Na und? Der Besitzer einer Firma hat das Recht, Kurs, Inhalt und Output zu bestimmen. Das gilt für Schraubenfabrikanten, Restaurants, IT-Dienstleister – und Medien. Daran ist nichts Schlechtes. Ausser, man leugnet es.
Nun hat sich auch noch die «Chefredaktion der Blick-Gruppe» zu Wort gemeldet. Das hätte sie lieber gelassen. Denn sie behauptet, dass es selbstverständlich keine Befehle vom Ringier-CEO Marc Walder gebe. Dass man sich ins Geschäft nicht reinreden lasse. Dass man unabhängig und mit Haltung schreibe.
Ein Bückling ist auch eine Haltung. Heuchelei ist leider auch eine. Stellen wir uns vor, der Kellner im Restaurant würde zum Chef sagen: gut, du willst, dass ich die Gäste freundlich behandle. Weisst du was? Meine Haltung ist: pfeif drauf.
Der Koch würde hinzufügen: ach, der Wirt mag französische Küche? Ich steh’ aber auf italienische. Undenkbar? Genau. Weder Koch noch Kellner würden behaupten, dass sie als Angestellte, Lohn- und Weisungsempfänger unabhängig ihre Haltung zeigen könnten.
Das wäre lächerlich. Wenn es eine Redaktion tut, ist’s lachhaft. Natürlich gibt es Vorschriften, Richtlinien, Manifeste, einen «Code of Conduct» auf Redaktionen. Es gibt Regeln des Handwerks und des Anstands. Es gibt gesetzliche Schranken.
Aber darüber hinaus gibt es die Haltung, den Willen, die Vorlieben, die Meinungen der Besitzerclans. Undenkbar, dass bei Tamedia Haltung gezeigt würde, die Coninx-Supino unangenehm aufstösse. Oder bei CH Media den Ansichten von Wanner-Wanner widersprochen würde. Ganz zuletzt gilt das auch für Ringier-Walder, selbstverständlich ebenfalls bei Lebrument-Lebrument.
Denn wozu ist man denn Besitzer und Chef? Um im eigenen Erzeugnis Sachen zu lesen, die einen ärgern? Um zuzusehen, wie Personen des öffentlichen Interesses, die man mag, in die Pfanne gehauen werden? Hassfiguren gelobt würden? Wollen wir die Namen Pierin Vincenz, Alain Berset oder Christoph Blocher in die Runde werfen?
Greift dann der Boss zum Telefonhörer und staucht den Chefredaktor zusammen? Oder feuert ihn gleich? Gibt es eine tägliche Geheimkonferenz, bei der die Stallorder ausgegeben wird? Diktieren die Besitzer ihren Chefredaktoren die Kommentare in die Feder? Gibt es Geheimbeschlüsse, wie über die EU, Corona, die SVP oder über Putin zu berichten sei?
Quatsch, natürlich läuft das nicht so. Schriftliches gibt es sowieso nicht. Aber Mündliches. Die Bemerkung auf dem Flur. Das kurze Gespräch im Lift. Die Andeutung nach einer Sitzung, «was ich noch sagen wollte».
Das ist überall so. Auch bei «Die Ostschweiz». Der Unterschied: hier wird’s öffentlich bekannt gegeben. Der Verwaltungsrat der «Ostschweiz» habe eine strategische Lagebeurteilung vorgenommen und sei zu einem Ergebnis gekommen: «Deshalb haben wir uns entschieden, bis auf Weiteres auf redaktionelle Inhalte zum Thema Corona zu verzichten.»
Das sorgte für Aufruhr unter den Lesern, ein diese Entscheidung scharf kritisierender Artikel wurde veröffentlicht, der VR-Präsident sah sich zu einer zusätzlichen Erklärung veranlasst.
Nun kann man diese Entscheidung mit vielen und guten Gründen kritisieren. Sie für falsch, grottenschlecht, gar bescheuert halten.
Aber: Es ist nun mal so, dass in einer Aktiengesellschaft der Verwaltungsrat die Strategie und die Grundzüge der Geschäftspolitik bestimmt. Das tut er bei der Credit Suisse genauso wie bei der Ringier AG oder der Tx AG (die Mantelgesellschaft von Tamedia, die den «Tages-Anzeiger» herausgibt). Daran ist nichts Verwerfliches, Übergriffiges oder gar Unerlaubtes.
Der Unterschied zu den Mainstream-Medien ist aber: dieser Entscheid wurde offen kommuniziert; Kritik daran zugelassen. Vielleicht wird er auch zurückgenommen, denn selbst ein VR kann sich mal irren.
Es gilt überall: Wer zahlt, befiehlt. Wer besitzt, bestimmt.
Wer aber – wie die «Blick»-Chefredaktion – behauptet, man positioniere sich unabhängig von der Besitzerschaft, vertrete nur seine persönliche Meinung, beurteile die Politik und die Welt ausschliesslich nach professionellen, journalistischen Prinzipien, ausgewogen, sachlich und fair, der macht sich lächerlich.
Drei der vier grossen Medienkonzerne in der Schweiz sind für die Subventions-Milliarde. Kann man sich vorstellen, dass das der Ansicht der Besitzerclans widerspricht? Kann man sich vorstellen, dass kritische Positionen zu diesem Steuergeschenk publiziert werden? Kann man sich vorstellen, dass Befürworter des Referendums ausreichend Platz für ihre Argumente eingeräumt bekommen?
Nein, das kann man nicht.
Das ist auch okay so. «Die Ostschweiz» macht kein Hehl daraus, dass führende Mitarbeiter und Mitglieder des VR im Referendumskomitee engagiert sind oder seine Absichten teilen. Bei den grossen Medienkonzernen wird aber geschwiemelt und jegliche Richtungsanweisung bestritten.
Seriöser Journalismus, den die Demokratie wie die Luft zum Atmen braucht, ist gefährdet. Wegbrechende Einnahmen und in Scharen davonlaufende Leser. Die Unfähigkeit der Medienmanager, den Internetgiganten Google, Facebook oder Amazon etwas entgegenzustellen. Das alles sind Sargnägel.
Aber der Deckel des Sarges besteht aus etwas anderem, Unerträglichem: durchschaubare Heuchelei. Auf Deutsch Publikumsverarschung. Das Lied seines Herrn singen und mit treuem Augenaufschlag behaupten, dass man völlig unabhängig nur seinen eigenen Überzeugungen folge und sich auch nicht dreinrede liesse: für wie dumm halten diese Chefredaktoren eigentlich ihre Leser?
«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.
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