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Kemaro

Von «Grünschnäbeln» zu Vollprofis

Drei Thurgauer bringen eine Weltneuheit hervor. Und zwar in der Reinigungsbranche. Was man im Haushalt schon lange kennt, soll auch in der Industrie salonfähig werden: Ein Roboter, der für Sauberkeit sorgt.

Manuela Bruhin am 25. Februar 2020

Bei diesem Beitrag handelt es sich um eine ergänzende Information zu einem im Printmagazin «Die Ostschweiz» publizierten Artikel. Das Magazin kann via abo@dieostschweiz.ch bestellt werden.

Der industrielle Reinigungsroboter schafft das, woran bereits viele gescheitert sind. Das Gerät muss nämlich nicht auf einen spezifischen Raum eingelernt werden. Wie den Kemaro-Gründern Armin Koller, Thomas Oberholzer und Martin Gadient das geglückt ist, warum sie dennoch mit vielen Herausforderungen zu kämpfen hatten und wie es ihnen gelang, Investoren ins Boot zu holen, erklären sie im Interview.

Vor rund drei Jahren haben Sie Kemaro zusammen gegründet. War es schon immer ein Traum von Ihnen, sich selbstständig zu machen?

Wir Gründer kennen uns schon viele Jahre und haben zuvor bei einem grossen Ingenieurbüro für Produktentwicklung gearbeitet. Die Projekte waren stets spannend. Doch der Traum, ein eigenes Produkt zu entwickeln, wurde immer bedeutender. Als wir die Vision der autonomen Kehrmaschine für die industrielle Reinigung hatten, waren wir so sehr davon überzeugt, dass wir unsere Jobs als Entwicklungs-Ingenieure an den Nagel hängten und KEMARO gründeten.

Ein mutiger Schritt. Wie ging es danach weiter?

Sehr spannend und lehrreich! Wir haben sehr viel Zeit in die Produkt- und Firmenentwicklung gesteckt. Und dabei drei Jahre auf viel Freizeit und Luxus verzichtet. Der Kunde stand immer im Fokus unserer Überlegungen. Die Anforderungen haben wir mit Marktumfragen spezifiziert: «Was müsste der Roboter können? Was wären die Bedürfnisse an unser Produkt?». Die Reinigungsbranche kannten wir nicht, was Fluch und Segen gleichzeitig war.

Weshalb?

Fluch deshalb, weil wir uns tief in das Thema Reinigen einarbeiten mussten. Ein Segen war es hingegen, weil wir als Grünschnäbel viele klassische Reinigungsprodukte hinterfragt und Herausforderungen anders gelöst haben. Dank dem direkten Kontakt zu potentiellen Kunden erfuhren wir viel über die Probleme der herkömmlichen Reinigung. Nach zwei Jahren Entwicklung haben wir die erste Serie von Robotern verkauft, an Kunden wie Coop, Landi und weitere «klingende Namen», ebenfalls in Deutschland und Österreich. Im Kundendialog haben wir nochmals viel dazugelernt und ihre Wünsche direkt in das Produkt 2.0 eingebracht. Im Herbst 2019 holten wir unsere ersten Investoren an Bord und haben nun finanzielle Mittel, um den KEMARO-800 fit für grössere Serien zu machen.

Nassreinigungsroboter gibt es viele, sie haben jedoch andere Ansätze gewählt. Mit dem Roboter lassen sich Hallen bis 10'000 Quadratmeter reinigen. Besteht in der Grösse zugleich auch die grösste Herausforderung?

Hallengrösse und spezifische Anforderungen von Industriebetrieben waren bei der Entwicklung des Produktes sehr herausfordernd. Das Wissen um die Lösung dieser Probleme ist heute unser Kapital, und ein nicht zu unterschätzender Marktvorsprung. Nebst des Reinigungsverfahrens haben wir auch in der Navigations-Software andere Ansätze gewählt. Unser Roboter ist weltweit der einzige industrielle Reinigungsroboter, der nicht auf einen spezifischen Raum eingelernt werden muss! Nassreinigungs-Roboter beispielsweise müssen zuerst mit einer Karte oder einem Teach-In Verfahren auf den jeweiligen Raum eingelernt werden. Erst danach kann dieser mit der Reinigung beginnen.

