Der Tübacher Gemeindepräsident Michael Götte (Mitte) posiert vor dem Lebendpreis, dem Kalb Lessy.
Am Samstag fällt die Entscheidung. Dann wird feststehen, ob St.Gallen das Eidgenössische Schwingfest 2025 ausrichten kann – oder die Entscheidung auf die Bewerbung «Glarus plus» entfällt. Eine Begegnung vor dem Tag X mit Michael Götte, dem Präsidenten des Vereins, der St.Gallen vertritt.
Als vor acht Jahren einige Visionäre die Idee aufgriffen und mit der Arbeit begannen, wussten sie bereits: Anfang März 2021 wird feststehen, ob sich der Aufwand gelohnt hat. Schon damals stand er fest, der Vergabetermin für das Eidgenössische Schwingfest 2025. Und einige aufrechte St.Gallerinnen und St.Galler waren fest entschlossen, diesen Tag in weiter Ferne zu ihrem Tag zu machen – und dem für eine ganze Region. Indem sie das grösste sportliche Volksfest der Schweiz nach St.Gallen holen.
Was man damals hingegen nicht ahnen konnte: Dass der grosse Tag anders ablaufen würde als üblich. Am kommenden Samstag entscheiden 281 Delegierte darüber, ob eben St.Gallen oder die Bewerbung «Glarus plus» das Schwingfest erhält. Aber nicht wie sonst im Rahmen einer Delegiertenversammlung, sondern auf dem Postweg. Mit Poststempel vom 2. März mussten sie ihre Stimme für eine der beiden Optionen geben.
Michael Götte wirkt beim Gespräch bei uns an diesem Stichtag ziemlich gelöst. Denn er weiss: Er kann nichts mehr tun, die Würfel sind gefallen, auch wenn das Ergebnis erst am Samstag feststeht. Der Präsident des Vereins ESAF 2025 St.Gallen arbeitet zusammen mit seinem Team seit acht Jahren auf diesen Moment hin, aber nun herrscht die Entspannung vor der totalen Anspannung am Samstag. «Der Vorstand trifft sich an jenem Tag im Gründenmoos, und dann werden wir es erfahren», sagt Götte und zuckt mit den Schultern. Er wird es sein, der den entscheidenden Anruf am Samstag entgegennehmen wird. Champagner werde fliessen – so oder so.
Eine Vorahnung hat Götte nicht, es sei völlig offen, wie sich die Delegierten entscheiden. Er erinnert an die Situation vor rund zehn Jahren, als Burgdorf und Thun in Konkurrenz standen. Thun punktete – wie St.Gallen aktuell – mit seiner Grösse, seiner bestehenden Infrastruktur. Vergeben wurde das «Eidgenössische» an Burgdorf. «Die haben mit Emotionen gepunktet und die Delegierten so abgeholt», sagt Götte. Es war quasi der Jöh-Effekt des David gegen den Goliath. Emotionen rüberzubringen ist in Coronazeiten allerdings schwierig. Dazu kommt, dass das Schwingfest 1980 schon einmal in St.Gallen war, für Glarus wäre es eine Premiere.
Der Tübacher Gemeindepräsident Michael Götte (Mitte) posiert vor dem Lebendpreis, dem Kalb Lessy.
Was davon spricht für, was gegen die St.Galler Bewerbung? Sicher ist, weiss Götte: Wenn es dieses Mal nicht klappt, könnte St.Gallen erst 2040 wieder dran sein. Und dann wäre die aufwändige Projektarbeit nicht mehr zu recyclieren, denn bis dann werden sich im Westen von St.Gallen, wo der Anlass stattfinden soll, die Voraussetzungen längst nicht mehr dieselben. Also alles für die Katze, wenn «Glarus plus» gewinnt? Götte schüttelt den Kopf. Für 2025 natürlich schon, aber er persönlich ziehe in jedem Fall ein positives Fazit. «Ich habe in diesen acht Jahren so viele neue Leute kennengelernt, echte Charaktere, mit denen ich gerne zusammengearbeitet habe.»
Der Weg war ein langer. Aus einem Gespräch am Skilift entstand die grobe Idee, es wurden Leute an Bord geholt, Erfahrugnen ausgetauscht. Die Schwinger aus der Region gewann man für die Vision, ebenso die Standortgemeinden St.Gallen, Gossau, Gaiserwald und Herisau. An Engagement fehlte es mit Sicherheit nicht. Der absolut überwiegende Teil der Arbeit wurde ehrenamtlich erbracht. «Hätten wir die Stunden gerechnet», bemerkt Götte, «wäre das alles niemals finanzierbar gewesen.»
Und die ganze Arbeit für wenige Tage, für einen einzigen Anlass? Die Hoffnungen sind ein bisschen grösser. Im Idealfall, so Götte, werde der Grossevent die Region zusammenschweissen, über die Stadt hinaus. Die Vernetzung der beteiligten Vereine würde stärker, das Wir-Gefühl ebenfalls. Und natürlich könnte es ein Antrieb für den Schwingsport in der Region sein, gerade auch in der Nachwuchsarbeit.
Dazu kommt die wirtschaftliche Wertschöpfung. Dass der St.Galler Tourismus danach gleich in den Himmel schiesst, ist nicht zu erwarten. Aber mehrere Tage lang wäre die Region live am TV zu sehen, Hotels und Gastronomie und Gewerbe würden direkt profitieren. 70 Millionen Franken, so die Schätzung, werden im Umfeld eines Eidgenössischen Schwingfests erwirtschaftet, der Anlass selber budgetiert 35 bis 40 Millionen Franken.
Aber eben: Erst am Samstag steht fest, ob das nur reine Zahlenspielereien oder etwas Handfestes sein wird. Entscheiden werden das Ehrenmitglieder des Schwingerverbands, aktuelle Funktionäre, die technische Kommission und andere Schwingsportgremien. Vergeben sie den Anlass nach St.Gallen, wird es sofort weitergehen. Dann muss der Kick-off erfolgen für die konkrete Planung. Ein Trägerverein übernimmt, ein Organisationskomitee muss gebildet werden, es braucht eine Geschäftsführung. Ein Eidgenössisches Schwingfest ist eine Art temporäres KMU.
«Wir sind bereit», sagt Michael Götte. Sein persönliches Gefühl, was den Ausgang betrifft, sei völlig offen. Aus dem Tübacher Gemeindepräsident und SVP-Kantonsrat ist in den letzten acht Jahren ein Schwingfan geworden, und er werde dieser «Szene» sowieso treu bleiben, wie auch immer es ausgeht. «Aber klar, mit einem noch besseren Gefühl, wenn wir die sind, die diesen Anlass durchführen dürfen.»
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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