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Zeyer zur Zeit

Der Riesenelefant im Corona-Raum

Seine Existenz ist unbezweifelbar, nun wurde er auch genau vermessen. An diesem Elefanten wird krampfhaft vorbeigeschaut. Weil er viele Entscheidungsgrundlagen zur Makulatur werden lässt.

«Die Ostschweiz» Archiv am 22. Mai 2021

«Zu Anfang war es so, dass 90 Prozent all derer, die sich tatsächlich infiziert hatten, das nicht wussten. Das heisst, die Dunkelziffer lag bei 90 Prozent.»

Das sagt Christine Klein, verantwortlich für eine beispiellose Corona-Langzeitstudie. Dauer: ein Jahr; 3000 Beteiligte, es wurden 20'000 Antigentests ausgewertet und 100'000 per App eingereichte Fragebögen.

Klein ist Professorin für Neurologie an der Universität Kiel. Eine angesehene Wissenschaftlerin; von Aluhutträgern oder Verschwörungstheoretikern Welten entfernt. Das lässt nur eine Möglichkeit zu, mit den Resultaten ihrer Untersuchung umzugehen: ignorieren, nicht zu Kenntnis nehmen, ausblenden.

Eine ihrer Erkenntnisse: «Es stellte sich heraus, dass der Kontakt mit einem Covid-Patienten der grösste Risikofaktor war, sich zu infizieren. Das ist jetzt nicht überraschend. Umgekehrt war aber überraschend, dass Dinge wie die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Kinder in der Schule, Tourismus über die gesamten Sommermonate keinen Einfluss auf das Infektionsgeschehen hatten.»

Entscheidend ist aber der Beleg, dass die Dunkelziffer (heute liegt sie bei 30 Prozent) eigentlich sämtliche zur Beurteilung der Situation – und damit zur Entscheidung über Massnahmen – herangezogene Zahlen, Indizes, Indikatoren, Tages-Inzidenzen etc. pp – Pipifax sind. Unbrauchbar. Unscharf.

Einfaches Beispiel: Es gibt 1000 identifizierte Infizierte. Von denen müssen 100 auf die Intensivstation, 10 sterben. Also 10 Prozent belasten das Gesundheitssystem, 1 Prozent stirbt. Darauf kann man bauen, Vorsorge treffen, Lockdowns beschliessen. Kann man?

Wenn es eine Dunkelziffer von 90 Prozent gibt, also auf jeden erkannten Infizierten 9 Nicht-Erkannte kommen, was bedeutet das dann? Dann gibt es also nicht 1000, sondern 10'000 Infizierte. Von denen dann 1 Prozent auf die Intensivstation kommt und 0,1 Prozent sterben.

Wir haben das schon mit einem einfachen Dreisatz und der Korrelation zwischen der Anzahl Corona-Toter und offiziell Infizierter belegt; nachlesen lohnt sich.

Der entscheidende Punkt hier, beruhend auf den Zahlen von vor zwei Monaten:

– Todesrate: Kein Experte postuliert eine Todesrate von über 1 Prozent, also dass mehr als jeder 100. an Covid Erkrankte auch daran stirbt. Die Heinsberg-Antikörperstudie kam auf 0,37 Prozent, die WHO-Metastudie vom vergangenen November auf 0,27 Prozent.

– In Deutschland sind bislang offiziell 65'000 Menschen an Corona gestorben, in der Schweiz etwas über 9200.

– Das deutsche Robert-Koch-Institut rechnet mit insgesamt 2,36 Millionen Infizierten, das Schweizer BAG mit etwas über 550'000 Fällen.

Beide Zahlen können nicht stimmen.

Bei 65'000 Toten in Deutschland muss man von einer Infiziertenzahl von 24,7 Millionen ausgehen, also das Zehnfache der offiziellen Angabe. In der Schweiz müssten es rund 3,4 Millionen Infizierte sein. Also eine Dunkelziffer von mehr als 84 Prozent, wenn man die Todesrate von 0,27 Prozent anwendet. Selbst bei absurd hohen 1 Prozent gäbe es immer noch eine gewaltige Dunkelziffer.

Nun ist das damalige Postulat von dieser Langzeitstudie belegt worden. Die Auswirkungen waren und sind verheerend. Wer mit Zahlen arbeitet und von ihnen dermassen gravierende Folgen für Wirtschaft, Gesellschaft und eigentlich alles ableitet, ist fahrlässig. Verantwortungslos. Unfähig. Mit richtigen Annahmen gearbeitet sieht es so aus:

In Deutschland werden insgesamt 135'000 Menschen an Corona sterben, bis die Gesellschaft durchinfiziert ist. Auch auf die Gefahr hin, als Zyniker beschimpft zu werden: all der Aufwand, all die Schäden, all die Verluste, all die Kollateralschäden, obwohl bereits die Hälfte dieser Todeszahl erreicht ist? In der Schweiz wären es insgesamt weniger als 18'000.

Noch interessanter ist die Frage, wieso an diesem Elefanten im Raum bis heute so geflissentlich vorbeigeschaut wird. Elefant? Wo ist ein Elefant? Wer einen Elefanten sieht, muss was geraucht haben.

Seit kirchlichen Verdikten («die Erde ist das Zentrum des Universums und eine Scheibe») hat sich wohl nie mehr das Handeln von Entscheidungsträgern so sehr auf völlig falsche Annahmen gestützt …

Stölzle /  Brányik
Autor/in
«Die Ostschweiz» Archiv

«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund einer halben Million Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG.

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