Wiesy Imhof (*1969) hat zahlreiche Leidenschaften, denen er nachgeht. Er bietet unter anderem Coachings, Therapien und Ernährungsberatungen an. Zudem wirkt er als Künstler und betreibt in Kirchberg die «Genusswerkstatt». Tatsächlich zieht sich bei ihm der Genuss durch zahlreiche Lebensbereiche.
Wiesy Imhof, was ist für Sie der absolut grösste Genuss?
Der absolut grösste Genuss bedeutet für mich, wenn alle Sinne gleichzeitig angesprochen werden. Grundvoraussetzung dafür ist, dass man sich von allem befreit, was einen am Geniessen hindert und dass man dem Genuss seine vollste Aufmerksamkeit schenkt. Geniessen ist ein ausschliesslich sinnliches Erlebnis. Der Kopf hilft mir vielleicht dabei, das Erlebte zu analysieren, aber Genuss ist eine Herzensangelegenheit. Ohne wenn und aber.
Was kann Ihnen den Genuss so richtig vermiesen?
Zum Beispiel Reizüberflutung kann den Genuss schnell einmal ins Gegenteil kehren. Das richtige Mass zu halten, ist eine wesentliche Komponente beim Geniessen. Das ist nicht immer ganz so einfach, wenn einem etwas besonders Freude bereitet. Überdies kann einem die falsche Gesellschaft das Genusserlebnis verderben. Dann wird aus Genuss schnell einmal Verdruss. Im Umkehrschluss verdoppelt sich die Genussfreude, wenn man gemeinsam geniessen und sich darüber austauschen kann.
Nun sind Sie kein gelernter Koch. Sie haben eine ganz andere Laufbahn hinter sich. Wie kam es dazu, eine «Genusswerkstatt» zu lancieren?
Das Bedürfnis, Genuss intensiv zu erleben begleitet mich eigentlich schon seit meiner frühesten Kindheit. Ich kann mich noch heute exakt an bestimmte sinnliche Erlebnisse erinnern, die sehr weit zurückliegen. Mit der Genusswerkstatt verbinde ich den Wunsch, Menschen das bewusste Geniessen näher zu bringen und Genuss intensiv erlebbar zu machen. Kulinarik ist dafür ein wunderbares Medium und macht es mir möglich, ein ganzheitliches Genusserlebnis zu vermitteln. Gemeinsam in einer gemütlichen Stube am Tisch zu sitzen und zusammen ein feines Essen zu geniessen, das bereitet einfach unglaublich viel Freude.
Umschreiben Sie Ihr Angebot: Was umfasst es und an wen richtet es sich?
Geniessen ist ein weites Feld und hat viel mit Wertschätzung zu tun. Dementsprechend finden Menschen in die Genusswerkstatt, die dem Genuss grundsätzlich einen hohen Stellenwert beimessen. Mein Angebot umfasst offene Tischrunden, Event- und Erlebnisgastronomie, Kochkurse und Catering. Das Angebot beschränkt sich aber nicht allein auf die kulinarische Komponente. «Befreit geniessen mit allen Sinnen», das ist mein Leitspruch. Getreu diesem Motto biete ich unter anderem auch Coachings an, welche Menschen von allem befreien sollen, was sie am Geniessen hindert. Die Genusswerkstatt ist ein Ort, an dem man sich rundum wohlfühlen soll. Da gehört überdies auch ein gewisser künstlerischer Aspekt dazu.
Würden Sie sich als vielfältigen Künstler bezeichnen?
Unbedingt. Über viele Jahre habe ich meinen Lebensunterhalt als Freischaffender Künstler bestritten. Heute verstehe ich das Leben insgesamt als künstlerischen, schöpferischen Prozess. Dabei ist es mir ein grundlegendes Bedürfnis, Menschen mit meinem Dasein positiv zu inspirieren. In allem das Schöne zu entdecken, aus allem das Beste zu machen und andere daran teilhaben zu lassen, das ist mein erklärtes Ziel.
Wie viel Kunst braucht es in der Küche?
Kochen ist erst einmal ein Handwerk. Daraus wird aus meiner Sicht erst dann Kochkunst, wenn kreative Aspekte hinzukommen. Das kann bereits bei der Gestaltung der Rezeptur sein, bei der optischen Komposition auf dem Teller sichtbar werden, sich aber auch bei der Zusammensetzung der Speisen, deren Geschmack und Konsistenz bemerkbar machen. Wie viel Kunst es in der Küche tatsächlich braucht, ist schwer zu sagen. Ich persönlich stelle das intensive Geschmackserlebnis über alles. Daran feile ich so lange, bis es für mich stimmt. Wer vorwiegend ohne Rezepte kocht, der wird nach meiner Ansicht in der Küche ganz automatisch künstlerisch tätig.
Was löst es bei Ihnen aus, wenn Sie merken, dass Sie Gäste nicht verzaubern können?
