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Von St. Gallen über FL in den wilden Osten

Das Firmengeflecht des Sherkati-Imperiums

Hinter der Liechtensteiner Privatbank Alpinum steht ein gigantisches Firmengeflecht rund um den Clan des iranisch-schweizerischen Geschäftsmanns Yousef Sherkati. Einblick in tiefe Täler hinter hohen Bergen.

«Die Ostschweiz» Archiv am 17. Mai 2019

Vorbemerkung: Dieser Artikel des freischaffenden Autors René Zeyer erschien erstmals im St.Galler Tagblatt in der Ausgabe vom 17. April 2019, ist aber aus dem Onlinearchiv der Zeitung entfernt worden. Diese Version wurde in einigen Details bereinigt.

Die Bank Alpinum leistet sich einen edlen Internetauftritt. Berggipfel suggerieren alpenländische Stabilität, zur Philosophie gehöre, dass «nur zufriedene Mitarbeiter motivierte Mitarbeiter» seien. Nun ja. In sich ruhend wie ein Fels ist diese Privatbank nicht.

Vor zwei Jahren machte sie Schlagzeilen, weil ein offenbar unzufriedener Mitarbeiter von Kundenkonten über 10 Millionen Franken entwendete, um damit seinen Lebensstil und Drogenkonsum zu bezahlen. Das ist in Liechtenstein nicht unüblich; immer mal wieder kann ein Treuhänder zwischen Meins und Deins nicht unterscheiden. So landete der fürstliche Justizrat Harry G. im Knast, weil er für seine brasilianische Freundin mindestens 12 Millionen unterschlagen hatte. Und immer wieder gibt es Ärger, wenn ein Treuhänder eine ihm anvertraute Stiftung «dekantiert». In Liechtenstein versteht man darunter nicht das Belüften eines Weines, sondern das Plündern einer Stiftung.

Ungewöhnlich war aber, dass die damalige Bankleitung um den CEO Stephan Häberle versucht hatte, den Betrug geheim zu halten. Man vereinbarte mit dem gefeuerten Mitarbeiter, dass er das Geld stillschweigend zurückzahlen solle. Das flog dann allerdings bei einer Hausdurchsuchung auf. Der ehemalige Vizedirektor der Bank wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt. Eher gewöhnlich war der sich anschliessende Skandal, dass sich drei ehemalige Alpinum-Mitarbeiter wegen Betrugs, Geldwäsche und Veruntreuung vor Gericht zu verantworten hatten. In Liechtenstein Kavaliersdelikte, ausser, man lässt sich erwischen.

Etwas dümmer für die Bank Alpinum ist, dass offenbar auch eine zwielichtige Figur, die Millionen im Darknet gescheffelt hatte, zu ihren Kunden gehörte. Der Kanadier Alexandre Cazes hatte eine Plattform betrieben, wo man im Schutz der Anonymität des Darknet mit Waffen, Drogen und allem Verbotenen handeln konnte. Cazes wähnte sich in Thailand in Sicherheit – bis er 2017 verhaftet und seine Handelsplattform AlphaBay geschlossen wurde. Denn auch das Darknet ist für staatliche Strafverfolgungsbehörden nicht völlig undurchdringlich. Cazes erhängte sich kurz nach seiner Verhaftung in seiner Zelle, mit nur 26 Jahren.

Sein Vermögen von rund 25 Millionen Franken hatte Cazes auf verschiedenen Bankkonten gebunkert, auf den üblichen kleinen Inseln im Meer. Und bei der Bank Alpinum in Liechtenstein, wie das «Liechtensteiner Tagblatt» anhand von US-Gerichtsakten herausfand. Die Bank berief sich auf das Bankgeheimnis und lehnte jede Erklärung ab, wie es Cazes gelungen war, über drei Millionen Dollar über dieses Konto zu schleusen, mit denen er sich eine zypriotische Staatsbürgerschaft kaufen wollte.

CEO Häberle ist inzwischen, wie man in Bankenkreisen so schön sagt, ebenfalls Geschichte. Im Februar trennte sich Alpinum «per sofort» von ihm. Interimistischer Nachfolger wurde der COO Jürgen Bewernick – für ganze vier Wochen. Auch der Head Private Banking zog die Reissleine. Damit ist von der Geschäftsleitung keiner mehr übrig, aber Bewernick soll die Bank solange leiten, bis ein neuer CEO gefunden ist. Dazu sagt die Bank, dass «es in der Vergangenheit fehlbares Verhalten einzelner Mitarbeiter gegeben hat. Fehlbare Mitarbeiter werden aus der Bank entfernt». Zudem versichert die Bank «gerne», dass sie «jederzeit über genügend Fachpersonal verfügt».