Mit welchen Folgen?

Ändert sich der Raum zu stark, weil beispielsweise Paletten entfernt wurden, verlieren diese Roboter die Orientierung und können nicht mehr weiter putzen. Für den Anwender ist das vor allem im Lagerbereich völlig unpraktisch und erfordert einen hohen Betreuungsaufwand von geschultem Fachpersonal. Mit unserem KEMARO-800 haben wir den «Plug and Play» Ansatz realisiert. Der Roboter startet per Knopfdruck oder Zeitprogrammierung und los geht’s mit der Reinigung. Die Programmierungsstunden des Technikers entfallen, unser KEMARO-800 lernt autonom. Ist die Fläche geputzt, erhält der Benutzer einen Rapport der gereinigten Flächen – bis zu 10'000 Quadratmeter. Sobald der Akku leer ist, geht der Roboter automatisch zurück an die Ladestation.

Die Umsetzung bei dieser Grösse gestaltet sich also als Herausforderung. Gerade Produktionshallen haben ja viele Hindernisse.

Der KEMARO-800 kartiert den Raum kontinuierlich. Dabei werden Hindernisse mit neusten 3D-Sensoren erfasst und in der Karte aktualisiert. Der Roboter bekommt damit ein präzises Bild der Umgebung. Da bei der Entwicklung des KEMARO-800 bewusst auf die geringe Höhe geachtet wurde, reinigt er auch dort, wo der Mensch nur sehr schwer hinkommt, zum Beispiel unterhalb von Förder- oder Produktionsanlagen. Mittels Sensorinformationen entscheidet der Roboter selber, ob er enge Passagen meistern und diese reinigen kann.

Wie sieht es im Hinblick auf die Kosten aus?

Unsere Marktanalyse zeigte, dass die konventionelle Reinigung eines Quadratmeters Lagerfläche etwa fünf Franken pro Jahr kostet. Mit unserem KEMARO-800 können diese Kosten mindestens halbiert werden. Man kann selber ausrechnen, was das für grosse Logistikhallen bedeutet. Der Kaufpreis unseres Roboters ist in den allermeisten Fällen in weniger als einem Jahr amortisiert. Einer unserer Kunden amortisierte den KEMARO-800 in wenigen Wochen, weil er seit der Inbetriebnahme seine Produktionsanlage für die Reinigung nicht mehr abstellen muss.

Sie sagten einmal, dass es Expansionspläne für die EU und USA gibt.

Wir sind in Gesprächen mit Vertriebspartnern und treiben so die geografische Expansion voran. Aufgrund der vielen Anfragen und dem grossen Potential legen wir unseren Fokus vorerst auf den DACH-Raum. Täglich bekommen wir Anfragen aus Deutschland, was uns sehr zuversichtlich stimmt – für die Expansion und die Zukunft.

Welches sind also die weiteren Pläne und Ziele, welche anstehen?

Ab Sommer 2020 geht die nächste Robotergeneration in Produktion, und die Expansion mit den Vertriebspartnern beginnt. Zudem erweitern wir unser Team kontinuierlich, um noch schneller und kundenfokussierter zu entwickeln. Und schliesslich ist die Finanzierung bei uns als Start-up omnipräsent. Die Industrialisierung der Produktion und die angestrebte rasche Expansion verlangt weiteres Kapital. Daher sind wir weiterhin auf Investorensuche. Potentielle Investoren können gerne auf einen Kaffee vorbeikommen.

Armin Koller, Thomas Oberholzer und Martin Gadient haben im Sommer 2016 das Start-Up KEMARO mit der Idee gegründet, eine vollautonome Kehrmaschine, den KEMARO-800, zu entwickeln. Im Sommer 2018 zog es sie in eine klassische «Startup-Garage» in einem alten Industriegebäude in Eschlikon. Einige Monate später wurde der erste Roboter ausgeliefert – ein Meilenstein in der Firmengeschichte. Bis heute hat die Nachfrage für den autonomen Putzroboter stark zugenommen, vor allem aus Deutschland. Bis März 2020 wird das Unternehmen auf sieben Mitarbeiter aufstocken und das erste «richtige» Büro beziehen.

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Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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