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Velvet Two Stripes

«Wir halten nicht viel von Klischees»

Sie sind jung, taff und haben den Rock’n’Roll im Blut. Schon vor acht Jahren wurden sie von der Zeitung 20 Minuten als «coolste Band der Schweiz» benannt.

Nadine Linder am 06. Dezember 2020

Sie sind wild, laut und lassen es gerne krachen: Velvet Two Stripes. Das ist die Band der Schwestern Sophie Diggelmann (Sängerin), Sara Diggelmann (Gitarristin) und ihrer langjährige Freundin Franca Mock (Bassistin). An Live-Konzerten steht ausserdem ihr gemeinsamer Freund Ramon Wehrle (Drummer) mit ihnen auf der Bühne. Ein Gespräch mit der Band Velvet Two Stripes aus St.Gallen über das, was bisher geschah und darüber, was noch kommt.

Velvet Two Stripes, die Wurzeln liegen in einer klassischen Schülerband. Wie war dies damals?

Das war eine sehr aufregende Zeit, alles war neu für uns. Damals haben wir alle zusammen bei null angefangen. Niemand von uns hat ihr Instrument wirklich lange gespielt, und wir haben so zusammen unglaublich viel voneinander gelernt und konnten zusammen erste kleine Bühnenerfolge sammeln.

Wir hatten einen tollen Bandmentor, dank dem wir viel gelernt haben und erste Konzert- und Songwritingerfahrungen machen durften. Danach machten wir selbständig weiter und durchliefen verschiedene musikalische Phasen. Wir würden diese Art von Erfahrung wirklich jedem empfehlen.

Können Sie sich an Ihre erste Show erinnern?

Ja klar! Das war damals im 2011 oder 2010 im Talhof in St.Gallen. Wir waren alle schrecklich nervös. Die Showanfrage kam auch sehr plötzlich. Wir hatten ja vor der Anfrage noch nicht mal einen festen Namen. Eigentlich hatten wir keine Ambitionen, live zu spielen, wir verkrochen uns lieber im Bandraum und jammten, bis der Morgen dämmerte.

Was war Ihre Motivation, diese Band zu gründen?

Ich denke, die Grundmotivation war die Musik. Wir alle wollten mit anderen Menschen Musik machen, aber Orchester war für uns damals nicht gerade prickelnd. Vor allem nicht, wenn man E-Gitarre, Bass und Drums spielt. Also kam da nur eine Band in Frage. Wir wollten etwas schaffen, mit dem wir aus unserer Heimatstadt St.Gallen ausbrechen konnten. Und das haben wir geschafft.

Wie kamen Sie auf Ihren Bandnamen «Velvet Two Stripes»?

Dank Urban Dictionary. Wir fanden «Velvet» toll für den Bandnamen und schauten dann im Urban Dictionary nach. Da fanden wir den Begriff «Velvet Two Stripes», mit dem man eine billige Nachahmung (mit nur zwei Streifen anstatt drei) der Adidas-Trainerhose bezeichnet.

2012 wurden Sie vom 20 Minuten zur «coolsten Band der Schweiz» ernannt. War dies Ihr Durchbruch?

Durchbruch würden wir es nicht nennen. Aber es hat bestimmt viel dazu beigetragen, mehr Aufmerksamkeit und Gigs in der Schweiz zu kriegen. Ist ja schliesslich schon ein rechter Aufhänger, wenn man drei Teenies als «coolste Band der Schweiz» betitelt.

Ihr Debütalbum kam 2014 auf den Markt. War aber eine Enttäuschung für Sie. Warum?

Enttäuschung nicht, dafür haben wir zu viel Zeit und Herzblut investiert. Aber es war unsere erste Erfahrung mit dem Musikbusiness und wie das Ganze laufen kann – oder eben auch nicht. Wir haben viel daraus gelernt, von da her war es eine sehr wichtige Erfahrung für uns.

Würden wir das Album heute nochmals herausgeben, würden wir sicherlich den Promoplan besser anpassen. Qualitativ enttäuscht uns das Album aber gar nicht. Nun arbeiten wir gezielt mit Produzenten zusammen. Was wir bei diesem Album selbst gemacht haben, ist, dass wir es selbst, also ohne Label, herausgebracht haben. Dies taten wir, weil wir selbst die Kontrolle über dieses Album haben wollten. Unserer Meinung nach ist es wichtig, ein frisches Ohr gegen den Schluss hinzuzuholen, um eine ganz neue Perspektive zu erhalten. Aber da muss natürlich der «Vibe» und das Zwischenmenschliche passen. Sonst funktioniert es nicht.

Wer schreibt bei Ihnen die Songs?

Wir schreiben die Songs immer zusammen im Proberaum. Jeder bringt mal Ideen mit, aber an der Struktur arbeiten wir immer zusammen.

Wie sehen Ihre Bandproben aus?

Biertrinken, rauchen, proben, diskutieren. Das kann zwischen drei und sechs Stunden dauern. Zurzeit jedoch ist bei uns so viel los und da wir das Management selbst übernehmen, gehen die ersten 1.5 Stunden für Besprechungen und Finanzen drauf. Wenn das alles erledigt ist, dürfen wir endlich zu den Instrumenten greifen und an neuen Ideen feilen.

Was sagen Sie zu der Aussage, dass Sie zu allen Rock’n’Roll-Klischees passen?

Wir halten nicht viel von Klischees. Und sich zu sehr den Kopf über andere Aussagen zu zerbrechen, verdirbt nur den kreativen Fluss.