Turbulente Zeiten. Während die Geschäftsleitung flöten geht, lohnt sich ein Blick in den Verwaltungsrat der Bank. Da sind im Handelsregister Jan Urs Schoch, Peter Andreas Cott und Yousef Sherkati aufgeführt. Interessant ist schon mal, dass mit vier Ausnahmen alle Zeichnungsberichtigten der Bank in den letzten 13 Monaten eingetragen wurden. «Personalien unterhalb der Geschäftsleitung kommuniziert die Bank traditionell nicht», sagte sie auf Anfrage. Interessant ist auch, dass die Bank bei einer Bilanzsumme von 367 Millionen Franken per 31. 12. 2017 einen Verlust von 3,5 Millionen ausweist; im Vorjahr einen Minigewinn von 91'000 Franken. Gleichzeitig schwoll die Zahl der Beschäftigten von 38 auf 60 an.

Aber zurück zum Verwaltungsrat. Und seinen Familienbanden. Cott ist der Schwiegersohn von Sherkati. Seeger, Cott und Partner rühmt sich, das älteste Treuhandbüro Liechtensteins zu sein. Und hier ist Elnas Sherkati Cott Partnerin und stellvertretende Verwaltungsratspräsidentin. Schoch seinerseits legte einen unrühmlichen Abgang bei Leonteq hin und war sicherlich froh, als VR wieder Boden unter den Füssen zu finden.

Auch die Privatbank selbst sucht nach stabilem Grund. Der Rauswurf des CEO scheint damit zu tun zu haben, dass es notleidende Lombardkredite aus dem Balkan gibt. Der VR-Präsident Cott spricht im Zusammenhang mit diesem Abgang von «Eigenmächtigkeiten und Abstimmungsdefiziten». Es gebe ungedeckte Lombardkredite in der Höhe von 10 bis 20 Millionen Franken, will das Liechtensteiner «Vaterland» wissen, das sich auf anonyme Quellen in der Bank beruft. Wohl nicht eigenmächtig hat der VR-Präsident Cott im August 2018 die Saniera AG gegründet und ihren Firmensitz an der Kirchstrasse in Schaan der langen Liste der dort domizilierten Briefkastenfirmen angeschlossen. Im Verwaltungsrat sitzen Cott selbst, Wolfgang Seeger vom Treuhandbüro und die Seeger, Cott & Partner Aktiengesellschaft.

Mitarbeiter weist die Saniera nicht aus. Insider wollen wissen, dass diese AG, deren Namen sich nicht zufällig wie Sanieren anhört, von Alpinum notleidende Kredite übernommen habe. Sollte das der Fall sein, geriete die Bank aber in die Nähe von Bilanzkosmetik. Diese Art von kreativer Buchhaltung ist zwar seit der Finanzkrise eins beliebt; mit oder ohne staatliche Hilfe werden gefährdete Kredite in eine Bad Bank oder in ein Spezialvehikel ausgelagert und damit die eigentliche Bankbilanz entlastet. Ob das hier der Fall ist – und ob das den Gewährsvorschriften entspricht –, müsste die Liechtensteiner Finanzmarktaufsicht abklären. «Wir erteilen zur laufenden Aufsicht, zu angeordneten Massnahmen und zu Verfahren keine Auskünfte», sagt sie schmallippig.

Am interessantesten im Verwaltungsrat von Alpinum ist Yousef Sherkati, der Mehrheitsaktionär der Bank. Der iranische Geschäftsmann mit Wohnsitz St. Gallen unterhält weiterhin Beziehungen mit seiner Heimat. An und für sich kein Problem – wenn nicht unter Präsident Trump die USA wieder auf Konfrontationskurs mit dem Iran gegangen wären und eine ganze Reihe von Sanktionen beschlossen hätten. Sherkati ist seit 2004 im Verwaltungsrat von Alpinum, seinen Schwiegersohn Cott holte er sich erst im Oktober 2018 als VR-Präsidenten. Und Schoch schliesslich kam erst vor wenigen Wochen an Bord, als das grosse Rausschmeissen schon stattgefunden hatte.

Das betraf nicht nur die Geschäftsleitung, sondern viele Banker querbeet. Vor dem Arbeitsgericht in Vaduz klagen entlassene Mitarbeiter wegen missbräuchlicher Kündigung; das Argument, die Bank müsse sparen, sei nur vorgeschoben gewesen, in Wirklichkeit seien viele neue Mitarbeiter angestellt worden, worauf die Liste der Zeichnungsberichtigten im Handelsregister hinweist.

