4 Milliarden Franken pro Jahr bringt die Schweizer Landwirtschaft ein, 20 Milliarden kostet sie uns. Diese Zahlen legt «avenir suisse», die Denkfabrik für Wirtschaft und Gesellschaft, vor. Sie fordert Reformen in der Landwirtschaft und kritisiert die grosse politische Einflussnahme dieses Sektors.
Es steckt erkennbar viel Arbeit im Zahlenmaterial, das avenir suisse nach 2018 nun in aktualisierter Form zur Schweizer Landwirtschaft vorlegt. Das Werk nennt sich «Privilegienregister», ein Begriff, der die Stossrichtung der Erhebungen bereits deutlich macht. Denn unmissverständlich teilt die Denkfabrik mit, dass aus ihrer Sicht der landwirtschaftliche Sektor zu teuer ist gemessen an seiner wirtschaftlichen Kraft, dafür über viel «politische Einflussnahme».
2018 wurde das Register erstmals publiziert. Untersucht wird die volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Bilanz der Agrarpolitik. «Diese hat sich gegenüber dem Jahr 2018 nochmals verschlechtert», schreiben die Autoren des Papiers. Die Kosten seien um 4 Prozent auf jährlich 20,7 Milliarden Franken gestiegen. Dies bei rund 4 Milliarden Ertrag aus diesem Sektor. Diese Bilanz stehe in einem Missverhältnis zur politischen Repräsentanz: «So ist kaum eine andere Lobby in Bern stärker präsent, administrativ befasst sich ein eigenes Bundesamt mit der Landwirtschaft.»
Wirtschaftlich betrachtet betrage der Anteil des Sektors an den vollzeitäquivalenten Stellen gerade einmal 2,4 Prozent, der Anteil am Bruttoinlandprodukt (BIP) sei 2018 mit 0,6 Prozent «so gering wie noch nie.» Dabei stützt sich avenir suisse auf Zahlen des Bundesamts für Statistik und kommt zum Schluss: «Die Produktivität des Sektors ist stark unterdurchschnittlich.» Weil es auch nicht quantifizierbare Kosten gebe, so die Autoren der Analyse, sei das Verhältnis von Kosten und Ertrag in der Realität noch ungünstiger.
Wie setzen sich die volkswirtschaftlichen Kosten für die Landwirtschaft zusammen? Ein grosser Posten ist der Agrarschutz mit über 3 Milliarden Franken, dazu kommen die Stützungsmassnahmen von Bund und Kantonen mit über 4 Milliarden. Im «Privilegienregister» aufgeführt ist aber neben den Urproduzenten, also den Landwirten, aber auch die restliche Wertschöpfungskette, die direkt oder indirekt gestützt wird mit Geld vom Staat. Das sind beispielsweise Händler von Saatgut, Düngern, Pflanzenschutzmitteln, landwirtschaftlichen Maschinen und so weiter.
Für die Autoren stossend, denn «dabei geht die politische Rechtfertigung der Subventionen und Vergünstigungen von 'in Nöten steckenden Bauernfamilien' aus, obschon am Ende gerade diese Familien am wenigsten vom System profitieren.» Beachtliche Teile der aufgewendeten Finanzmittel würden über die Bauern an vor- und nachgelagerte Teile der agrarwirtschaftlichen Wertschöpfungskette fliessen. Die Hauptlast der Kosten tragen laut der Analyse die Steuerzahler und Konsumenten.
Der «Think Tank» macht auch diverse Vorschläge für Reformen in der Landwirtschaft. So wird eine Grenzöffnung für Agrargüter gefordert, die Lebensmittelpreise und Grenzkontrollkosten reduzieren soll. Strukturerhaltende Transfers sollen zudem aufgegeben werden, um den Steuerzahler zu entlasten und «Ungleichbehandlung mit anderen Sektoren» abzubauen. Dies würde laut avenir suisse auch zu einer «Beschleunigung des landwirtschaftlichen Strukturwandels» führen. Und schliesslich sollen die Regulierungsdichte kleiner und die unternehmerische Freiheit grösser werden. Heute sei der Freiraum des Bauernstands als Unternehmer zu klein. Das Ziel müsse es sein, «landwirtschaftliche Unternehmer» zu haben.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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