Stefan Müller
Verdichtete Bauweise nach innen: So heisst die Bauform der Zukunft. Grosse Häuser mit viel Umschwung gehören demnach der Vergangenheit an. Wer dennoch nicht auf die eigenen vier Wände verzichten möchte, findet vielleicht in den so genannten «Tiny»-Häusern die Lösung.
Ein solches «Miniaturhaus» verkauft die S. Müller Holzbau AG mit Sitz in Wil aktuell in Bazenheid. Im Gespräch mit Inhaber Stefan Müller.
Stefan Müller, in Bazenheid steht ein Tiny House. Wie gestaltet sich das Interesse und die Nachfrage in der Ostschweiz?
Die Wohnform «Tiny House» ist in aller Munde und wird als grosse Chance für zukünftiges Wohnen betitelt. In der Realität ist es jedoch so, dass der Schweizer auf nichts verzichten möchte. Neben dem grosszügigen Wohnraum möchte er vor allem auch grosse Abstellräume und am liebsten eine Garage für mindestens drei Fahrzeuge. Mit dem Tiny House wird man einer derzeit noch kleinen Interessensgruppe gerecht – und für diese sollte das Haus kaum etwas kosten. Das Interesse ist grundsätzlich da, das Objekt in Bazenheid gefällt auch vielen sehr gut. Die Anlagekosten für das schön designte und sehr gut ausgestattete Haus scheint für die meisten jedoch zu hoch.
Es wurde auch schon als «Leuchtturmprojekt» betitelt. Das alles tönt nach hohen Ansprüchen und Anforderungen. Vielleicht zu hoch, wenn man die tatsächliche Umsetzung und Kaufabsichten betrachtet?
Das Tiny House wurde durch junge kreative Architekturstudentinnen der Berner Fachhochschule in einem Architekturatelier entwickelt. Gebaut wurde das Haus in nur wenigen Tagen an der Messe Holz in Basel, als Aushängeschild für die Leistungsfähigkeit und Innovation der gesamten Holzbaubranche, im Namen des Branchenverbands Holzbau Schweiz. Gerade dadurch wurden ausschliesslich sehr hochwertige und insbesondere fast 100 Prozent Schweizer Produkte verbaut. Ausbaustandards wie die Photovoltaikanlage, die App-gesteuerte Homeautomation oder der neu entwickelte Holzofen mit Schwerkraftabbrandregelung übertreffen vielleicht die Wünsche eines Tiny-House-Bewohners.
Stefan Müller
Ist das der Hauptgrund, weshalb die Nachfrage oder die tatsächliche Umsetzung nicht grösser werden?
Unter einem Tiny House stellt man sich ein sehr günstiges, mobiles Haus auf Rädern vor. Wenn es nicht gerade wie ein Wohnwagen konzipiert ist, ist die Umsetzung in der Schweiz verkehrs-, respektiv baurechtlich schon nicht möglich. Wenn das Haus einen fixen Platz bekommt, fallen die grossen Kosten spätestens beim Bauland, der Erschliessung und den Gebühren an. Beim Projekt in Bazenheid machen diese Kosten mehr als einen Drittel der Anlagekosten aus.
Für 72 Quadratmeter Wohnfläche bezahlt man 660'000 Franken. Für einige dürfte das ernüchternd sein.
Das Tiny House in Bazenheid kostet inklusive Bauland sogar 720'000 Franken. Für die einen ist dies viel, für andere wieder wenig. Vergleicht man den Preis mit gut ausgebauten Eigentumswohnungen in der Region, bekommt man fürs Geld ein wahres Schmuckstück in schöner Umgebung und mit grosszügigem Garten.
Die Wohnform ist jedoch nicht für alle passend.
Gut geeignet wäre die Wohnform sicherlich für junge Leute. Die haben jedoch meist das Geld für die Umsetzung nicht. Singles und kinderlose Paare haben dann meist etwas mehr Budget – möchten sich dann aber eher etwas Grösseres leisten, vor allem müssen dann auch alle Hobbygeräte den richtigen Platz finden. Für ältere Menschen ist ein Tiny House meist zu eng und zu umständlich.
Die Abnehmergruppe ist also relativ klein. Wo liegen die grossen Chancen von Tiny Häusern?
Die grössten Chancen sehe ich in der Ausnutzung von kleinen Restparzellen, als Nebenbauten auf grossen teilüberbauten Grundstücken, im Baurecht für zeitlich begrenzte Nutzungen und vor allem auch als Ferienhäuser oder als luxuriösen fixe «Wohnwagen».
Tiny Häuser stehen für Nachhaltigkeit. Dennoch ist und bleibt es schlussendlich ein Haus, was für Kritiker nicht nachhaltig genug ist.
Fast ausschliesslich mit Schweizer Produkten und vor allem mit Schweizer Holz und in hohem Energiestandard gebaut, ist das Haus bezüglich Nachhaltigkeit sehr gut konzipiert. Dem Haus wurde nicht nur das Label «Schweizer Holz» verliehen, sondern auch ein CO2-Zertifakt der CO2 Bank. Mit dem verbauten Holz haben wir insgesamt 26 Tonnen Co2 gespeichert. Beheizt wird das Haus mit einem effizienten Holzspeicherofen und die integrierte Photovoltaikanlage produziert mehr Strom, als in der Nutzung gebraucht wird.
Welche Hindernisse müssten überwunden werden, damit die Wohnform diejenige der Zukunft wird?
Solange die Schweizer so vermögend sind, und ich hoffe, dies bleibt so, wird kaum ein Run auf die Tiny Häuser aufkommen. Nicht die Hindernisse sind das Problem, sondern es ist vielmehr die Frage, ob die Nachfrage da ist.
Inwieweit spielt Ihnen Corona in die Karten, wenn es um solche Projekte geht?
Im Thema Tiny House hat sich durch Corona nicht gross etwas verändert. Wir spüren eher, dass die Leute zuhause mehr Wohnraum und Luxus möchten. Es entstehen aktuell viele Anbauten, Aufstockungen, Wellness-Oasen und schöne Gärten. Vielen von uns geht es doch noch sehr gut.
Wie geht es für Sie weiter? Werden weitere solche Projekte realisiert?
Wir werden das Thema sicherlich weiterverfolgen, weitere einzelne Projekte realisieren, dies jedoch nicht aktiv als Hauptfokus pushen. Wir sind aber davon überzeugt, dass wir mit unserem ökologischen, CO2-neutralen und regionalen Baustoff Holz auf dem richtigen Weg sind, um schöne und nachhaltige Wohn- und Gewerbebauten aus Holz zu entwickeln und zu realisieren.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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