Soziale Medien zeigen eine heile Welt. Hier setzt das Format «9:16 House» an und greift Probleme auf. Die Reichweite verpflichte, sagt weCreate Founder und CEO Adil Sbai. Seine Agentur managt unter anderem Kris, einen der grössten Schweizer TikToker.
Bilder: weCreate
Du managst viele erfolgreiche TikToker. Wie viel hast du persönlich und privat mit den Sozialen Medien zu tun? Postest du ebenfalls fleissig?
Ich teile mein Wissen und meine Erfahrungen zu meiner Arbeit als Agenturgründer und Artist-Manager vor allem auf LinkedIn, wo mir knapp 10’000 Menschen folgen. Auf der Plattform fühle ich mich persönlich am wohlsten. Aber auf TikTok und Instagram gibt es von mir ab und zu «Behind the Scenes» von Drehs mit unseren Kunden, beispielsweise dem Europa-Park oder Mercedes-Benz, zu sehen. Spannenderen Video-Content findet ihr aber auf jeden Fall bei unseren Creators (lacht).
Wie sieht deine Arbeit genau aus?
Dadurch, dass wir als Agentur auf vier Säulen aufbauen - Datenplattform, Artist Management, Agentur, 9:16 House - gleicht sich kein Tag dem anderen. Neben dem Artist-Management von über 25 Creatorn (Anmerkung: die neue Generation an videofokussierten Influencern wird eher als «Creator» bezeichnet) mit einer Reichweite von über 90 Millionen Followern und der Zusammenarbeit mit Top-Brands wie BMW, Mercedes-Benz, beschäftige ich mich vor allem mit Netzwerken, PR, Creative - und bin natürlich auch das Gesicht unserer Brand nach aussen. Meinen eigenen Erfahrungen und Reise dokumentiere ich, so transparent es geht, via Linkedin oder eigenem Content wie der TikTok-Bibel, die 200 Seiten umfasst und kostenlos heruntergeladen werden kann. Darüber hinaus biete ich Workshops unter anderem für OMR an und verfasse regelmässig Gastartikel für renommierte Marketing-Magazine wie W&V und HORIZONT. Ich tanze also auf vielen Hochzeiten und noch macht es sehr viel Spass, weil wir coole, innovative Projekte umsetzen mit einem Team, dem ich vertraue und deren Werte sich mit denen der Creator und meinen überschneiden.
Die Konkurrenz ist riesig. Wie schafft man es, dass man einem Influencer zu mehr Bekanntheit verhilft?
Wir glauben an den Leitsatz von TikTok: «Don’t make ads, make TikToks». Der GenZ ist Glaubwürdigkeit noch viel wichtiger als den Generationen davor. Die Basis dafür ist eine Kommunikation auf Augenhöhe mit seiner Community. Perfektionismus ist weder nötig noch hilfreich auf TikTok und in der GenZ: Die Audience will realness und relaten, sprich: sich mit dem Creator identifizieren können. Auf Kritik sollte man immer empathisch reagieren und nicht zurückbashen – frei nach dem Motto «Kill them with kindness». Für unsere Artists gehen wir immer die Extrameile, da es uns extrem wichtig ist, dass sie maximal gut betreut werden. Wir unterstützen je nach Bedarf mit Creative, Produktion und PR - und das sogar themenspezifisch, beispielsweise sind wir im Fashion Segment recht gut vertreten und hatten fünf Artists auf der About You Fashion Show und aktuell vier auf der in Mailand. Unsere Artists sind das Fundament von weCreate und werden daher auch immer eine grosse Relevanz haben.
Dein neuestes Projekt ist das 9:16 Haus. Ihr wollt euch aber von anderen Reality-Formaten abheben. Weshalb ist dir das wichtig?
Unsere Philosophie ist seit der Gründung: «Reichweite verpflichtet» - genau aus diesem Grundsatz sehen wir uns in der Pflicht, mit dem Projekt mehr als nur virale Videos zu produzieren. Wir wollen mit unserer Reichweite auf die gesellschaftlichen Probleme der heutigen Zeit aufmerksam machen. Die Themen, die wir beleuchten, gehen durchaus auch mal an die Nieren – wie unsere #machdichlaut Challenge mit Victoria Jancke als Gast, die ein hartes Thema mitbrachte: häusliche und sexuelle Gewalt. Victoria wurde mit 17 Jahren vergewaltigt und ging damit an die Öffentlichkeit. Schwierige und kontroverse Themen in die GenZ tragen zu dürfen, ist eine grosse Verantwortung und Herausforderung. Es ehrt uns, dass so besondere Menschen wie Victoria Jancke, Alex Mariah Peter oder Diana zur Löwen uns und dem Format vertrauen.
Die Gratwanderung, die ihr dabei gehen müsst, ist schmal, zumal es ja um ernste Themen gehen soll.
Schauspielerin und Model Victoria Jancke brachte eine Challenge mit zum Thema häusliche Gewalt, Ikke Hüftgold eine zur Gefahr von Fakenews. Die BewohnerInnen wollen ihre Reichweite werthaltig einsetzen und ihnen wichtige Themen in ihre Communities tragen. Das gelingt uns von Woche zu Woche besser und darauf ist jeder hier stolz - auch wenn schwierige Themen in der Regel seltener und weniger viral gehen als reines Entertainment.
Welche Ziele verfolgt ihr mit dem Format ausserdem?
Unser Ziel ist es, mit dem 9:16 House durch die hohe Reichweite von unseren Creators auf gesellschaftliche Probleme der heutigen Zeit aufmerksam zu machen. Dazu zählen neben Nachhaltigkeit auch Diversity, Geschlechtsidentität und eine zunehmend fehlende Diskussions- und Debattenkultur. Durch wöchentliche Challenges auf TikTok, Instagram und YouTube Shorts soll so vor allem die meist junge Zielgruppe für derartige Themen sensibilisiert werden - denn wir glauben: «Reichweite verpflichtet». Das Besondere: Die Community kann dabei sogar interaktiv an diesen Challenges teilnehmen, indem sie selbst ein «Shorts», also die Kurzvideo-Version von YouTube, erstellt.
Die Idee hinter dem 9:16 House
Die Stars der GenZ werden auf Plattformen wie TikTok geboren. Für ihre Follower sind sie Vorbilder. Wenn diese Stars gemeinsam vor der Kamera stehen, schaut die Followerschaft zu – das beweist das amerikanische HypeHouse, das soeben einen Deal mit Netflix abgeschlossen hat.
Neun der reichweitenstärksten Creator Deutschlands wurden für 100 Tage in eine Traumvilla auf Ibiza eingeladen, Dort erwarten die Creator nicht nur Sommer und Sonne, sondern prominente Gäste mit vorbereiteten Challenges.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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