Rund 100 Millionen Franken hat sich der Bund seine Impfwoche kosten lassen. Mit dem Resultat einiger hundert neu Geimpfter. Man darf sich deshalb fragen: Hätte man das Geld allenfalls auch sinnvoller investieren können?
Die Antwort lautet: Vermutlich ja.
Nehmen wir beispielsweise die direkten Auswirkungen der Coronamassnahmen. Fachverbände haben schon vor Monaten darauf hingewiesen, dass die psychische Gesundheit der Jugendlichen darunter leidet. Es seien dringend Präventionsangebote nötig, und zwar im Umfang von – traraaaa! - 100 Millionen Franken . Damit hätte man dafür sorgen können, dass Organisationen wie das Sorgentelefon «143» und andere die Mehrbelastung stemmen können.
Aber dafür gab es leider kein Geld, weil es dringend nötig war, dass Stefanie Heinzmann vor 50 Leuten singt. Wie sollen wir sonst auch überleben?
Es wäre auch prosaischer gegangen. Wir hätten mit dem Geld beispielsweise die Unfähigkeit des Bundes bezahlen können, ein Informatikbudget für die Armee aufzustellen, nachzulesen hier. Klar, man bezahlt nicht gerne für Inkompetenz, aber wenn sie schon mal vorliegt, muss ja sowieso irgendjemand dafür berappen. Dann machen wir es lieber direkt.
Wir hätten auch, als weitere Idee, dem Kanton Graubünden unter die Arme greifen können. Wir lieben die Bündner doch alle, spätestens, wenn sie sprechen, wir verstehen zwar kein Wort, aber es klingt sexy. Und exakt 100 Millionen Franken stellte der Kanton Anfang Jahr für «Corona-Härtefälle» zur Verfügung. Keine Ahnung, wer davon profitiert hätte, aber wir geben es doch lieber diesen Leuten als Stress, Baschi und Stefanie Heinzmann. Denn das sind alles keine Bündner.
Ein anderes Beispiel. Im Jahr 2020 schütteten die SBB 100 Millionen Franken (so ein Zufall!) an ihre Kunden aus, weil ihr Jahresergebnis so toll ausgefallen war. Dafür gab es Sparbillette sowie «verbesserten Service» (was vermutlich heisst: Wir fahren auch bei Schnee!). Stellen wir uns vor, der Bund hätte die SBB berücksichtigt statt einer untauglichen Impfwoche. Vielleicht wären die SBB dann sogar in der Lage, den Fahrplan einzuhalten? Und vielleicht gäbe es nicht mehr täglich die ominösen «Stellwerkstörungen»?
Aber vielleicht denken wir zu schweizerisch, zu bünzlig, Für 100 Millionen Franken könnte sich unser Land auch ein repräsentatives Anwesen in Sydney leisten oder einen Privatjet (damit Alain Berset nicht mehr in einer schlappen Staatskarrosse in den Schwarzwald fahren muss). Weitere innovative Ideen finden sich hier.
Natürlich hätte sich dieses Geld auch gut gemacht, um unsere darbende AHV aufzupolieren. Aber wir wollen es ja nicht übertreiben. Die Sanierung der AHV ist eine elementare Staatsaufgabe. Und wir können ja nicht ernsthaft mit Geld, das in ein kaum genutztes Impfdorf im Zürcher Hauptbahnhof und kaum besuchte Konzerte von Stress fliessen soll, in echte Bedürfnisse investieren. Sonst hätten wir am Ende noch eine funktionierende Altersvorsorge. Und wer will das schon? Dann schon lieber Baschi, der eigentlich beim «Singen» immer leicht nach «Long Covid» klingt.
Da wissen wir wenigstens, was wir haben.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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