Die Redaktionsförderung für Online-Medien ist ein demokratischer Tabubruch. Ihre Verfassungsmässigkeit kann zumindest angezweifelt werden. Allein deswegen muss die Vorlage für ein Medienförderungspaket schon abgelehnt werden. – Ein Gastbeitrag von Ruedi Noser, Ständerat FDP (ZH).
Dieser Gastbeitrag entstammt dem Referat von Ständerat Ruedi Noser im Rahmen der Medienkonferenz des Referendumskomitees «Nein zu staatlich finanzierten Medien».
Diesen Tabubruch begeht der Bundesrat ohne Vernehmlassung, klandestin, indem er ein komplett neues Gesetz einfach einem bestehenden Gesetz anhängt. Dieses Manöver kann man nur verstehen, wenn man weiss, was der Bundesrat in den Hinterzimmern ausgeheckt hat.
Der Hinterzimmer-Deal ist ganz einfach: Heute gibt es eine indirekte Presseförderung, die darauf ausgerichtet ist, die teure Auslieferung der gedruckten Zeitung zu subventionieren. Im aktuellen Modell gilt: Wer keine Zeitung mehr druckt und ausliefert, bekommt auch keine Subventionen mehr. Mit der neuen Online-Förderung wird die indirekte Presseförderung über die Jahre immer mehr zu einer direkten Presseförderung umgebaut. Mit dem neuen Gesetz wird nicht mehr die Auslieferung der gedruckten Zeitung gefördert, sondern mehr und mehr die Redaktionen und damit die Inhalte ganz direkt.
Ein Beispiel: Der Tages-Anzeiger, 20 Minuten und weitere Zeitungen führen einen gemeinsamen Newsroom. Dieser Newsroom arbeitet für alle Titel, unabhängig davon, ob sie auf Papier gedruckt oder online verbreitet werden. 20 Minuten hat keine Abonnenten und ist deshalb nicht berechtigt, die neue Onlineförderung zu erhalten. Tages-Anzeiger oder BZ wiederum haben Abonnements, die zur Onlinenutzung und zum Zeitungslesen auf Papier berechtigen. Diese Redaktionen können künftig also bis zu 60% ihrer Abonnementseinnahmen aus dem Online-Bereich als Subventionen geltend machen. Daraus ergeben sich zwei Probleme:
1. Wieviel von einem Abonnement wird dem Print-, wie viel dem Online-Teil angerechnet?
2. Und wie grenzt man die Onlinekosten zwischen Bezahlmedien und Gratismedien ab?
Im Gesetz gibt es nicht einmal eine präzise Definition, was ein Onlinemedium ist.
Die Folge ist: Das zuständige Departement hat einen grossen Handlungsspielraum bei der Verteilung der Gelder. Man könnte auch sagen, die Gelder können nach eigenem Gutdünken verteilt werden. Ein Beispiel: Medien, welche bei der Corona-Berichterstattung ganz auf der Linie des Bundesrates lagen, könnten stärker profitieren als solche, die kritisch berichteten. Eine Zensur in den Köpfen der Chefredaktorinnen und -redaktoren wäre die Folge. Das darf es in einem Rechtsstaat nicht geben. Der Staat darf nicht die Möglichkeit haben, die vierte Kraft im Land zu kaufen.
Es gibt noch ein weiteres Problem. Durch die Quersubventionierung von Onlineredaktionen durch die Abonnenten, werden neue Gratisangebote schlicht und einfach verunmöglicht. Reine Gratismedien ohne Abonnenten, und damit ohne Förderung, sind gegenüber den staatlich geförderten Redaktionen chancenlos. Der Bundesrat zementiert damit regionale Medienmonople und friert den Medienmarkt ein. Vom kleinen Regionalblatt bis zum grossen Medienkonzern – jeder kommt in den Genuss staatlicher Subventionen, zwar etwas abgestuft, aber immer noch genug, damit keine neuen Konkurrenten entstehen können.
Dieser Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit, der selbst unter dem Eindruck der Corona-Krise ein enormer ist, geschieht ohne Not. Die grossen Medienhäuser schreiben saftige Gewinne und die Kleinen verteidigen ihre Nische dank starker regionaler Verwurzelung recht erfolgreich.
Der Bundesrat sagt, er leiste mit dem Gesetz einen Beitrag zur Medienvielfalt. Wir sagen, mit dem Gesetz kauft der Bundesrat die vierte Gewalt. Das muss verhindert werden. Unserer Demokratie zuliebe.
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