Der Impfausweis.
Was in einem eher ärmlichen asiatischen Land möglich ist, daran scheitert die Schweiz, scheitert Europa. Am guten Organisieren der Impfung.
Natürlich, es ist ein Augenzeugenbericht. Der keinerlei Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt. Der aber doch beeindruckend ist.
Er stammt zudem aus vertrauenswürdiger Quelle. Von einem Schweizer, der seit fast 20 Jahren in Laos lebt. Sich also mit Land und Leuten, mit den Gebräuchen und mit den Merkwürdigkeiten dieses formal sozialistischen Landes auskennt. Das auf der politischen Landkarte meistens hinter Kambodscha oder Vietnam oder Burma verschwindet. Oder hinter Thailand.
Ob man den (sehr, sehr niedrigen) offiziellen Zahlen über die Verbreitung der Pandemie trauen kann (49 Infizierte, 0 Tote) oder nicht, sei dahingestellt. Aber dieser Schilderung eines perfekten Ablaufs kann man trauen, weil es weder ein erfundener, noch ein anonymer Zeuge berichtet.
Erster Schritt: einfache Registrierung für einen Termin:
Kinderleicht. Nur grundlegende Angaben, Name, Alter, irgendein amtliches Dokument zur Identifizierung. Damit kann man unter den offenen Zeitslots auswählen. Nein, nicht etwa «in drei Monaten den ganzen Tag freihalten, bitte».
Sondern zeitnah, wie man so schön sagt. Am 2. April, ohne Scherz, wurde vom in Laos lebenden Schweizer der Zeitslot 12.00 bis 12.30 Uhr benützt. Wie er seine Registrierung belegt? Na, Screenshot der Anmeldebestätigung, einfach.
Dann geht das laotische Wunder weiter. Keine Warteschlangen, alles wohlorganisiert, so wenig Bürokratie wie möglich; ein Pieks (in diesem Fall mit Astrazenica), kurze Ruhepause, und dann «wir sehen uns in 12 Wochen zum zweiten Termin».
Der Impfausweis.
Natürlich. Laos ist ein armes Land, deshalb hat es internationale Organisationen um Hilfe gebeten – und sie erhalten. Laos ist ein Land ohne Berührungsängste. Also verimpft es auch Sputnik V aus Russland. Oder Impfstoff aus China. Aber vor allem ist Laos ein Entwicklungsland. Ähnliche Bevölkerungszahl wie die Schweiz, aber: BIP der Eidgenossen, 703 Mia. $. BIP Laos: 18,2 Milliarden. Von 600 hochbezahlten Sesselfurzern im BAG ganz zu schweigen.
In Kerneuropa tut man so, als sei man kein Entwicklungsland. Lassen wir den sonst so organisationsfähigen Deutschen mal weg, der hier ein geradezu anarchistisches Chaosstück aufführt, mit Mutti Merkel in der Hauptrolle.
Bleiben wir doch in der Schweiz. Auch auf die Gefahr hin, dafür von obrigkeitshörigen Flachdenkern mit absurden Schimpfwörtern belegt zu werden: Im Vergleich zu Laos ist bislang alles, aber restlos alles, was die Schweiz aufführt, von einer bodenlosen Inkompetenz geprägt.
Kakophonie, fehlende Impfstoffe, ständige Veränderungen beim Impfplan, möglicherweise sogar der fahrlässige Verzicht auf den Aufbau einer eigenen Produktionslinie, Vorbehalte wie aus den Zeiten des Kalten Kriegs gegen einen russischen Impfstoff, Naserümpfen über einen kubanischen Impfstoff, erschrecktes Zuschauen, wie in Deutschland der englisch-schwedische Impfstoff Astrazenica schlechtgeredet wird. Nur für U-65 geeignet. Nein, sorry, nur für Ü-65 geeignet. Hm, vielleicht die zweite Impfung mit einem anderen Stoff. Auf jeden Fall mal Stopp. Dann Go, dann Stotterbremse.
Das braucht es in der Schweiz gar nicht. Zu knausrige Bestellungen, zu lahmarschig-bürokratische Organisation der Impfung, ein Trauerspiel im Trauerspiel. Und all das nach der ersten Welle («wir haben gelernt»), der zweiten Welle («wir haben gelernt») und vor der dritten Welle («wir sagen einfach, wir hätten gelernt»).
Übrigens, Laos empfängt seit einem Jahr keine Touristen, im Fall. Natürlich läuft die Impfung nicht immer und überall so schlank und schnell ab wie in Vientiane, der laotischen Hauptstadt. Aber alles ist relativ; und in Relation zur Schweiz ...
Der geimpfte Schweizer Hansjörg K. (Name der Redaktion bekannt).
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