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Zeyer zur Zeit

Wenn ein Nein ein Ja ist

Die Antwort ist nein. Was war schon wieder die Frage? Dieses Prinzip hat der Nationalrat verfolgt. Und dem Bundesrat, der Nationalbank und der Finma eine Ohrfeige verpasst. Aber nur symbolisch.

«Die Ostschweiz» Archiv am 12. April 2023

Im Ständerat hatte es noch geklappt: Die fach- und sachfremde Finanzministerin Karin Keller-Sutter appellierte eindringlich an das Verantwortungsbewusstsein der Ständeräte und verteidigte das Gemurkse mit der Credit Suisse per Notrecht.

Mit 29 gegen 6 Stimmen erklärte sich der Ständerat damit einverstanden, dass der Bundesrat beschlossen hatte, die CS in die UBS zu transplantieren und diesen Prozess mit Garantien in der Gesamthöhe von 259 Milliarden zu unterstützen.

Dann ging die Sache in den Nationalrat zur Nachtsitzung. Wieder hielt KKS ihre einstudierte Rede und erwähnte die Anekdote, dass sie bei der Finanzkrise eins vor 15 Jahren noch im «beschaulichen St. Gallen» geweilt habe. Und nun hätte sie es, kaum im Amt, mit der CS-Krise zu tun bekommen.

Der Bundesrat habe alle Optionen geprüft, behauptete KKS. Die CS in den Bankrott segeln zu lassen, sie zu verstaatlichen, sie mit Staatsmitteln zu sanieren oder aber, sie zum Verkauf an die UBS zu zwingen. Das sei dann mit Abstand die am wenigsten schlechte Lösung gewesen.

Dieser Ansicht stimmte der Nationalrat nicht zu. Mit 102 zu 71 Stimmen sagte er deutlich nein zum Monsterkredit an die CS, überhaupt zur Entscheidung des Bundesrats. Das ist nun eine gewaltige Ohrfeige für die Landesregierung. Allerdings mit rein symbolischer Wirkung.

Denn es ist ja das Fatale an der Anwendung von Notrecht, dass das jegliche parlamentarische Kontrolle oder Korrektur aushebelt. Die vom Bundesrat mit neuerlicher Berufung auf wackelige Notrecht-Artikel in der Bundesverfassung getätigten Beschlüsse, die eigentlich für Kriegszeiten oder existenzielle Bedrohungen der Schweiz gedacht sind, bleiben in Kraft, sind unantastbar.

Nicht korrigierbar, das riecht streng nach «alternativlos»; eine Vokabel, mit der in Deutschland gerne hantiert wird, um Beschlüsse der Regierung zu legitimieren. Dabei ist beides, Notrecht und Alternativlosigkeit, ein Unding in demokratischen Gesellschaften.

«Am Banken-Deal ändert sich nichts», knirscht die staatstragende NZZ, die zuvor noch optimistisch verkündete, dass «allgemein» von einem Ja zu den Notrechtbeschlüssen ausgegangen werde.

Die Debatte in beiden Kammern glich in weiten Teilen der letzten Aktionärsversammlung der CS. Ein Aktionär nach dem anderen trat ans Rednerpult und wetterte gegen die führenden Nieten in Nadelstreifen, die die Bank gegen die Wand gefahren und dafür insgesamt Milliarden abgezügelt hatten. Aber am Schluss wurden alle Anträge des Verwaltungsrats, wenn auch mit hauchdünnen Mehrheiten, durchgewinkt. Einzig die Vergütung für die Geschäftsleitung erlitt Schiffbruch und wurde abgelehnt.

Auch das eine schallende Ohrfeige und in Schweizer GV noch nie dagewesen. Aber ein symbolischer Akt, die Pfeifen in der GL müssen deswegen nicht am Hungertuch nagen, es ist auch nicht so, dass am Schluss der Wert ihrer Tätigkeit adäquat honoriert wird: nämlich mit null. Sondern es wird sicherlich ein Schlupfloch gefunden werden.

