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Professoren und ihre Nebenjobs

Wie viele Bütlers gibt es?

Die HSG hat bekanntlich so ein paar kleine Reputationsprobleme. Wohlbezahlte Nebenjobs gehören dazu. Oder Meinungsäusserungen ohne richtigen Absender.

«Die Ostschweiz» Archiv am 03. Mai 2020

Monika Bütler ist eine ehrenwerte Wissenschaftlerin. Deshalb bekam sie vor anderthalb Jahren den Ehrendoktor der Uni Luzern. Ausserdem ist sie noch Prorektorin der HSG, Professorin für Volkswirtschaftslehre und leitet den Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik.

Aber das lastete sie noch nicht aus. Deshalb sitzt sie auch im Bankrat der Schweizerischen Nationalbank, ist im VR von Schindler und anderen renommierte Firmen. Ach, und Publizistin ist sie auch noch. Sie betreibt mit Kollegen den Blog batz.ch, der sich in aller Bescheidenheit «das Forum für Schweizer Wirtschaftspolitik» nennt. Trägerschaft ist das «Institut für Banking und Finance» an der Uni Zürich.

Der Name batz komme vom Batzen, erklären die Professoren, um dann launig fortzufahren: «Wir möchten auch keine Halbbatzen daher machen (dummes Zeug schwatzen).» Da schauen wir doch mal. Hier auf batz.ch rezykliert Bütler einen Artikel, den sie für die NZZamSonntag geschrieben hat. Unter dem Titel «Angst essen Wirrtschaft auf» bricht sie darin eine Lanze für die Politik des Bundesrats in der Pandemie-Krise.

Die wirtschaftlichen Kosten seien nicht «allein die Folge der staatlichen Restriktionen». Die würden aber Menschenleben retten. Wie auch immer, die Politik könne es eigentlich nur falsch machen. Zu früh, zu spät, eine Crux, aber es sei halt schon so: «Der Boss ist das Virus.»

Das würde das Virus natürlich schmeicheln zu hören. Aber oh je, ein Virus kann weder herrschen, noch denken, noch schiefe Sprachbilder herstellen. Alles im Gegensatz zur Professorin. Um ihrer professoralen Meinung mehr Gewicht zu verschaffen, lässt sie alle ihre Titel erklingen. Alle? Nicht ganz. Denn mit all diesen Aufgaben ist die rastlose Professorin immer noch nicht ausgelastet.

Sie ist auch in der «Swiss National Covid-19 Science Task Force» tätig. Im Auftrag von BAG, im Auftrag des Krisenstabs des Bundes. Sie leitet hier die Ökonomiegruppe, weitere prominente Mitglieder sind Marcel Salathé oder Christian Althaus. Genau, die aus Funk und Fernsehen bekannten «unabhängigen» Wissenschaftler, die – genau wie Bütler – nur rein zufällig genau die Meinung des BAG oder des Bundesrats vertreten.

Während Salathé und Althaus eigentlich alle Konkurrenten in der virologischen Deutungshoheit der Pandemie weggebissen haben, steht für Bütler ein Kollege in der Sonne: Der Freiburger Professor Reiner Eichenberger. Der hat nämlich ein mit Kollegen ausgearbeitetes Konzept in die Runde geworfen. Darin plädiert er für eine kontrollierte Immunisierung. Da der Altersmedian der Todesopfer bei 84 Jahren liegt, die Infektion in 90 Prozent aller Fälle ohne grössere Beschwerden oder sogar symptomlos abläuft, sei eine Ansteckung mit anschliessender Immunisierung richtig. Natürlich unter ärztlicher Aufsicht.

In der NZZ und nun auch noch mit einem Sonderdruck der «Weltwoche» entwickelt Eichenberger sein Gegenmodell. Zumindest ein interessanter Ansatz, alleine schon wegen der naheliegenden Idee, mit Zertifikaten über Corona-Immunität ein gutes Geschäft zu machen und wieder einmal zu zeigen, dass die Schweiz es halt doch besser macht wie viele Länder.

Das sieht allerdings das BAG entschieden anders: «Ethisch nicht zu verantworten und in der Realität nicht umsetzbar.» Und auch Bütler äusserte sich in der gebotenen professoralen Neutralität: dieses Konzept «scheitert bereits an der praktischen Umsetzung».

Über diesen Einwand würde sich der Virus den Kopf kratzen, wenn er einen hätte. Woher weiss Bütler denn das? In ihrem ganzen wissenschaftlichen Leben hat sie sich noch nie mit einer praktischen Umsetzung beschäftigt. Vielleicht mit Ausnahme ihrer Karriereplanung.

So wie Salathé und Althaus als vermeintlich unabhängige und objektive Wissenschaftler in Wirklichkeit his master’s voice singen, ist Bütler ausschliesslich aufgrund ihrer wissenschaftlichen Kompetenz zu diesem Verdikt gekommen. Dafür musste sie nicht mal den ausgearbeiteten Plan von Eichenberger abwarten. Seiner Wortmeldung in der NZZ musste unbedingt eine Gegenmeinung übergebraten werden. Von einer vielfach ausgezeichneten und umtriebigen Professorin, die sicherlich nur aus Platzgründen darauf verzichtete, den Leser darüber zu informieren, dass hier ein führendes Mitglied einer bundesrätlichen Task Force schreibt.

Was der Objektivität Bütlers sicherlich keinen Abbruch tut; sie ist halt zufällig, so wie ihre Expertenkollegen, der gleichen Ansicht wie der Bundesrat und das BAG. Und den NZZ-Leser würde es doch nur unnötig verwirren, wenn er sich fragen müsste, warum denn eine Zuarbeiterin des Bundesrats hier so tut, als sei sie aus rein wissenschaftlichen Gründen der Auffassung, dass der Bundesrat keineswegs die Alleinschuld an der wirtschaftlichen Katastrophe habe, in die er die Schweiz – schlecht beraten – hineinsteuerte.

Oder aber, das wäre natürlich eine mögliche Erklärung, Bütler ist mehr als eine Person. Das würde auch ihre Unzahl von Positionen und Tätigkeiten erklären. Das würde also bedeuten, dass in der NZZ die Ehrendoktorin schreibt. Oder die HSG-Professorin. Oder die Blog-Schreiberin. Aber sicher nicht die Task-Force-Bütler. Denn wenn die einen Fehler machen würde, würde den eine der anderen Bütlers sogleich kritisieren.

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«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.

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