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Zeyer zur Zeit

Wo der Sozialismus immer noch siegt

Für die Bank Bär ist die DDR noch ziemlich lebendig. Zumindest kostet sie die Bärenbanker 150 Millionen Franken.

«Die Ostschweiz» Archiv am 27. September 2020

Es ist eine richtig hübsch verzwickte Geschichte, die nun nach dem rechtsgültigen Bundesgerichtsurteil die Privatbank Bär rund 150 Millionen Franken aus dem Pelz zwackt.

Es war einmal die DDR. Der erste Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden hatte während den ganze vierzig Jahren seiner Existenz immer Probleme, genügend Devisen aufzutreiben, also harte, kapitalistische Währung.

Dafür zuständig war eine Staatsbehörde mit über 3000 Angestellten und dem harmlosen Namen «Bereich Kommerzielle Koordinierung» (KoKo). Hier wurde unter Federführung des Stasi-Obersten Alexander Schalck-Golodkowski so ziemlich alles gemacht, um an Devisen heranzukommen.

Mit dem Ende der DDR war es dann auch aus mit KoKo und Devisenbeschaffung. Sie landete bei der westdeutschen Treuhand, beziehungsweise bei der «Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben» (BvS).

Beim Untergang der DDR verschwanden neben dem Sozialismus auch gewaltige Geldbeträge, die umsichtig bei kapitalistischen Banken geparkt waren. So mit allem Drum und Dran wird geschätzt, dass sich ungefähr eine Milliarde Franken (nach heutigem Wert) in die Taschen ehemaliger Genossen und Geldverwalter verdünnisierten.

Das wäre dann ohne Zweifel der grösste Bankraub aller Zeiten, absurderweise begangen von Kommunisten. Seit 1990 hat es sich die BvS aber zur Aufgabe gemacht, diesen verschwundenen Geldern nachzuforschen und zu versuchen, sie wieder einzutreiben.

Die BvS ist den Spuren von Tarnfirmen dieser KoKo nachgegangen. Und wurde bei der Schweizer Privatbank Cantrade fündig. Diese fusionierte mit der Privatbank Ehinger & Armand von Ernst, diese wiederum gehörte zu den Privatbanken der UBS und 2005 schliesslich kaufte Bank Julius Bär der UBS diese Banken ab. Womit sich heute die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger der DDR und Bank Bär als Rechtsnachfolger der Cantrade vor Gericht gegenüberstehen. Die Bundesrepublik behauptet, zwischen 1990 und 1992 habe es nicht autorisierte Geldbezüge von Konten der KoKo-Tarnfirma bei Cantrade gegeben, wofür immerhin 28 Jahre später Bank Bär geradezustehen habe.

So ging das einige Jahre lang die Gerichtsleiter munter rauf und runter; das Obergericht Zürich urteilte zugunsten der Bank Bär, das Bundesgericht hob dieses Urteil wieder auf, dann ging’s wieder zurück und hinauf, und jetzt hat schliesslich Lausanne das endgültige Verdikt gesprochen: Bank Bär muss der BRD rund 150 Millionen Franken zurückzahlen.

Das findet die Bank natürlich überhaupt nicht komisch und will sich ihrerseits an der UBS schadlos halten, die von diesem kleinen Problem gewusst haben solle, es aber der Bank Bär bei ihrer Einkaufstour nicht mitgeteilt habe.

Das sieht die UBS naturgemäss anders, womit nach dem Rechtsstreit vor dem Rechtsstreit wäre. Die Bank Bär hat’s sowieso nicht einfach, in letzter Zeit. Zuerst seilt sich ihr grosser Bankenlenker Boris Collardi zur feinen Privatbank Pictet ab. Dann bezieht er seine Büros im Gebäude der ehemaligen Bank Leu an der Bahnhofstrasse Zürich, von wo aus er seinen ehemaligen Mitarbeitern durchs Fenster Grimassen schneiden könnte. Aber das macht ein Banker natürlich nicht.

Während Collardi, der zuvor Neugeld reinschaufelte wie blöd, rechtzeitig die Reissleine zog, kommt die Bank Bär in gefühlt jedem zweiten grossen Finanzskandal der Welt vor. Der grosse Korruptionsskandal um die staatliche venezolanische Ölfirma PDVSA? Ein Managing Director der Bank Bär bekannte sich in Miami schuldig, an einer Verschwörung zur Geldwäsche beteiligt gewesen zu sein.

Im Steuerstreit mit den USA musste Bär mit 547 Millionen Dollar die zweithöchste Busse nach der UBS zahlen. Bis dann die Credit Suisse kam und zeigte, dass da noch was geht: 2,8 Milliarden Dollar Busse; Weltrekord für eine ausländische Bank beim Thema Schwarzgeld.

Vorher wurde die Bank Bär von ihrer eigenen Aufsicht in die Pfanne gehauen. Denn die Bank witterte schon früh Übles, als man in der Schweiz noch meinte, die USA würden sich am Bankgeheimnis die Zähne ausbeissen.

Bank Bär wollte sich aber im November 2009 mit US-Behörden in Verbindung setzen, um zu schauen, welchen Deal man aushandeln könnte. Das teilte Bär der Bankenaufsicht FINMA mit, die das aber untersagte; die bilateralen Steuerverhandlungen mit den USA sollten nicht «präjudiziert» werden. Also konnte Bär nicht dank Selbstanzeige und Kundenverrat auf milde Bussen hoffen, aber immerhin wurde der Bank von den USA strafmildernd angerechnet, dass sie von ihrer eigenen Aufsichtsbehörde blockiert worden sei.

Und schliesslich noch die FIFA, Fussballweltmeisterschaften, gekaufte Austragungsorte, eigentlich immer fällt auch der Name Bär. Und wird die Bank von der FINMA gerügt und gerüffelt. Genauso, wie das die FINMA auch bei Raiffeisen tat. Allerdings meckert die FINMA absurderweise über Mängel und Probleme, die sie vorher durchgewinkt hat. Denn sie ist gleichzeitig Kontrolleurin und Richterin.

Auf jeden Fall kann sich nun das klamme Deutschland auf 150 Millionen Fränkli aus der Schweiz freuen. Und die Anwälte auf dem Platz Zürich über einen neuen Streitfall zwischen zwei Banken.

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«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.

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