Grober Schnitzer bei der Schweizerischen Post: Sie lud 400 Redaktionen zu einem Medienanlass ein. Und dabei waren alle Empfänger frei einsehbar. Die Empörung folgte schnell.
Der Anlass klingt spannend. Die Schweizerische Post startet einen Drohnentransport zwischen den Zentrallabor Zürich und dem ZLZ-Notfalllabor in der Hirslanden Klinik Im Park. Darüber sollten die Medien im Rahmen eines kleinen Schauspiels informiert werden. Eine entsprechende Einladung erreichte auch unsere Redaktion Anfang Woche. Solange die Drohne nicht in der Ostschweiz fliegt, ist unser Interesse aber klein.
Mitte Woche fasste der Mediensprecher bei den Redaktionen nach, vielleicht, weil die erwarteten massenhaften Rückmeldungen ausgeblieben waren. In der E-Mail heisst es: «Im Sinne eines 'Reminders' mache ich Sie gerne aufmerksam auf die anfangs Woche verschickte Einladung der Schweizerischen für den Demoflug der Post- Drohne in Zürich übermorgen Freitag. Gemäss Wetterprognose dürfte es Flugwetter geben. Wir haben bis jetzt leider von Ihnen keinen Bescheid über eine Präsenz Ihres geschätzten Mediums erhalten.»
Dieses Schreiben ging an 400 Redaktionen in der Schweiz. Das Zeitungssterben scheint doch nicht so ausgeprägt zu sein. Das Problem war nur: Die Adressen befanden sich nicht etwa im unsichtbaren BCC-Feld oder waren in einer - ebenfalls nicht einsehbaren - Gruppe zusammengefasst. Die 400 Adressen waren frei zugänglich. Wer auf «alle antworten» klickte, konnte 400 Redaktionen mit seiner Meinung erfreuen. Oder noch besser: Die 400 Adressen kopieren und so kostenlos zu einem schweizweiten Medienverteiler kommen.
Nun sind Medienschaffende nicht auf den Mund gefallen, und schnell trudelten Reaktionen ein. Und zwar natürlich nicht nur an den direkten Absender, den Mediensprecher der Post - sondern an alle 400. Ein Moderator von Radio 24 schrieb zurück: «Besten Dank für den Reminder. Ich habe mir erlaubt, Mike Shiva auch ins CC zu nehmen. Den haben Sie vergessen.»
Der frühere TV-Mann und heutige Verleger Frank Baumann sieht zunächst die Vorteile: «Besten Dank für die Übermittlung der über 300 Adressen. Die meisten hatten wir schon, einige sind leider nicht mehr aktuell. Ich werde meine Assistentin aber gerne bitten, alle Kontakte noch einmal mit unseren abzugleichen und Sie dann updäitän.»
Im Sinne des Datenschutzes werde er aber die einzelnen Personen vorgängig anfragen, ob er ihre Adressen benutzen dürfe, denn «in punkto Datenschutz war die Post schon immer ein grosses Vorbild für uns.»
Genüsslich weist Baumann dann auf die neue EU-Datenschutzverordnung hin, die am 25. Mai in Kraft trat und erinnert daran, dass die Geldbusse im Fall einer Datenschutzverletzung durch Unternehmen bis zu 4 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes im vergangenen Geschäftsjahr betragen kann. Baumann weiter: «Daraus ergibt sich jetzt natürlich die Frage: Wie hoch war denn eigentlich der weltweite Jahresumsatz der Post im vergangenen Geschäftsjahr?»
Bei der Schweizerischen Post, die es auf einen Schlag geschafft hat, sämtliche Zeitungsredaktionen des Landes zu verärgern, dürfte man inzwischen mit der Aufarbeitung des Zwischenfalls beschäftigt sein. Vielleicht sollte die Medienabteilung einfach auf den Einsatz von E-Mails verzichten und in Zukunft stattdessen eine Drohne schicken.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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