Das Kinderfest darf nur bei trockener Witterung stattfinden. Und wenn es zuvor einige Tage trocken war. Und vielleicht spielen auch Mondphase und Bienenflugbewegung eine Rolle.
Würde das legendäre St.Galler Kinderfest am ersten festgesetzten Datum durchgeführt, so würde vermutlich kein Mensch erscheinen. Zu unglaubwürdig ist es, dass es nicht zu einer Verschiebung kommt. Die laufend neue Ansage mit einem neuen Datum mit baldiger Widerrufung des Termins hat Tradition. Kein Wunder: Die Bedingungen, was das Wetter betrifft, sind überaus streng. Schliesslich bewegen sich unzählige Kinder auf einer Wiese, die stellenweise ansteigt. Die Gefahr, dass sie alle auf einen Schlag abrutschen und auf der Wiese darunter jämmerlich verenden, ist offensichtlich. Genau so wie die Gefahr, dass die Wiese Schaden nimmt. Und Wiesen erholen sich bekanntlich nicht von Schäden. Deshalb ist auch das St.Galler Openair-Gelände eine permanente Schlammwüste, von Januar bis Dezember.
Um diese Wettersicherheit zu garantieren, setzt die städtische Direktion Schule und Freizeit nicht etwa auf ein Heer von Meterologen. Gefragt sind viel mehr PR-Fachleute. Sie haben die Aufgabe, den Prozess spannend zu gestalten. Der Werbeeffekt zugunsten des Kinderfests ist einfach viel höher, wenn via Twitter laufend neue Termine angesetzt werden können. In diesem Jahr wurde der Spannungsgrad sogar noch erhöht, indem man für kurze Zeit auf einen bereits abgesagten Termin zurückkam, um ihn dann wieder abzusagen. Das ist die hohe Kunst des Marketings. Und der nun ins Auge gefasste Dienstag, 29. Mai wird laut unserem Wettermann Jörg Kachelmann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch ins Wasser fallen. Der zwei Mal vorgesehene Freitag davor wäre aus seiner Sicht die sehr viel bessere Wahl gewesen.
Aber eben. Wenn das Wetter nicht vor und während des Kinderfestes (und allenfalls auch danach?) perfekt ist (48 Grad im Schatten, Sonne von 7 bis 23 Uhr), dann ist die Durchführung völlig unmöglich. Und deshalb stellt sich natürlich die Frage, ob im globalen Zeitalter die ganze Übung nicht einfach nach Burkina Faso oder Tel Aviv verlegt werden sollte. Alle drei Jahre die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte der Stadt in einige Flieger verfrachten wäre vermutlich weit kostengünstiger als eine Kaskade an angesetzten Terminen.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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