Haben Sie sich bewusst diesen zum Teil schlechten Ruf aufgebaut?

Einen schlechten Ruf können meiner Meinung nach nur Neider aufbauen und Leute, die bewusst etwas zerstören wollen, was sie nicht haben können. Wir bauen uns nichts «bewusst» auf. Im Gegenteil, wir sind so wie wir sind und machen das, was wir wollen – ohne zu überlegen, welchen Eindruck das wo hinterlässt.

Wir können uns aber vorstellen, dass gewisse Leute unseren «Lifestyle» gerne hervorheben, weil sie finden, dass es bei Frauen spezieller ist.

Wie viel Alkohol fliesst bei «Velvet two Stripes» tatsächlich?

Nicht mehr und auch nicht weniger, als bei anderen kreativ freischaffenden Künstlern.

Wie seid Ihr privat? Auch so wild und laut?

Natürlich gehen wir ab und zu mal aus und es kann auch später werden. Genauso gerne sind wir aber zuhause und schauen Comedy-Videos auf YouTube. Auf jeden Fall sind wir nicht die Band, die sich eine Bühnenpersona ausdenkt. Da soll sich jeder selbst ein Bild machen.

«Mit 27 sind wir entweder reich oder tot»! Gilt diese Aussage heute noch?

Wir sind noch nicht alle 27, daher gilt die Aussage noch.

Sie kommen aus St.Gallen. Wie wichtig sind Ihnen Ihre Ostschweizer Wurzeln?

Sie sind insofern wichtig, als dass sie eine essentielle Rolle spielten bei der Gründung unserer Band: Wir wollten aus dieser für uns damals langweiligen Provinzstadt ausbrechen. St.Gallen hat uns dazu gebracht, das zu machen, was wir heute sind. Wir haben zudem in St.Gallen unsere ersten Konzerte gesehen und ebenso auch gespielt. Wir sind immer gerne da und schätzen die dortige Unterstützung sehr.

Box

Die seit 2012 bestehende Viererbande wurde schon als «coolste Band der Schweiz» bezeichnet und hatte letztes Jahr ihren grossen Auftritt am Open Air St.?Gallen. Trotz des Hypes um sie, arbeiteten VTS mehrere Monate an zwölf neuen Songs. Die bestmöglichen Versionen davon haben sie während zweier Wochen in einem Berliner Studio aufgenommen. «Im Januar 2018 standen unsere Songs fest, im Februar haben wir sie dann aufgenommen», erklärt Bassistin Franca Mock. «Das war eine intensive Zeit», hakt Sara Diggelmann ein. Der Zeitplan vor einem Jahr im Studio war genauso taff wie die aktuelle Promotour. Doch die Band weiss, wie sie der Prokrastination, der ewig drohenden Gefahr einer Erledigungsblockade, entkommt. «Wir arbeiten besser, wenn wir einen fixen Termin haben», so die Strategie für fokussiertes Arbeiten der vier Freunde.

Im Nachtleben gibt es wenig Sonnenlicht

Studio, essen, schlafen, Studio: das treffe den intensiven Tagesrhythmus während der Aufnahmen in der deutschen Hauptstadt am besten. «Bis abends um elf waren wir im Studio, danach schauten wir zusammen einen Film, meistens Musikdokus, am nächsten Morgen ging es um elf wieder ins Studio», erinnert sich Sara. Sie hätten gleich oberhalb des Studios gewohnt und seien deshalb fast gar nie rausgekommen. Tatsächlich sei die Arbeit im Studio aber viel eher produktiv und aufregend gewesen als anstrengend und Kräfte raubend, trotz wenig Sonnenlicht. «Es ist toll, man kommt da zusammen hin und schaut sich die Songs an und entwickelt sie nochmals weiter», sagt Bassistin Franca.

In den Songs verarbeiten Velvet Two Stripes häufig Erlebtes und Gefühle aus dem Nachtleben. «Das kann eine einfache Erzählung einer durchzechten Nacht sein», erklärt Franca Mock. Oder es geht ums Trinken, wie im vor knapp zwei Wochen veröffentlichten Video mit dem konsequenten Namen «Drinks». In ihrer Musik steht das authentische Lebensgefühl des Rock and Roll im Mittelpunkt. Wild, spontan und recht laut.

Eine politische Band wollen VTS nicht sein. Um über den Zustand der Welt zu sprechen, sei ein Interview wahrscheinlich der falsche Ort. Persönlich seien sie aber durchaus politisch, als Band wollten sie aber keine Message rüberbringen. Oder wie es Franca Mock sagt: «Wir wollen nur Musik machen, das ist unsere Passion.»

Wir sind eine Live-Band, wir lieben es, unsere Songs live auch etwas anders zu spielen als sie auf dem Album tönen», erklärt Franca das Live-Erlebnis. Dazu gehöre auch der Austausch nach der Show. «Die Leute sollen nach dem Konzert zu unserem Stand kommen», wirbt Franca für die angebotenen T-Shirts und Schallplatten. «Es lohnt sich sowieso immer, zu uns zu kommen. Da kann man mit uns schwatzen und ein Bier trinken». Das ist das Live-Erlebnis.

Der Gedanke an die kommende Woche bringt dann doch etwas Anspannung. «Etwas nervös bin ich vielleicht wegen der Plattentaufe am kommenden Donnerstag in Zürich», so Gitarristin Sara Diggelmann. Aber die Nervosität werde sich rasch legen. «Spätestens nach dem ersten Ton», beruhigt Franca Mock.

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Autor/in
Nadine Linder

Nadine Linder war Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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