Bald ein halbes Jahr ist Martin Ackermann Leiter der «Swiss National COVID-?19 Science Task Force». Dem beratenden Gremium, das gerne das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben im Land auf unabsehbare Zeit lahmlegen würde. Ein Blick zurück lohnt sich.
Man war wohl sehr stolz bei der ETH Zürich, das vermelden zu können. «ETH-Professor neuer Leiter der Science Task Force» lautete die Schlagzeile im hauseigenen Newsblog am 20. Juli 2020. Angekündigt wurde damals, dass diese Task Force einen neuen Leiter erhalte. Es handelte sich um Martin Ackermann, Professor für Mikrobiologie an der ETH Zürich. Die Berufung katapultierte ihn vor die schweizweiten Kameras. Wissenschaftler sind selten uneitel. Ein schönes Mandat. Jedenfalls für Ackermann selbst.
Zur Bekanntgabe der Neubesetzung des Leiterposten gab es ein Interview. Man kann also rückblickend lesen, wie Martin Ackermann seine Aufgabe zu interpretieren plante. Vor einigen Monaten.
Spannend ist das, weil man inzwischen die Realität kennt. Es ist völlig egal, welche Entwicklung rund um Corona gerade läuft, ob die Rede nun von Testresultaten, den guten alten «Fallzahlen» oder wie jüngst einer mutierten Virusvariante die Rede ist: Ackermann kennt immer nur ein Rezept. Er will schliessen, schliessen, schliessen. Alles, wo sich Menschen treffen, ist ihm suspekt. Das kann man eigentlich nur tun, wenn man selbst keine eigenen Leute kennt.
Aber nun zum Interview. Einige denkwürdige Zitate - mit einer Beurteilung. Zu beachten ist, dass das Interview im Juli geführt wurde, bevor der Irrsinn überhand nahm.
«Wir haben festgestellt, dass in der öffentlichen Diskussion häufig Wirtschaft und Gesundheit gegeneinander abgewogen wurde. Diese Abwägung beruht auf der Vorstellung, dass allein die konkreten Massnahmen die Wirtschaft schwächen, doch diese Idee hat sich als falsch herausgestellt: Auch die Angst der Bevölkerung vor Corona lähmt die Wirtschaft.»
Das ist völlig korrekt: Auch die Angst vor Corona lähmt die Wirtschaft, weil selbst dann, wenn die Wirtschaft wirken darf, weniger Konsumenten auftauchen. Die alles entscheidende Frage ist aber: Wer hat diese Angst ausgelöst? Allenfalls die Task Force unter Martin Ackermann mit ihren permanenten Panikschreien?
«Ich fand es schon immer gut, dass viele Mitglieder der Task Force mit ihrer grossen Expertise auf einzelnen Gebieten in den Medien präsent sind. Ich werde in den Medien die Gesamtsicht der Task Force vertreten. .»
Grosse Expertise auf einzelnen Gebieten? Wie wir schon früher aufgezeigt haben, ist die Task Force in erster Linie eine Ansammlung von unterbeschäftigten Theoretikern. Aber in der Tat: Ackermann ist nur das Gesicht dieser verakademisierten Truppe, daher kann man ihm nicht alles anlassen.
«Mein Eindruck ist, dass der Konsens in der Bevölkerung zum Beispiel über die Massnahmen eher abgenommen hat, es kann deshalb gut sein, dass die Sicht der Task Force zu einzelnen Punkten noch mehr gefragt ist.»
Das ist sehr erhellend. Die Bürgerinnen und Bürger verstehen nicht mehr wirklich, was da oben läuft - also braucht es unsere warnenden Stimmen noch mehr. Warnend kann mit «angstmachend» ersetzt werden. Das ist es, was die Task Force in den letzten Monaten getan hat: Sogar wenn der Bundesrat übers Ziel schoss mit nicht evidenzbasierten Massnahmen, fand die Task Force noch, es sei viel zu wenig.
«Es ist viel einfacher und weniger kostspielig, die Epidemie bei tiefen Fallzahlen unter Kontrolle zu halten als bei höheren Fallzahlen. Nun sind wir in einer Phase, in der wir uns überlegen müssen, wie es weiter geht.»
Der Mikrobiologe als Mathematiker: Zahlen sind alles. Das ist ein sehr erhellender Satz, den Ackermann da von sich gab. Er hat frenetische Angst vor «höheren Fallzahlen». Als Wissenschaftler müsste er diese Fallzahlen aber einordnen können: Er weiss, wie sie entstehen und wie sie zu werten sind. Dennoch jagen sie ihm einen Schauer über den Rücken, und seine einzige Mission ist es, sie tief zu halten. Dafür kann man die Gastronomie zu Tode knechten oder - wenn es nach ihm ginge - gleich auch noch das restliche Kleingewerbe.
«Wir haben die Krise noch nicht überstanden. Jetzt müssen wir uns Gedanken machen, wie wir diese Krise nicht nur eindämmen, sondern längerfristig lösen.»
Das würden wir alle gern tun. Aber wie wir wissen, verschwinden Viren nicht einfach über Nacht restlos. Schon gar nicht, indem man sie in einem Lockdown für einige Wochen ausdünnt und dann die Türen wieder öffnet. Das Ergebnis ist ein Jo-Jo-Effekt. Den müsste ein Mikrobiologe kennen. Aber von welcher Krise spricht Ackermann, die es zu lösen gilt? Müsste es nicht darum gehen, einen normalen Umgang mit einem Virus zu finden, der eine ganz bestimmte Risikogruppen, aber nicht die breite Bevölkerung bedroht? Liegt sein Lösungsweg wirklich darin, auf Dauer auf Distanz zu leben und ganze Branchen vor die Hunde gehen zu lassen?
«Wir müssen bei grösstmöglicher Freiheit die am wenigsten schmerzhaften Massnahmen treffen, um die Fallzahlen tief zu halten.»
Und das tun wir aktuell, indem wir einen der harmlosesten Bereiche, die Gastronomie, in den Konkurs zu reiten? Ernsthaft? Was genau sind die «am wenigsten schmerzhaften Massnahmen?» Wenig schmerzhaft für Ackermann selbst, weil er sowieso nie auswärts essen geht und keine Freunde hat, die ein Bier trinken wollen mit ihm? Ginge es nach ihm, würden wir aufgrund eines mutierten Virus, von dem wir buchstäblich noch gar nichts wissen, auch mit wenigen Ausnahmen alle Läden schliessen. Und das tut nicht weh? Klar, man kann auch via amerikanischen Konzernen Zeugs nach Hause bestellen. Dabei geht zwar die regionale Wirtschaft vor die Hunde, aber was interessiert das einen ETH-Angestellten. Marktwirtschaft ist für diese Leute etwas, das man an- und abdrehen kann wie einen Lichtschalter.
«Wenn wir etwas durch die Coronakrise gelernt haben, dann doch, dass wir die Probleme nur gemeinsam lösen können.»
Seien Sie immer vorsichtig, wenn fix besoldete Leute wie Politiker oder staatliche Angestellte von gemeinsamer Problemlösung sprechen. Gemeint ist: Es ist mir eigentlich völlig egal, wenn es auf eure Kosten geht, auf mein Leben hat das keine Auswirkungen. Alain Berset und Simonetta Sommaruga haben ja auch keine Lohneinbussen.
Genau so wenig wie Herr Ackermann.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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