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Zeyer zur Zeit

Wenn Wissenschaftler baren Unsinn schwatzen

Martin Ackermann ist nicht irgendwer. Er ist Leiter der «National COVID-19 Science Task Force», Professor für Mikrobiologie. Warum diskreditiert er dann all das?

«Die Ostschweiz» Archiv am 28. Oktober 2020

«Wir haben mehr Hospitalisierungen und Todesfälle als im März.» Ich musste anhand mehrerer Quellen überprüfen, ob das tatsächlich so gesagt wurde. Von einem Wissenschaftler. Vom Leiter der wichtigsten Expertengruppe der Schweiz. Vom Ratgeber des Bundesrats, der auf seine Fachkompetenz vertraut.

Ackermann fuhr dann fort: «Aber wir reagieren nicht gleich. Die Bewegungsdaten zeigen, dass wir unsere Mobilität nicht genug zurückfahren.»

Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal schreiben müsste: Herr Professor, Sie verzapfen Unsinn. Gefährlichen Unsinn. Und geben darauf beruhend falsche Ratschläge.

Was Sie sagen, ist nicht nur falsch. Indem Sie das sagen, disqualifizieren Sie einmal mehr das Renommee der Schweizer Wissenschaftler. Denn wenn der Leiter der Wissenschafts-Eingreifgruppe, auf den der Bundesrat hört, so einen Unsinn sagt, dann müssen wir uns noch mehr Sorgen machen, aufgrund welcher Grundlagen fundamental wichtige Entscheidungen getroffen werden.

Zunächst einmal kurz die entsprechenden Statistiken:

Statistik

Wir haben also tatsächlich eine gewaltige Zunahme der positiv Getesteten. Was weder heisst, dass die erkranken, noch ansteckend werden oder sind. Diese Zahl ist tatsächlich grösser als bei der sogenannten ersten Welle. Das mag aber auch daran liegen, dass natürlich damals die Testhäufigkeit viel niedriger war als heute.

Nach wie vor wird darauf verzichtet, die Anzahl der Genesenen aus den Fallzahlen herauszurechnen, ebenso, was den weiteren Verlauf der Infektion bei positiv Getesteten betrifft.

Aber das alles ist vernachlässigbar – im Vergleich zu einer objektiven Falschaussage des obersten Schweizer Wissenschaftlers.

Um es nochmals glasklar zu sagen: Wir haben aktuell nicht mehr Hospitalisierungen als im März. Wir haben aktuell nicht im entferntesten gleichviele Todesfälle wie im März. Das ist natürlich kein Grund, es wieder krachen zu lassen und in Rudeln zu feiern.

Es ist aber vielmehr ein Grund für höchste Beunruhigung. Angesichts der Tatsache, dass vor allem aus Kreisen der Epidemiologen immer lautstärker ein zweiter Lockdown gefordert wird, während sich politisch eine Kakophonie abspielt, ist eine solche Falschaussage nicht zu überschätzen.

Denn: Aufgrund welcher Informationen, Statistiken, Prognosen treffen Kantons- und Bundesregierung ihre Entscheidungen? Welche Rolle spielen dabei wirtschaftliche Überlegungen, die jede Krankenkasse bei der Abwägung der Verhältnismässigkeit bei jeder Therapie machen muss, wozu selbstverständlich auch eine Kosten-Nutzen-Rechnung gehört?

Wenn aufgrund solcher Falschinformationen vom Bundesrat die ganze Wirtschaft und Gesellschaft betreffende, möglicherweise drakonische Massnahmen beschlossen werden, befinden wir uns dann nicht weiterhin im Blindflug, ohne Kompass, ohne verlässliche Kartographie?

Wieso, letzte Frage, ist es der geballten Fachkompetenz der Schweizer Medien, die sonst mit Kritik und Ratschlägen schnell zur Hand sind, bislang noch nicht aufgefallen? Völlige Verblödung oder temporale Gehirnstarre?

Und wenn das so ist, ist ein anderer Ausgang als ein schlimmer zu erwarten?

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Autor/in
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