Noch schlimmer ist es beim Nein des Nationalrats. Auch hier wurde geschimpft und kritisiert, wurden sinnvolle und sinnlose Forderungen gestellt, rhetorisch das Debakel der CS nochmals in düsteren Farben ausgemalt.

Aber hinter diesen verbalen Nebelpetarden bleiben zwei Dinge, die man unbedingt in Erinnerung behalten muss. Die SVP wollte zur Abstimmung bringen, dass der Bundesrat mit einer Gesetzesnovelle beauftragt wird, die die Aufspaltung aller sogenannten systemrelevanten Banken bewirkt. Nach dem Abgang der CS wären das noch die UBS, Raiffeisen, Postfinance und ZKB.

Denn wie die CS unter Beweis stellte: alle «too big to fail»-Bestimmungen, die mit grossem Trara nach der Finanzkrise eins diskutiert und verabschiedet wurden, sind das Papier nicht wert, auf das sie gedruckt wurden. Es ist peinlich und lächerlich, dass sie bei der nächsten Krise, für die sie vorgesehen waren, nicht einmal aus der Schublade geholt wurden.

Es ist eigentlich jedem vernünftigen Menschen klar, dass man das Problem einer übergrossen und daher zu rettenden Bank nicht damit lösen kann, dass man mit ihr eine noch grössere Bank bastelt. Wenn für die Rettung der CS sagenhafte 259 Milliarden im Feuer stehen, dann müssten es beim dreimal grösseren Übersaurier UBS dann wohl rund 800 Milliarden sein. Locker das Bruttoinlandprodukt der Schweiz.

Absurd. Stattdessen das Zurückführen auf ein Mass, das es erlaubt, dass auch Banken das tun können, was allen Unternehmen passieren kann: sie gehen bankrott, werden abgewickelt und Ende. Allerdings: die SP stimmten diesem Vorschlag zunächst zu, besann sich dann eines Schlechteren, stellte Rückkommensantrag und versenkte ihn. Ein unvorstellbares parteipolitisches Wendemanöver, angeführt von der Schnellschwätzerin Jacqueline Badran, die sich so viel auf ihr angeblich vorhandenes finanztechnisches Wissen einbildet.

Die zweite bittere Wahrheit ist, dass sich der Freisinn, symbolisiert in einer überforderten und sachfremden Finanzministerin KKS, in dieser Krise selbst zerlegt hat. Von ihm kam nur Geeiertes, Unklares, Untaugliches. Während der Mitte-Präsident Gerhard Pfister zwar eine falsche, aber eine klare Linie hat: Der Notrecht-Rettung sei zuzustimmen.

Beim Blick in die Zukunft muss es dem Eidgenossen mulmig werden. Wenn der Übersaurier UBS, der für seinen offenbar grössenwahnsinnigen neuen CEO noch viel zu klein ist, ins Wanken gerät, was ja nicht das erste Mal wäre: was wird dann geschehen? Das letzte Mal ist lediglich 15 Jahre her, die UBS selbst gibt es erst seit 1998.

Nur zehn Jahre nach ihrer Gründung war die Bank bereits kurz vor dem Ende. Nur eine Notrettung, eine künstliche Beatmung mit Staatsmilliarden verhinderte das. Ob sie lediglich 15 Jahre nach dieser Nahtoderfahrung die CS wirklich absorbieren und verdauen kann?

Und wenn sie wieder aus eigenem Verschulden in Schieflage gerät, was dann? Wieder Notrecht? Wieder ein überforderter Bundesrat? Wieder eine unfähige Finanzmarktaufsicht? Wieder ein willfähriger Nationalbankpräsident, der es eigentlich besser wissen müsste?

Wieder demokratisch nicht legitimierte Entscheidungen, zu denen weder der Stimmbürger, noch das Parlament etwas zu sagen haben? Oder würde dann neu hinter der Bankenkrise eine Staatskrise drohen? Hinter einer möglichen Pleite der Überbank UBS ein Staatsbankrott?

Sind das zu dunkle Unkenrufe? Leider nicht, bei dem Führungspersonal in Bund und Bank ...

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