Women Empowerment – Es gibt meistens zwei Reaktionen auf diese zwei Worte: «Yes, endlich sprechen wir mal darüber» oder rollende Augen, gepaart mit der Aussage «Echt jetzt, schon wieder so eine Kolumne?». Eigentlich gibt es ja aber insgesamt drei Reaktionen. Nämlich noch meine…
Angelehnt an die «Women Empowerment»-Thematik hat «Dior» ein T-Shirt mit der Aufschrift «We all should be Feminist» rausgebracht. Die Modewelt stand Kopf. Und zwei Wochen später konnte man es auch in einer günstigeren Version beim schwedischen oder spanischen Modehaus finden.
Dann kam kurz darauf der Frauenmarsch – überall gingen die Frauen auf die Strasse und protestierten für ihre Rechte. Women Empowerment.
Ich war zu diesem Zeitpunkt schwanger, sass in einem Kaffee in Basel an der Sonne und staunte nicht schlecht, für was meine Geschlechtsgenossinnen auf die Strasse gehen. Nebst dem Anspruch auf faire Entlöhnung gab es dann auch erschreckend viele Plakate, die proklamierten: Behaarte Beine sind auch weiblich, ich rasiere mich nicht mehr, let the body hair grow, etc.
Das fand ich dann eher befremdlich, respektive erinnerte mich das dann doch sehr an «First World Problems». Soll doch jeder seine Behaarung so pflegen, wie es ihm/ihr behagt.
Je grösser mein Bauch wurde, umso mehr ungebetene Ratschläge erhielt ich von anderen Frauen, die diese Erfahrung schon hinter sich hatten, mich mit einem allwissenden Lächeln anschauten und mir ungebetene sowie ungefragte Tipps gaben. Ich versuchte dann jeweils schnell das Thema zu wechseln. Mit der Geburt wurde es nur noch schlimmer. Jede Frau wusste sogleich was dem schreienden Jungen fehlte: «Das Kind hat Hunger.» – «Wie bitte? Ohne Strumpfhosen im Dezember? Zszsz… Das Baby holt sich noch eine Lungenentzündung!» – «Sind Sie sicher, dass ihr Kind nicht müde ist und schlafen möchte?»
Ich kann die LeserInnen beruhigen – ich hatte einfach ein Schreikind. Er hatte weder Hunger, noch war ihm kalt, noch war er müde. Er hat einfach seine Stimme geliebt und uns exakt 14 Wochen die Ohren vollgeschrien. Ich wusste manchmal nicht, was schlimmer war, das Schreien oder die ungebetenen und unpassenden Ratschläge.
Dank dem tollen Mutterschutz und der Elternzeit, die wir in der Schweiz erhalten (ich hoffe Sie verstehen die Ironie in diesem Satz), ging ich nach fünf Monaten wieder arbeiten. Grosszügigerweise erlaubte mir mein damaliger Arbeitgeber noch einen Monat Urlaub dranzuhängen. Heute arbeiten mein Mann und ich jeweils vier Tage die Woche, somit geht unser Kind drei Tage in die Kita.
Jetzt wird es wieder zwei Lager geben: «Was, mit fünf Monaten? Man kriegt doch keine Kinder, um sie danach abzuschieben?» oder «Ja, go Girl, du hast dir ja nicht umsonst alles aufgebaut». Oder wiedermal meine Meinung: «Wir sind beide für dieses Kind und unseren Unterhalt verantwortlich, also stemmen wir das auch gemeinsam.»
Und auch hier kommt mir das «Women Empowerment» ja eigentlich wieder gelegen, die Realität sieht aber auch hier wieder anders aus.
Während es männliche Kollegen von meinem Mann toll finden, dass er die finanzielle Verpflichtung nicht alleine tragen muss und auch seine Papi-Zeit hat, ohne dass ihm die Mutter immer reinredet, finden das meine weiblichen Kolleginnen eher schwierig.
An jedem Kongress, Event oder Business-Trip werde ich gefragt: «Hast du keine Mom-Gilt?» – «Fühlst du dich nicht zwischen Stuhl und Bank?» – «Fehlt dir dein Sohn nicht?» – Und meine absolute Lieblingsfrage möchte ich Ihnen nicht vorenthalten: «Wer schaut auf dein Kind?»
Ich muss hier ja nicht hinzufügen, dass mein Mann NIE so etwas – oder annähernd so etwas – gefragt wird. Es ist überhaupt kein Thema, ob er sich schuldig fühlt, dass er arbeitet. Ob er seinen Sohn vermisst oder sich zwischen Stühlen und Bänken fühlt oder wer gerade auf sein Kind schaut.
Seit meiner Schwangerschaft erhalte ich die grösste «Women Empowerment» von «Dior» in Form des erwähnten T-Shirts und von den Männern in meinem Leben. Ich erhalte Zuspruch, dass ich es schaffe mir selbst treu zu bleiben und trotzdem eine gute Mutter zu sein (oder gerade deswegen), dass ich meinem Mann seine Zeit eingestehe, ihn seinen Weg gehen lasse und wir gleichzeitig aber ein Paar und eine Familie sind.
Im Jahr 2021 sollte es doch ok sein, wenn eine Frau sich dafür entscheidet, Vollzeit-Mami zu sein und nicht zu arbeiten. Es sollte genau so ok sein, wenn sie einige Stunden oder Tage in der Woche arbeiten möchte oder sogar Vollzeit arbeitet. In Zeiten, wo Familienmodelle so bunt sind wie der Regenbogen, sollte es auch für die Mutter möglich sein, für sich und mit ihrer Familie zu entscheiden, wer wieviel, wann und wo arbeitet. DAS ist «Women Empowerment».
Und falls Sie sich doch noch fragen, wo mein Sohn ist, wenn ich wieder irgendwo den «Social Butterfly» für meinen Arbeitgeber mache – nein, er ist nicht im Keller bei Wasser und Brot oder parkiert vor dem TV. Er ist mit seinem Vater, meinem Mann, unterwegs und erlebt gelebten Feminismus und «Women Empowerment».
Rebecca Sandu (*1981) stammt ursprünglich aus Zuckenriet/SG. Nach Stationen in Zürich und Shanghai lebt sie nun mit ihrer Familie idyllisch bei Winterthur.
Rebecca Sandu ist mit Herz und Seele Mutter und mit Leidenschaft Entrepreneurin. Als Brand Managerin im ästhetischen Bereich, schaut sie über den Gartenzaun und setzt so mit viel Engagement immer wieder neue Marketingkampagnen um.
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