Meine Frau und ich haben uns zum Ziel gesetzt, Gäste so herzlich zu empfangen und zu bewirten, wie wir es selbst gerne erleben würden. Dafür tun wir alles, wirklich alles! Wir geben immer unser Bestes. Es kann bei einem Gast vielleicht auch einmal persönliche Umstände geben, die sich unserem Einfluss entziehen. Aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass sich jemand durch unsere Arbeit nicht verzaubern lässt.
Was ist das schönste Kompliment?
Das schönste Kompliment bedeutet für uns, wenn wir in die glücklich strahlenden Gesichter unserer Gäste blicken dürfen und wissen, dass wir unseren Teil dazu beitragen durften. Wenn wir Gäste als Fremde empfangen haben und ein paar Stunden später mit einer herzlichen Umarmung verabschieden, so wie sich gute Freunde verabschieden, dann sind wir erfüllt von dem, was wir geleistet haben.
Für welchen Teil Ihrer Kreationen wenden Sie am meisten Zeit auf?
Den grössten zeitlichen Aufwand nimmt die Zubereitung von Saucen in Anspruch. Ich liebe die einfache, geschmacksintensive Küche im mediterranen Stil. Diese Küche ist simpel und kommt oft mit wenigen Zutaten aus. Dafür fordert sie umso mehr Zeit und Hingabe.
Was geht Ihnen leicht von der Hand?
Kochen hat für mich etwas sehr Spielerisches und ist verbunden mit enorm viel Freude und Leichtigkeit. Es gibt bestimmt gewisse Speisen, deren Zubereitung technisch etwas anspruchsvoller ist. Doch auch diese Dinge gehen leicht von der Hand, wenn man ihnen die volle Aufmerksamkeit schenkt.
Hat Genuss mit Zusammenkunft zu tun?
Das Genusserlebnis erhöht sich zweifellos, wenn man es mit Menschen teilen kann, die ebenso dem Genuss zugewandt sind. Zusammenkunft, die Gemeinschaft am Tisch in der passenden Gesellschaft, das steigert den Genuss ungemein.
Ist es auch ein Genuss, wenn die Gäste dann wieder den Raum verlassen?
Wenn wir uns von unseren Gästen verabschiedet haben, dann ist die Energie noch lange spürbar, die sie im Haus hinterlassen. Dann sind die Räume erfüllt von Lachen, angeregten Gesprächen und einer herzlichen Atmosphäre. Dann setzen wir uns meist spät nach Mitternacht an den Tisch und geniessen zufrieden und glücklich bei einem Glas Rotwein die Reste, die in den Kochtöpfen übriggeblieben sind.
Kann es auch einmal eine einfache Bratwurst sein?
Auf jeden Fall. Am liebsten vom Feuer irgendwo in der freien Natur. An einem schönen Waldrand mit Blick zum Säntis schmeckt die Bratwurst entschieden besser als zuhause aus der Bratpfanne.
Ein Kebab?
Man könnte zweifellos alles so zubereiten, dass es schmeckt und bekömmlich ist. Selbstverständlich auch einen Kebab. Leider lässt beim Kebab die Qualität der verwendeten Zutaten, insbesondere diejenige der Saucen vielerorts etwas zu wünschen übrig. Eigentlich schade. Der Kebab hätte echt das Zeug zu einem richtig guten, vollwertigen und schmackhaften Imbiss.
Fast-Food?
Gut Ding will Weile haben. Bei der Zubereitung und erst recht beim Geniessen.
Wo holt man sich Inspiration?
Beim Stöbern in Kochbüchern oder beim Essen in einem Restaurant, wo jemand leidenschaftlich gerne am Herd steht. Am meisten aber inspiriere ich mich beim Einkaufen oder beim Blick in meinen Kühlschrank. Der Kühlschrank ersetzt mir den Fernseher, von dem ich mich vor über dreissig Jahren getrennt habe. Ich liebe es, in den Kühlschrank zu schauen.
Wie selbstkritisch sind Sie?
Ich würde sagen, dass ich sehr selbstkritisch bin. Gleichzeitig liebe ich meine Küche und das, was ich meinen Gästen serviere von ganzem Herzen. Ich feile einfach so lange daran, bis ich es selbst liebend gerne verspeisen würde.
Was kann Ihnen einen eigentlich perfekten Abend vermiesen?
Da muss ich etwas überlegen. Wir haben das Glück, dass uns unsere Gäste auf Augenhöhe begegnen. Hätten wir Gäste mit schlechten Manieren, das würde mir die Laune etwas verderben. Wir empfangen unsere Gäste in unseren Privaträumen und begegnen ihnen aufmerksam und mit viel Herzlichkeit. Das wissen unsere Gäste zu schätzen. Wir sehen es als Privileg, Gäste zu empfangen und setzen alles daran, dass es unsere Gäste als Privileg empfinden, bei uns zu Gast zu sein.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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