Was die Swiss geschafft hat, geschieht auch im Gesundheitswesen: Durch arbeitsplatzbezogene Covid-Vorgaben werden kritische Mitarbeitende ins Abseits gedrängt. Ein bundesgerichtliches Grundsatzurteil könnte dem jedoch Einhalt gebieten.
Aktuell ist Sommerferienzeit, eigentlich sollten Flugreisen saisonale Hochkonjunktur haben. Doch einige Urlauber mussten unfreiwillig umdisponieren, nachdem die Swiss eine Vielzahl von Flügen für den Sommer ersatzlos gestrichen und dabei akuten Personalmangel gar explizit als einen der Hauptgründe angegeben hat.
Sorry not sorry. Das Mitleid hält sich beim Autor dieser Zeilen in sehr engen Grenzen, handelt es sich bei dieser Episode doch um einen Fall offenkundigsten Selbstverschuldens, nachdem die Airline erst Ende Juni noch gegenüber der NZZ bekräftigt hat, an ihrer privatrechtlichen Impflicht für das gesamte Personal festzuhalten. Dies, obschon Einreiserestriktionen aktuell im Sommer nur an wenigen Orten weltweit ein Thema sind und sich der Grossteil der Bevölkerung wiederum über mehr Freiheit post Corona freut.
Doch im Hintergrund dürfte das juristische Seilziehen gegen die intolerante Airline laufen, die gerne im Mainstream mitschwimmt, betriebswirtschaftlich allerdings nicht besonders vorausschauend agiert. Während die Kündigung der Zusammenarbeit mit dem Schokoladenlieferanten Läderach aus LGBT-Woke-Gründen bei vielen Kunden primär ein Stirnrunzeln auslöste, trifft nun der Blowback des Impfpflicht-Entscheids diese mit Recht auch ökonomisch, mutmasslich in nicht unerheblicher Weise.
Im Vergleich hierzu hält sich der aktuelle Leidensdruck des Personals im Gesundheitswesen noch in Grenzen. Von einer Rückkehr zur Normalität kann aber auch da keine Rede sein. Nachdem die Zürcher Gesundheitsdirektion mittels Weisung die Maskenpflicht in Gesundheitsbetrieben bis Ende Mai verlängert hatte (für den Rest der Bevölkerung wurde sie bereits Mitte Februar, im öV Ende März aufgehoben), durfte das Gesundheitspersonal gerade einmal einen maskenfreien Monat geniessen. Seit Anfang Juli führten wieder diverse Spitäler und Altersheime – ohne Zutun der Gesundheitsdirektion, mithin aufgrund eigenen Betriebsentscheids – eine Maskenpflicht in all ihren Innenräumen ein. Dass die Impfung vor Ansteckung schützt, ist mittlerweile also selbst aus Sicht der pharmagläubigsten Ärzte widerlegt, wäre sonst doch die Maske obsolet.
Dies soll allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Arbeitnehmende des Gesundheitswesens bis vor Kurzem noch weitergehende Restriktionen am Arbeitsplatz zu gewärtigen hatten. Denn während der Bundesrat grundsätzlich darauf verzichtet hat, für Arbeitnehmende den Einsatz des Covid-Zertifikats anzuordnen, konkret also der Fitnesscenterbesucher oder Restaurantgast stets anders behandelt wurden als die dort arbeitenden Trainer oder Kellner, haben diverse Kantone für Angestellte des (besonders exponierten) Gesundheitswesens den Zertifikatseinsatz verordnet, womit sich einzig ungeimpfte und nicht-genesene Mitarbeitende regelmässig bzw. repetitiv einem Covid-Test unterziehen mussten. Und dies, obschon die Covid-Impfung die Weitergabe des Virus nachweislich nicht verhindert, sondern maximal die geimpfte Person selber vor einem schweren Verlauf schützt.
Während also gegenüber der jungen, in der Regel gesunden und damit kaum ernsthaft covid-gefährdeten Bevölkerung Massnahmen mit voller Härte ergriffen wurden, mussten sich in Altersheimen mit besonders vielen vulnerablen BewohnerInnen geimpfte Angestellte keinem Covid-Test unterziehen. Massive Restriktionen gegenüber der Gesamtbevölkerung einerseits, bewusste Inkaufnahme tödlicher Ansteckungen durch geimpfte Angestellte in Altersheimen mit statistisch besonders vielen Risikogruppenangehörigen andererseits. Es ist doch befremdlich, wie sehr der einseitige Fokus auf eine krampfhafte Steigerung der Impfquote die Risikowahrnehmung vieler Behörden verzerrt hat.
Egal wie man zu den Covid-Massnahmen im Allgemeinen steht: Der vorerwähnte Widerspruch ist derart unsachlich, dass er nicht unwidersprochen bleiben darf. So vertritt der Autor dieser Zeilen aktuell vor Bundesgericht zwei direktbetroffene Mitarbeitende des Gesundheitswesens in einem Verfahren, welches die Kantonszürcher Verordnung zu Massnahmen im Gesundheitswesen zum Gegenstand hat. Im Wesentlichen macht er eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Arbeitsrecht geltend, denn im Gegensatz zu Massnahmen gegenüber der Gesamtbevölkerung dürfen Weisungen mit Wirkung für den Arbeitsplatz (eigentlich) nur die Betriebssicherheit betreffen.
Konkret darf es bei Covid-Weisungen gegenüber Arbeitnehmenden nur auf die Betriebssicherheit ankommen. Also darauf, ob auch Geimpfte Dritte anstecken können oder nicht; eine gesamtgesellschaftliche Optik bzw. Wertungen des ausserdienstlichen Verhaltens („wie steht jemand persönlich zur Imfpung?“) verbietet das Arbeitsrecht, welches spezialgesetzliche Vorschriften für Arbeitnehmende aufstellt. Konkret: Allein der Umstand, dass auch Geimpfte weiterhin SARS-CoV-2 weitergeben können, lässt eine Testpflicht nur für ungeimpfte Arbeitnehmende ergo als höchst unsachlich und mithin rechtswidrig erscheinen, wie der Autor dieses Beitrags bereits im Februar dieses Jahres in einer rechtswissenschaftlichen Fachpublikation eingehend ausgeführt hat.
Bleibt zu hoffen, dass das Bundesgericht dieser Sichtweise folgt. Würde nämlich der irrationale Impfdruck auf das Gesundheitspersonal aufrechterhalten, führte dies langfristig – soweit nicht schon erfolgt – zu ähnlichen Personalabgängen wie bei der Swiss. Und fehlt das Spitalpersonal, nützt im Falle einer (echten) Krise auch eine tiefe IPS-Belegung herzlich wenig.
MLaw Artur Terekhov ist selbstständiger Rechtsvertreter in Oberengstringen ZH.
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