Die beinahe leeren Gassen Spaniens.
Für einmal ist Spanien alles andere als locker und leicht: Was die Corona-Massnahmen betrifft, zeigen sich die Südländer streng. Dies hat die Ostschweizerin Brigitte Schläpfer am eigenen Leib zu spüren bekommen.
Es war der 19. März, der Brigitte Schläpfer auch heute noch, rund zwei Monate später, lebhaft in Erinnerung geblieben ist. Am besagten Datum war es nämlich, dass sie einen der letzten Flugverbindungen von Zürich nach Spanien erwischte. Die Auswanderin ist jedes Jahr für einige Monate in ihrer alten Heimat zu Besuch. Eigentlich war es der Plan, dass sie bereits einige Tage zuvor die Rückreise nach Spanien antrat. «Leider wurde ich dann krank. Ob es Corona war oder eine normale Grippe, weiss ich nicht», sagt die TCM-Therapeutin, die mittlerweile, zusammen mit ihrer Familie, das kleine Landhotel Olivetum Colina mit eigenem Olivenhain in Montoro, in der Provinz Cordoba, betreibt.
Beim Abflug in der Schweiz merkte sie keinen grossen Unterschied zu «Nicht-Corona-Zeiten». «Klar, es waren viel weniger Leute anzutreffen. Aber weder Flugzeugpersonal noch die Mitarbeiter des Flughafens hatten Masken oder Desinfektionsmittel», so Schläpfer. Angekommen in Spanien sah die Situation deutlich anders aus. Dort herrschte seit geraumer Zeit eine totale Ausgangssperre. Will heissen: Die Leute durften ihr Zuhause nur verlassen, um einzukaufen, die Apotheke oder das Spital aufzusuchen. Falls sie unterwegs waren, dann war lediglich eine Person pro Haushalt erlaubt. «Als ich am Flughafen angekommen bin, waren überall Desinfektionsständer, Personal mit Masken und Polizisten mit Handschuhen», erinnert sich Schläpfer. Auch ein Taxi war sehr schwierig zu finden.
Die beinahe leeren Gassen Spaniens.
Die nächsten Wochen verbrachte sie schliesslich Zuhause, mit zwei ihrer drei Kindern und ihrem Mann. Hotelbuchungen, die gerade im Frühjahr bei der Familie Schläpfer zuhauf eingegangen waren, mussten gestrichen werden. «Uns trifft es emotional schon hart, freuen wir uns doch immer wieder auf den Saisonstart im Frühling. Zum Glück haben wir aber relativ tiefe Fixkosten», fasst es Schläpfer zusammen. Deutlich angespannter sei die Situation bei vielen Hotels, Bars und Restaurants in den Städten. Auch wenn die Beschränkungen seit Beginn nun ein wenig gelockert wurden – einige Betreibe durften aufmachen, die Spanier dürfen wieder vor die Türe gehen – sind die Strassen nach wie vor praktisch leer gefegt. «Es ist beinahe gespenstisch still im Gegensatz zu sonst, wo sich das gesamte Leben draussen abspielt», so Schläpfer. Die Spanier halten sich akkurat an die Verordnungen der Behörden, man akzeptiere die Situation. Auch mit dem Hintergrund, dass die Angestellten keine Staatshilfe erhalten würden. Kurzarbeit oder ähnliches wie in der Schweiz kenne man hierzulande nicht.
Nach wie vor hofft die Familie Schläpfer, dass der Sommertourismus statt finden könne – auch wenn in anderen Ausmassen. «Der Massentourismus muss nicht sein, ob mit oder ohne Corona», erklärt Schläpfer. Wenn sie dabei beispielsweise an die riesigen Kreuzfahrtschiffe denke, die einige Tausend Touristen an die Hotspots bringe, wäre es wünschenswert, dass die jetzige Krise ein Umdenken mit sich bringen würde. Schläpfer: «Ich hoffe, wir können solche Denkanstösse aus der Pandemie mitnehmen. Wir habe aufgrund er grossen Hitze im Juli/August sowieso geschlossen, hoffen aber, dass wir am 1. September unser kleines Landhotel Olivetum Colina wieder eröffnen können. Gerade unsere Art von Tourismus wird in Zukunft bestimmt vermehrt nachgefragt: nachhaltig, naturverbunden und individuell.»
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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