Kaum eine Behörde steht so unter Dauerbeschuss wie die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde, kurz KESB. Im Kanton St.Gallen gewähren nun alle neun Regionen einen Blick hinter die Kulissen - in der Hoffnung, Vorurteile auszuräumen.
Handelt die KESB willkürlich, wenn sie Kinder gegen den Willen von Eltern fremdplatziert? Ist sie ein dauerpräsentes Kontrollorgan, das häufig überreagiert? Es sind solche und ähnliche Vorwürfe, die im Zusammenhang mit der noch jungen Behörde immer wieder aufkommen. Betroffene melden sich bei den Medien, Politiker fordern Veränderungen - bis hin zur Abschaffung der KESB.
Die Behörde selbst und der Kanton sind überzeugt: Die KESB arbeitet verhältnismässig. Dieser Eindruck werde von den jährlich präsentierten Tätigkeitsberichten gestützt, schreibt das kantonale Amt für Soziales in einer Mitteilung. Nun wolle man aber auch zeigen, was hinter den Zahlen stecke und wie der Alltag der KESB aussehe.
Zu diesem Zweck öffnen die neun KESB-Behörden im Kanton am am 10. November zwischen 9 und 13 Uhr die Türen ihrer Standorte für die Allgemeinheit. Hier könne man sich über die Arbeit informieren und die Verantwortlichen kennenlernen, heisst es weiter.
Der Anlass findet zum kleinen Jubiläum statt: Die KESB in St.Gallen besteht seit fünf Jahren. Damit ist auch ein erster Überblick möglich, was jährliche Veränderungen bei den Fallzahlen angeht. Es seien Schwankungen festzustellen, heisst es in der Mittteilung, ein Trend sei noch nicht deutlich.
Aktuelle Zahlen dazu: Per Ende 2017 waren für 2818 Kinder und 4886 Erwachsene Schutzmassnahmen angeordnet. Gegenüber 2016 sei das ein stabiler Wert bei den Erwachsenen und eine Zunahme bei den Kindern.
Letztere sind oft auch der Stein des Anstosses, wenn Kritik aufkommt. Die KESB werde als «platzierende Behörde» wahrgenommen, schreibt das Amt für Soziales. Aber nur in acht Prozent der Fälle - das sind 287 - sei das Recht der Eltern, den Aufenthaltsort ihrer Kinder zu bestimmen, entzogen worden. «Viele Platzierungen erfolgen einvernehmlich mit den Eltern», heisst es weiter. Insgesamt lebten im Verlauf des Jahres 2017 201 St.Galler Kinder in einem Kinder- und Jugendheim. Im Kanton St.Gallen bestanden zudem 354 Pflegeverhältnisse.
Grund für Massnahmen sei oft, dass Eltern überfordert oder die Bedürfnisse der Kinder vernachlässigt werden. Ursache seien meist Probleme der Eltern oder Konflikte zwischen getrennt lebenden Paaren.
Über diese und weitere Umstände kann man sich nun direkt vor Ort erkundigen. Eine Informations-, sicher aber auch in gewissem Sinn eine Charmeoffensive. Der KESB ist bewusst, dass ihre Verankerung in der Bevölkerung «dank» der vielen Schlagzeilen nicht besonders gut ist - ob nun zu Recht oder zu Unrecht.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.