Aber damit nicht genug der Probleme. Der Schwiegersohn des Mehrheitsbesitzers soll in Vaduz einen Selbstunfall mit anschliessender Fahrerflucht begangen haben, nach einem feuchtfröhlichen Abend. «Der Präsident des Verwaltungsrats war am frühen Morgen des 22. Februar in einen Selbstunfall ohne Personenschäden verwickelt und hat dazu am gleichen Tag eigeninitiativ behördliche Angaben gemacht», bestätigt die Bank indirekt. Aber auch dieses menschliche Fehlverhalten des VR-Präsidenten einer Privatbank ist nicht das grösste Problem von Alpinum.

Der Finanzblog «Inside-Paradeplatz» meldet unter Berufung auf einen Insider, dass die Bank vom Dollarclearing ausgeschlossen worden sei. Beziehungsweise ihr Zürcher Partner Sobaco, über den sie das betrieben habe. Hört sich harmlos an, ist aber eine tödliche Bedrohung für jede Bank. Das mussten schon die grössten Schweizer Banken im Steuerstreit mit den USA erfahren. Die USA sind der Herr des Dollars, und sie können nach Belieben die Verwendung der Weltwährung Nummer eins verbieten. So wie sie es bei Ländern auf ihrer Boykottliste tun, darunter Kuba – und der Iran. Für jede Bank auf der Welt ist die Abkoppelung von Dollargeschäften der Todesstoss. Sie kann nicht mehr in der wichtigsten Währung handeln, schlimmer noch: Sie wird zum Paria, auch andere Banken wollen nichts mehr mit ihr zu tun haben.

Auch das bestätigt die Bank: «Wie uns von einem Bankdienstleister in der Schweiz mitgeteilt wurde, wird dessen US-Korrespondenzbank die Zusammenarbeit mit dem Dienstleister beenden. Dies hat Auswirkungen auch auf die Bank Alpinum. Wir werden daher künftig eine vertragliche Bindung mit einem anderen Dienstleister oder einer US Korrespondenzbank eingehen.» Dagegen sagt der CEO der Sobaco AG: «Die Liechtensteiner Privatbank Alpinum bezog das Dollarclearing von der InCore Bank AG. Die InCore Bank ist nicht vom Dollarclearing ausgeschlossen.» Für weitere Fragen verweist er an der CEO der InCore Bank, der darauf nicht reagiert. Was wohl auch nicht nötig ist, da die Bank der Sobaco Holding gehört. Hier steht nun Aussage gegen Aussage.

Sherkati steckt also privat, familiär und mit seiner Bank in einigen Schwierigkeiten. Auch der Fürst dürfte all diesen Entwicklungen nicht huldvoll zuschauen. Schliesslich betreibt er selber eine Bank in Liechenstein. Und hat sich, viel geschickter als die Schweizer, aus all den Streitigkeiten wegen Schwarzgeldern herausgezogen. Abgesehen von den anhaltenden Problemen mit ungetreuen Treuhändern steht der Finanzplatz Liechtenstein relativ sauber da. Und die Trutzburg des Fürsten wacht über Vaduz, damit den ganzen Finanzdienstleistern dort nichts geschieht. Allerdings: Wenn die USA sauer werden sollten, nützt weder Burg noch Fürstentum, und eine eigene Armee hat Liechtenstein sowieso nicht.

Die Bank Alpinum taucht nicht alleine auf dem Radarschirm der US-Behörden auf. Sie waren schon hinter dem Liechtensteiner Verwalter von Treuhandvermögen Mario Staggl her. Dessen Namen kam im Zusammenhang mit dem Fall Birkenfeld in die Weltpresse. Der UBS-Banker wurde im Jahre 2008 zum Whistleblower und brachte die Grossbank UBS in eine schwere Bredouille im Steuerstreit mit den USA, aus der sie sich nur mit der Zahlung von rund 800 Millionen Franken befreien konnte.

Einer der grössten Kunden, für die Bradley Birkenfeld Schwarzgeld versteckte, war der in den USA lebende russische Multimillionär Igor Olenicoff, der einen Notgroschen vor der US-Steuerbehörde verstecken wollte. «Also hatte Staggl für ihn zwei Trusts in Liechtenstein mit drei Firmenhüllen in Dänemark dahinter eingerichtet, mit Olenicoff als letztlichem Eigentümer. Bald lagen 200 Millionen Dollar auf mehreren Nummernkonten bei der UBS.» So beschreibt das Birkenfeld in seinem Buch «Des Teufels Banker. Wie ich das Schweizer Bankgeheimnis zu Fall brachte».

