Das St.Galler Gesundheitsdepartement hat den Wattwiler Arzt Rainer Schregel rechtswidrig als Amtsarzt abgesetzt. Zu diesem Schluss kommt das Verwaltungsgericht. Die Lektüre des Urteils lässt einen staunend zurück. Was geschah, hätte wohl nie geschehen dürfen.
Ein Streit zwischen dem Wattwiler Hausarzt und kantonalem Amtsarzt Rainer Schregel und einer Redaktorin des St.Galler Tagblatts hatte diesen Sommer weitreichende Folgen. Schregel verlor seine Anstellung als ärztlicher Leiter bei «Medbase» in Wattwil und die nebenamtliche Aufgabe als Amtsarzt.
Der Arzt wehrte sich auf juristischem Weg gegen die Abberufung als Amtsarzt durch das St.Galler Gesundheitsdepartement. Wie «Die Weltwoche» als erste berichtete, hat das St.Galler Verwaltungsgericht bereits Anfang Oktober festgestellt, dass diese Entscheidung rechtswidrig war. Inzwischen ist dieses Urteil rechtskräftig.
Das Verwaltungsgericht stellte zum einen Formfehler fest. Der Artikel im St.Galler Tagblatt, der das Ganze ins Rollen brachte, erschien am 13. August. Beim Kanton verlor man keine Zeit und war untypisch schnell unterwegs. Gleichentags um 13.44 Uhr teilte das Gesundheitsdepartement Schregel per E-Mail mit, man gedenke, ihn vorsorglich aus dem Amt abzuberufen. Man sei direkt vom Tagblatt über einen Facebook-Eintrag informiert worden. Schregel durfte Stellung beziehen - bis spätestens 17 Uhr.
Sprich: Der Arzt hatte knapp über zwei Stunden Zeit, um auf schwere Vorwürfe und seine vorsorgliche Absetzung zu reagieren. Er tat das aber sogar zeitgerecht, um danach gegen die Verfügung, die ihm schriftlich zugegangen war, Beschwerde beim Verwaltungsgericht zu erheben. Auf Schregels Bitte, ihm bis zum 20. August Zeit zu lassen für eine Stellungnahme, war das Gesundheitdepartement zuvor nicht eingegangen. Der Arzt hatte eine Begründung dafür gefordert, wieso die Angelegenheit so dringlich sei, es gab keine Antwort.
Das Verwaltungsgericht teilt in seinem Urteil Schregels Auffassung, dass er nicht genug Zeit hatte. Man könne sich nicht in zweieinviertel Stunden mit einem Rechtsvertreter besprechen und sich qualifiziert äussern bei einer Verfügung solcher Tragweite, heisst es im Dokument, das «Die Ostschweiz» vorliegt. Vor allem, weil bekannt war, dass Schlegel bei Erhalt der E-Mail auf Hausbesuch war. Das Gesundheitsdepartement hatte nachgefragt, ob er die Nachricht erhalten habe, wusste also, dass er beruflich besetzt war. Es handle sich «um eine schwere Gehörsverletzung», weil das Departement durch die zu kurze Frist in Kauf genommen habe, dass der Beschwerdeführer übergangen wurde.
Doch ganz grundsätzlich stellt das Verwaltungsgericht in Frage, ob eine - vorsorgliche - Abberufung «überhaupt zulässig ist.» Offenbar fehlen gesetzliche Grundlagen, die zeigen, unter welchen Umständen ein Amtsarzt abberufen werden könne. Es ist nicht einmal klar, «welche organisations- und personalrechtlichen Bestimmungen anwendbar seien.» Sprich: Es fehlt schlicht an harten Kriterien, die eine solche Entscheidung haltbar machen.
Unterm Strich heisst das Verwaltungsgericht Schregels Beschwerde gut, die Verfügung des Gesundheitsdepartements wurde aufgehoben, der Staat muss ihn mit 2080 Franken plus Mehrwertsteuer entschädigen.
Rainer Schregel zeigt sich auf Anfrage zufrieden mit dem Urteil, sieht darin aber keine Rehabilitation. Diese würde darin liegen, dass vom Kanton her eingestanden wird, dass die Abbesetzung ein Fehler war. Allerdings sind auch die Signale aus dem Gesundheitsdepartement nach diesem klaren Verdikt eher zurückhaltend.
Denn Schregel plant, seine Tätigkeit in den Kanton Luzern zu verlegen und benötigte dafür vom Departement eine Unbedenklichkeitsbescheinigung. Erstmals ersuchte er am 30. September darum und erhielt eine negative Antwort aufgrund des hängigen Verfahrens. Man könne ihm aber bescheinigen, dass er über eine Berufsausübungsbewilligung verfüge und man ihn aus dem Amt als Amtsarzt abberufen habe. Diese Bestätigung sei kostenpflichtig.
Wenig überraschend verzichtete Rainer Schregel darauf, eine Gebühr zu bezahlen für die Bescheinigung seiner Abberufung. Doch auch nachdem das Verwaltungsgericht klare Worte gegenüber dem Kanton gebraucht hatte und Schregel noch einmal um die Bestätigung bat, war die Offenheit nicht grösser. Derselbe Jurist des Gesundheitsdepartements befand, das Gerichtsurteil beziehe sich ja nicht auf das Verhalten des Amtsarztes, und dieses sei das Problem. Man werde aber bei einer Teamsitzung den Standpunkt prüfen.
Inzwischen ist das obsolet, das Wort des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig, das Gesundheitsdepartement hat Rainer Schregel rechtswidrig aus dem Amt befördert und musste nun zurückkrebsen. Für den Hausarzt ist das alles wohl ohnehin nicht mehr von Bedeutung: Er ist auf dem Absprung aus der Ostschweiz.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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