Die ehemalige Bundesrätin Doris Leuthard steht bald im Dienst des Thurgauer Unternehmens Stadler. Der Ausserrhoder Ständerat Andrea Caroni hält das nicht für ganz unproblematisch. Auch wenn rein rechtlich alles korrekt verlaufen ist.
Bis vor einem Jahr war sie Bundesrätin, nun ist sie in erster Linie Verwaltungsrätin, zum Beispiel bei Coop und Bell - und nun eben auch am Schienenfahrzeugbauer Stadler. Jedenfalls bald. Entscheiden wird das die Generalversammlung Ende April 2020, aber das dürfte eine reine Formsache sein. Denn für das Thurgauer Unternehmen ist Leuthard ein Glücksfall. Von 2010 bis 2018 war sie Infrastrukturministerin und hat damit nicht nur Erfahrung und Knowhow rund um Verkehrsfragen, sondern vor allem auch ein konkurrenzloses Netzwerk, von dem Stadler profitieren kann.
Rein formal ist hier alles korrekt abgelaufen. Seit 2015 gibt es eine Regelung, welche gewisse Grenzen setzt, was die Karriere von Ex-Bundesräten angeht. Sie haben eine sogenannte Karenzfrist von einem Jahr einzuhalten, vorher dürfen sie keine bezahlten Mandate annehmen, die in einem engen Bezug zu den Bereichen ihres Departementes stehen. Zu dieser Regelung hat wohl vor allem der Fall von Moritz Leuenberger geführt. Dieser hatte wenige Wochen nach seinem Rücktritt ein Mandat als VR beim Baukonzern Implenia angenommen. Da er als Vorgänger von Leuthard auch mit Baufragen zu tun gehabt hatte, schien das einigen Leuten problematisch.
Doris Leuthard wiederum hat die Karenzfrist brav eingehalten. Die ist aber mit einem Jahr sehr kurz. Der Ausserrhoder Ständerat Andrea Caroni äusserte sich in einem Beitrag auf «Tele Züri» entsprechend kritisch. Er sagt dort:
«Wenn jemand so schnell nach dem Ausscheiden aus dem Bundesrat in ein Unternehmen geht, das so nahe am alten Departement liegt, stellt man sich automatisch – gewollt oder ungewollt – die Frage, wie unabhängig sie noch politisieren konnte gegenüber dieser Branche, diesem Unternehmen, als sie vielleicht bereits spürte, wohin die Reise gehen könnte.»
Der - unausgesprochene - Vorwurf: Bundesratsmitglieder könnten, mit einem potenziellen Mandat im Auge, schon während ihrer aktiven Zeit in gewissen Fragen im Sinn ihres späteren Auftraggebers handeln. Natürlich kann man diesen Vorwurf im konkreten Fall nicht einfach aussprechen, er schwelt aber im Raum. Bei Mandaten wie bei Coop stellt sich die Frage nicht, da es sich um eine Branche handelt, mit der Leuthard zumindest nicht direkt zu tun hatte. Geht es um einen Anbieter im Bereich öffentlicher Verkehr, sieht es anders aus.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.