Im Jahresverlauf gibt es einige Witterungsregelfälle, sogenannte Wettersingularitäten. Die bekanntesten sind die Eisheiligen, die Schafskälte, die Hundstage, der Altweibersommer, der Goldene Oktober, das Weihnachtstauwetter und der Märzenwinter.
Damit die Definition einer Wettersingularität erfüllt ist, muss eine Wetterlage in drei Jahren mindestens zweimal auftreten und darf dabei eine Verschiebung von höchstens einer Woche aufweisen.
Die Eisheiligen
Sie sind eine der im Volksglauben am stärksten verwurzelten Wetterregel und stehen demnächst auf dem Wetterkalender. Pankratius, Servatius und Bonifatius haben ihren Namenstag vom 12. bis 14. Mai. Norddeutschland kennt auch noch den Mamertus am 11. Mai. Später kam am 15. Mai noch die Kalte Sophie hinzu. Es ist jedoch sehr umstritten, ob diese Wetterregel die Kalenderreform von 1582 miterlebt hat und dabei zehn Tage Richtung Ende Mai verschoben wurde oder ob sie erst nach der Kalenderreform entstanden ist.
Für die folgenden Untersuchungen wurde die lange Messreihe der privat betriebenen Wetterstation Niederuzwil SG (515 Meter über Meer) beigezogen. Demnach sind Fröste in zwei Meter über Boden nur noch Anfang Mai an jeweils ein oder zwei Tagen aufgetreten und zwar in den Jahren 1979, 1982, 1984 und 1985. Kälter als minus 0.5 Gad wurde es dabei nie. Auf offenem Gelände ist also ab dem 8. Mai Schluss mit Frösten. Schwache Bodenfröste in fünf Zentimeter über Boden treten Anfang Mai allerdings noch einige auf. Schnee gibt es Anfang Mai zwischen 400 und 600 Metern Meereshöhe nur noch etwa alle 50 Jahre einmal. Vor einigen hundert Jahren mag die Wetterregel noch Gültigkeit gehabt haben, doch seit mindestens 140 Jahren ist ihr Eintreffen von der Bildfläche weitgehend verschwunden. Im Mai letzten Jahres wurde um die Eisheiligen gar eine hochsommerliche Hitze mit bis zu 33 Grad verzeichnet.
Die Schafskälte
Der hohe Sonnenstand bewirkt im Juni ein grossflächiges Aufsteigen der Luftmassen über Mitteleuropa. Das Vakuum wird mit feuchtkühler Meeresluft aus West bis Nordwest ausgeglichen. Damit setzt sich um Mitte Monat die Schafskälte in Gang. Ihre Trefferquote ist relativ hoch. Schafskälte heisst sie deshalb, weil in dieser Zeit die Schafe nicht geschoren werden sollten. In mittleren Lagen - über 1000 Metern - kann die Schafskälte allerdings nochmals etwas Schnee bringen. Im Unterland reicht es dazu nicht mehr. Der Juni bringt viel Regen in Form des „Europäischen Sommermonsuns“. Dieser ist der Entstehung nach mit seinem grossen asiatischen Bruder verwandt. Doch sein Energiepotential ist etwa zehnmal kleiner.
Die Hundstage
Es handelt sich um die heissesten Tage des Jahres. Sie dauern von Ende Juli bis Mitte August und weisen eine hohe Trefferquote auf. Ihren Namen verdanken die Hundstage dem Stern Sirius im Sternbild „Grosser Hund“. Während dieses Zeitraums geht Sirius mit der Sonne auf und unter.
Ein sommerliches Warmlufthoch etabliert sich dann oft über Mitteleuropa und sorgt für heisse Temperaturen. Erst seit der Jahrhundertwende wurden dabei schon einige Male Tageshöchsttemperaturen von über 35 Grad registriert.
Der Altweibersommer und der Goldene Oktober
Diese Wettersingularität im September hat keinen genau definierten Zeitpunkt. Angenehme 20 bis 25 Grad begleiten die hochdruckbestimmte Übergangszeit vom Spätsommer zum Frühherbst.
Bei einem Spaziergang durch Feld und Wald an einem schönen Spätsommer- oder Frühherbsttag kann man zwischen Bäumen und Sträuchern lange glitzernde Spinnfäden beobachten. Der Wind spielt mit ihnen, zupft sie ab und trägt sie durch die Luft. Und genau diese „Silberstreifen“ sind es, die schon in grauer Vorzeit den Stoff zu den mannigfaltigsten Sagen lieferten. Man sagte von ihnen, sie stammten aus den Spinnstuben der Elfen. Nach anderen Deutungen aber gehörten sie zu den Nebeltüchern der Nebelweiber, die den Sommer aus dem Land jagen wollten.
Bei einer stabilen Hochdrucklage kann sich der Altweibersommer bis in den Oktober ausdehnen. Es ist der „Goldene Oktober“, der das bunte Laub in der milden Oktober-Nachmittagssonne aufleuchten lässt.
Der Martinisommer
Dieser Wetterregelfall tritt mit hoher Zuverlässigkeit um den 11. November (St. Martin) auf. Massgeblich daran beteiligt ist eine Hochdruckwetterlage, die in dieser Zeit ruhiges Wetter bringt. Als Folge des Hochnebels macht sich die Sonne um diese Jahreszeit im Unterland jedoch rar. In den Bergen herrscht über dem Nebelmeer hingegen eine gute Fernsicht bei sehr milden Temperaturen.
Das Weihnachtstauwetter
Weisse Weihnachten sind im östlichen Mittelland selten. Die Wahrscheinlichkeit, dass an einem der Weihnachtstage Schnee liegt, ist in den letzten zehn Jahren von 37 auf 27 Prozent zurückgegangen. Mit einer hohen Trefferquote erreicht uns alljährlich um die Weihnachtstage feuchtmilde Meeresluft. Sie sorgt im Unterland jeweils für grüne Weihnachten und eine frostfreie Zeit. Die Tagestemperaturen erreichen dabei nicht selten um 15 Grad. Im Jahre 2019 waren es sogar 19 Grad!
Der Märzenwinter
Hin und wieder bringt ein später Wintereinbruch im März kalte Luft aus dem Norden nach Mitteleuropa. Ist die Polarluft kontinentalen Ursprungs, fällt nur wenig Schnee, dafür herrschen eisige Temperaturen. Nur wenn feuchte Kaltluft einströmt, können sich gewaltige Schneemassen ansammeln. So zum Beispiel Anfang März 2006, als im östlichen Mittelland Schneehöhen von bis zu 50 Zentimetern gemessen wurden. Auch am Bodensee lagen 40 Zentimeter. St. Gallen versank in Schneemassen von 60 Zentimetern Höhe. Der Tatbestand einer Wettersingularität wird aber im März oftmals nicht erfüllt.
Christoph Frauenfelder (*1950) ist Architekt in Pension und seit vielen Jahren als Wetterexperte tätig. Seine Spezialgebiete: Agrarmeteorologie, Klimatologie, Historisches Klima, Bodenseeklima. Er lebt in Niederuzwil
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