Staggl wurde von den US-Strafverfolgungsbehörden zur Fahndung ausgeschrieben, tauchte wohlweislich in Liechtenstein etwas ab, bis Gras über die Sache gewachsen war, obwohl der Haftbefehl bis heute gültig ist. Die Liechtensteiner Staatsanwaltschaft kann sich allerdings nicht an ein Rechtshilfegesuch aus den USA erinnern. 2018 landete Staggl wieder in den Schlagzeilen und in Untersuchungshaft in Vaduz. Untreue, Veruntreuung, schwerer Betrug werden ihm vorgeworfen, die Schadenssumme soll bis zu 25 Millionen Franken betragen.

Neben all diesen Problemen gibt es noch weitere geschäftliche Verflechtungen der Familie Sherkati, die durchaus auch das Interesse der US-Behörden auf sich ziehen könnten. An der Zwinglistrasse in St. Gallen, in einer hübschen Villa, ist der Sitz eines Firmenkonglomerats grösseren Ausmasses im Transportbereich. Dazu gehören die Transinvest Holding AG, die Transinvest Group AG und weitere 8 Firmen, darunter die M &M Militzer und Münch International Holding AG. An der Winkelriedstrasse ist die Transasia Holding AG mit einem Kapital von 540 Millionen Franken, die Interrail AG und die TTS AG beheimatet. Praktisch: das Terrain der Villa stösst an beide Strassen.

Alleine daran wäre nichts Anrüchiges, und es ist ja verständlich, dass der Langzeit-CEO Yousef Sherkati Familienmitglieder an die Schalthebel dieses Konglomerats setzt. Allerdings war bis 2006 auch ein gewisser Nicolai Makurin (oder Makourine, es gibt verschiedene Schreibweisen) im Verwaltungsrat der Transinvest Holding und der Transrail Holding. Nun taucht der Name Makurin in diversen Untersuchungen von europäischen Strafverfolgungsbehörden auf, in denen es um Korruptionsfälle in Russland und den anderen neuen Staaten nach dem Zusammenbruch der UdSSR geht.

Alle diese Firmen haben etwas gemeinsam: Im Verwaltungsrat oder als Zeichnungsberichtigte tauchen Yousef oder Elyar Nima Sherkati oder Elnas Sherkati Cott auf. Der Firmengeschichte von Transinvest, ein Konzern mit über 100 Tochtergesellschaften, 3100 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 800 Millionen Franken, kann man entnehmen, dass Yousef Sherkati nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers den Warenverkehr zwischen Zentraleuropa und den neuen Ländern im Osten aufnahm. Über die Firma M & M Militzer und Münch wurde er zum Haupteigentümer des Transinvest-Konzerns. Makurin wurde 2006 in Italien verhaftet und beschuldigt, über Firmenkonstrukte auch in der Schweiz bis zu 7 Milliarden Euro gewaschen zu haben, die im russischen Eisenbahnministerium unterschlagen worden waren. Diese Untersuchung wurde später eingestellt.

Neben Makurin wird auch der Deutsche Werner Albert erwähnt. Beide beteuerten ihre Unschuld. Albert ist aktuell VR-Präsident der Transinvest Group AG, die in dieser Villa ihren Sitz hat. Er managte damals zusammen mit Makurin die Transrail Holding AG, die beschuldigt wurde, Bestandteil eines kriminellen Netzwerks für Geldwäsche zu sein. Alles ist hier verflochten und vernetzt. So ist Michael Albert VR-Präsident bei M & M und bei der Transinvest Holding AG sowie zeichnungsberechtigt bei der Interrail Holding GmbH. Die Amtswege zwischen den Firmen sind eher kurz. Von einem Zimmer der St. Galler Villa zum nächsten. Höchstens.

Im Vergleich zu dem potenziellen Sprengstoff, der in dieser schönen Villa in St. Gallen steckt, sind die möglichen Probleme der Privatbank Alpinum in Vaduz eher Peanuts, wie der Banker da sagt. Aber durch den Mehrheitsaktionär Sherkati und weitere familiäre Verflechtungen ist der Weg von Vaduz nach St. Gallen nicht weit. Für eine Zündschnur nicht weit genug.

Kontoführung für einen ertappten Waffen- und Drogenhändler im Darknet, finanzielle Geschäftsbeziehungen mit dem Iran, Probleme mit dem Dollarclearing, ein zwar in Vaduz einsitzender, aber von den USA gesuchter Vermögensverwalter: Die USA könnten versucht sein, nicht nur die Bank Alpinum in den Schwitzkasten zu nehmen. Sondern gleich den ganzen Bankenplatz Liechtenstein. Und dann bröckelt das Geschäftsmodell Liechtensteins schneller, als seine Einwohner und Untertanen «Fürscht» sagen können. Und mit der Ruhe in der St. Galler Villa dürfte es auch vorbei sein.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
«Die Ostschweiz» Archiv

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