Wird der Impfschutz gegen Covid-19 von stillenden Müttern auf die Kinder übertragen? Warum die «Familie Larsson-Rosenquist Stiftung» in Frauenfeld eine Studie mit 200'000 Franken zu diesem Thema nterstützt, erklärt Geschäftsführerin Katharina Lichtner im Interview.
Die Familie Larsson-Rosenquist Stiftung mit Sitz in Frauenfeld hat sich der Förderung der wissenschaftlichen und öffentlichen Anerkennung von Muttermilch als aus Sicht der Wissenschaft bester Ernährung für Neugeborene verschrieben. Daz gehört die Förderung der wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet der Medizinaltechnik, insbesondere auf dem Gebiet der Säuglingsernährung mittels Muttermilch und Säuglingspflege. Katharina Lichtner, Geschäftsführerin der Stiftung, im Gespräch über den Zusammenhang dieser Thematik mit Corona.
Die Impfung gegen Covid-19 spaltet die Gesellschaft. Während die einen sich unbedingt so schnell wie möglich impfen lassen wollen, sind die Anderen skeptisch. Das schliesst natürlich auch Schwangere und stillende Mütter mit ein. Wie erleben Sie das in der täglichen Arbeit?
Schwangerschaft und Stillen sind sehr sensible Phasen im Leben einer Mutter, und es ist deshalb sehr verständlich, dass die COVID-19-Pandemie und die nun erhältlichen Impfungen Mütter enorm beschäftigen. Sie müssen wichtige Entscheidungen für sich selbst und für ihre Babys fällen. Als Stiftung wollen wir einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass sich keine Frau mit diesen schwierigen Entscheidungen allein gelassen fühlt. Deshalb unterstützen wir Forschungsprojekte, die nach bewährten wissenschaftlichen Methoden vorgehen und mehr Klarheit schaffen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden dabei helfen, weltweit die Unsicherheit bei Müttern auszuräumen.
Die University of California San Diego, School of Medicine, gibt eine Eilstudie in Auftrag, die die Familie Larsson-Rosenquist Stiftung (FLRS) in Frauenfeld mit einer Spende von über 200'000 US-Dollar unterstützt. Was wird dabei genau untersucht?
Stillende Mütter wurden bisher in keiner der aktuellen Studien zum SARS-CoV-2-Impfstoff berücksichtigt. Wegen dieses Mangels an zuverlässigen Daten müssen sich viele Mütter derzeit entscheiden, ob sie trotz Impfung weiter stillen wollen. Die Studie wird zwei Hypothesen überprüfen.
Welche wären das?
Erstens: Gelangen Antikörper gegen COVID-19, die die Mutter nach der Impfung entwickelt, über die Muttermilch in den Körper ihres Babys? Von anderen Infektionskrankheiten wissen wir, dass Antikörper, die so weitergegeben werden, Babys schützen. Das ist auch bei COVID-19 zu erwarten. Zweitens: Können die Spike-Proteine, die sich im Körper der Mutter nach der Impfung mit dem mRNA-Botenstoff (wie bei Pfizer-BioNTec und Moderna) bilden, und die ihr Immunsystem gegen COVID-19 aktivieren, über die Muttermilch in den Körper ihres Babys gelangen? Besteht also die Möglichkeit, dass die Mutter ihr Baby über die Muttermilch «impft» und so das Immunsystem des Babys einen eigenen Schutz gegen COVID-19 aufbauen kann?
Wie möchte man das herausfinden?
Die University of California San Diego, School of Medicine, unter der Leitung von Professor Lars Bode, hat bereits grosse Erfahrung mit der Auswertung dieser Art von Muttermilch-Proben. Sie konnte schon letztes Jahr zeigen, dass das COVID-19-Virus nicht mit der Muttermilch übertragen wird. Diese Erkenntnisse haben mit dazu beigetragen, dass die WHO ihre Richtlinien für stillende Mütter anpasste. Für die neue Studie werden spezifisch Milchproben von Müttern gesammelt, die COVID-19 hatten oder sich impfen lassen, und die weiterhin stillen. Die Proben werden auf Antikörper und Spike-Proteine hin untersucht. Danach wird untersucht, ob Babys, die nach der Impfung ihrer Mütter weiter gestillt wurden, weniger an COVID-19 erkranken als Babys, die nach der Impfung keine Muttermilch mehr erhielten. Schon über 500 Mütter haben ihre Teilnahme zugesichert.
Erste Ergebnisse werden im Frühjahr erwartet und sollen die Unsicherheiten bei Müttern aus der Welt schaffen. Wie geht es dann weiter?
Die Resultate dieser Studie werden Müttern zusätzliche Informationen für den Entscheid geben, ob sie sich gegen COVID-19 impfen lassen, während sie ihr Kind stillen. Die Ergebnisse sind auch von zentraler Bedeutung für globale Gesundheitsorganisationen, um bessere, wissenschaftlich abgestützte Empfehlungen entwickeln zu können. Der erste Teil der Studie stützt sich ab auf die heute verwendeten Impfstoffe und auf Frauen, die in San Diego leben. Im weiteren Verlauf der Untersuchung ist es dann notwendig, die Erkenntnisse auf alle Impfstoffe und auch Frauen in Entwicklungsländern auszudehnen. So erhält man möglichst breit abgestützte Daten, die alle Frauen weltweit unterstützen.
Gibt es bereits Ergebnisse für die Fälle, in welchen die Mütter bereits an Corona erkrankt sind – geben diese Antikörper über die Muttermilch weiter?
Ja, dies konnten frühere Untersuchungen nachweisen, und weitere sind im Gang, um die Vorgänge noch besser zu verstehen. Die von der FLRS unterstützte Studie will zeigen, dass diese Weitergabe von Antikörpern auch nach einer Impfung geschieht.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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