischte die CS aber auf dem falschen Fuss; als last man standing wird sie wohl einen Milliardenverlust einfahren. So wie bei Greenshill, so bei den üblichen Bussen und Schadenersatzzahlungen für vergangene Sünden.
Wie Hässig richtig schreibt (https://insideparadeplatz.ch/2021/03/31/gottstein-weg-warner-weg-wen-hat-cs-noch/), muss dieser GAU zu Köpferollen führen. Er zählt natürlich den CEO Thomas Gottstein auf. Obwohl nicht für die Wurzeln des aktuellen Grauens verantwortlich, hat er die Oberverantwortung. Kann zum Trost einen Schluck «Kopf ab»-Bier trinken. Begleitet von Risiko-Chefin Lara Warner und dem Leiter Investmentbanking Brian Chin, der sich peinlich von den Ami-Banken ausspielen liess.
Weg ist weg, aber wer kommt? Solche Entscheide sind in Krisenmomenten vom VR zu fällen, und zwar rasant. Nur scheint es so, dass der – wie es sich in Finanzhäusern gehört – sich mehr und zuvorderst mit CMS beschäftigt. Nein, damit ist nicht ein Management-Programm gemeint, sondern «cover my ass». Den eigenen Hintern schützen, denn dummerweise gibt es ja seit einiger Zeit Haftbarkeitsregeln für Verwaltungsräte. Das Problem ist diesen hochbezahlten Nulpen natürlich wichtiger als die Zukunft der Bank.
Ganz abgesehen davon: Wer wollte sich das denn antun? Ein weiteres Alarmzeichen: Schon vor dem neusten Sturz der CS-Aktie an der Börse war die Bank so niedrig bewertet, dass ihre Einzelteile zusammengezählt mehr inneren Wert aufwiesen.
Das ist immer ein klares Zeichen dafür, dass der Markt der Gesamtführung nicht vertraut. Es kann also durchaus sein, dass die CS zerschlagen und in Einzelteilen verkauft wird. Es kann auch sein, dass es ihr gelingt, nochmals genügend Kapital aufzutreiben, um die drohenden Riesenlöcher zu stopfen.
Es kann weiter sein, dass sie diesmal beim Bund zu Kreuze kriecht; nach der Devise: die UBS durfte auch, jetzt sind wir dran. Es kann letztlich sein, dass einfach so lange wie möglich weitergewurstelt wird. Nach dem bewährten Motto: Das ist alternativlos. Alles andere wäre noch schlimmer.
Aber eben, die Zukunft ist tatsächlich unvorhersehbar, wie die CS gerade mal wieder bitter erfahren musste.
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